Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749.Zweyter Gesang. Welches sterbende Sünder entstellt; nein, mit einem Ge-sichte, Das sich mit männlichen Lächeln die Auferstehung der Todten, GOttes Tag, und das Erwachen zum Bilde des Ewi- gen weissagt. Um ihn schlug kein weinender Greis sein Vaterhertz; um ihn Jammerte keine verlassene Mutter; er stand ganz einsam Vor der Gottheit, und horchte, gehorsam ins Grab sich zu legen. Allda blieb mit seinem Johannes der göttliche Mittler. Unterdeß gieng Satan, mit Dampf und Wolcken um- hüllet, Durchs Thal Josaphat, über das todte Meer finster hin- über. Von da kam er zum wolkichten Carmel, vom Carmel gen Himmel. Hier durchirrt er mit grimmigem Blicke den göttlichen Weltbau, Daß er noch durch so viele Jahrhunderte, seit der Er- schaffung, Jn der ersten von GOtt ihm gegebnen Herrlichkeit glänzte. Gleichwohl ahmt er ihm nach, und änderte seine Gestalten Durch ätherisches Glänzen, damit nicht die Morgen- sterne Ueberall, wo er den irrenden Fuß ins Weltgebäu setzte, Ueber sein finstres Ansehn in stillem Triumphe sich freu- ten. Doch D 5
Zweyter Geſang. Welches ſterbende Suͤnder entſtellt; nein, mit einem Ge-ſichte, Das ſich mit maͤnnlichen Laͤcheln die Auferſtehung der Todten, GOttes Tag, und das Erwachen zum Bilde des Ewi- gen weiſſagt. Um ihn ſchlug kein weinender Greis ſein Vaterhertz; um ihn Jammerte keine verlaſſene Mutter; er ſtand ganz einſam Vor der Gottheit, und horchte, gehorſam ins Grab ſich zu legen. Allda blieb mit ſeinem Johannes der goͤttliche Mittler. Unterdeß gieng Satan, mit Dampf und Wolcken um- huͤllet, Durchs Thal Joſaphat, uͤber das todte Meer finſter hin- uͤber. Von da kam er zum wolkichten Carmel, vom Carmel gen Himmel. Hier durchirrt er mit grimmigem Blicke den goͤttlichen Weltbau, Daß er noch durch ſo viele Jahrhunderte, ſeit der Er- ſchaffung, Jn der erſten von GOtt ihm gegebnen Herrlichkeit glaͤnzte. Gleichwohl ahmt er ihm nach, und aͤnderte ſeine Geſtalten Durch aͤtheriſches Glaͤnzen, damit nicht die Morgen- ſterne Ueberall, wo er den irrenden Fuß ins Weltgebaͤu ſetzte, Ueber ſein finſtres Anſehn in ſtillem Triumphe ſich freu- ten. Doch D 5
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Zweyter Geſang.
Welches ſterbende Suͤnder entſtellt; nein, mit einem Ge-
ſichte,
Das ſich mit maͤnnlichen Laͤcheln die Auferſtehung der
Todten,
GOttes Tag, und das Erwachen zum Bilde des Ewi-
gen weiſſagt.
Um ihn ſchlug kein weinender Greis ſein Vaterhertz; um
ihn
Jammerte keine verlaſſene Mutter; er ſtand ganz einſam
Vor der Gottheit, und horchte, gehorſam ins Grab ſich
zu legen.
Allda blieb mit ſeinem Johannes der goͤttliche Mittler.
Unterdeß gieng Satan, mit Dampf und Wolcken um-
huͤllet,
Durchs Thal Joſaphat, uͤber das todte Meer finſter hin-
uͤber.
Von da kam er zum wolkichten Carmel, vom Carmel gen
Himmel.
Hier durchirrt er mit grimmigem Blicke den goͤttlichen
Weltbau,
Daß er noch durch ſo viele Jahrhunderte, ſeit der Er-
ſchaffung,
Jn der erſten von GOtt ihm gegebnen Herrlichkeit
glaͤnzte.
Gleichwohl ahmt er ihm nach, und aͤnderte ſeine Geſtalten
Durch aͤtheriſches Glaͤnzen, damit nicht die Morgen-
ſterne
Ueberall, wo er den irrenden Fuß ins Weltgebaͤu ſetzte,
Ueber ſein finſtres Anſehn in ſtillem Triumphe ſich freu-
ten.
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Zitationshilfe: | Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749/61>, abgerufen am 16.02.2025. |