IV. Das geistige Eigenthum. §. 12. Begriff und Sprachgebrauch.
Das geistige Eigenthum hat also mit dem Sacheigenthume nur den Namen gemein; und die übliche Bezeichnung des Ur- heberrechtes an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen ist offenbar aus einer unrichtigen Auffassung des Eigenthumsbe- griffes hervorgegangen, indem man glaubte, das aus der eigenen Hervorbringung des Autors fliessende Recht schlechthin als Ei- genthum bezeichnen zu dürfen, ohne die wesentliche Verschie- denheit des Objectes zu berücksichtigen.
Allein die Bezeichnung des Urheberrechtes als geistiges Eigenthum ist allgemein angenommen und ebenso alt, als die Anerkennung dieses Rechtes selbst.
Schon Luther bezeichnet in der Vermahnung an die Drucker, welche der zweiten Ausgabe seiner Auslegung der Episteln und Evangelien von Advent bis Ostern (Wittenberg 1525) angehängt ist, den Nachdruck als einen Diebstahl an fremdem Gute 1). Das Kursächsische Mandat vom 27. Februar 1686 2), welches zuerst den Nachdruck auch der nicht besonders priveligirten Ausgaben unter Strafe stellte, gebraucht die Worte: "Als be- fehlen wir -- sich des verbotenen Nachdruckens zum höchsten Schaden Derer, welche Bücher von den Autoribus redlicher Weise an sich gebracht auch wohl darüber Privilegia erlanget zu enthalten." Und diese Worte werden in dem Rescripte vom 4. Juli 1798 3) wie folgt erläutert: "Es erhellet dahero, dass zum Grunde dieses Verbots des Nachdrucks hauptsächlich die redliche Erwerbung des Eigenthums an einem Buche an- genommen und die Schärfe der Ahnung mittelst der Confisca- tion -- vornämlich auf den Eingriff in das Eigenthum eines Verlegers und nur nebenher auf die Verletzung eines erlangten Privilegii gesetzet worden."
Auch die Jurisprudenz des vorigen Jahrhunderts ging in den zahlreichen Versuchen, die Strafbarkeit des Nachdrucks unabhängig von positiven Verboten und Privilegien aus allge- meinen rechtlichen Gesichtspunkten zu begründen, von der Be- hauptung aus, dass dem Verfasser eines Buches oder dessen
1) Was sol doch das seyn, meyne lieben Druckerherren, das eyner dem andern so offentlich raubt und stillt das seyne und untereinander euch verderbt? Seit yhr nu strassenräuber und diebe worden?
2) Codex Augusteus. Leipzig 1724. Tom. I. p. 414.
3) Cod. Aug. Zweite Fortsetzung. Leipzig 1805. Th. I. p. 58.
IV. Das geistige Eigenthum. §. 12. Begriff und Sprachgebrauch.
Das geistige Eigenthum hat also mit dem Sacheigenthume nur den Namen gemein; und die übliche Bezeichnung des Ur- heberrechtes an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen ist offenbar aus einer unrichtigen Auffassung des Eigenthumsbe- griffes hervorgegangen, indem man glaubte, das aus der eigenen Hervorbringung des Autors fliessende Recht schlechthin als Ei- genthum bezeichnen zu dürfen, ohne die wesentliche Verschie- denheit des Objectes zu berücksichtigen.
Allein die Bezeichnung des Urheberrechtes als geistiges Eigenthum ist allgemein angenommen und ebenso alt, als die Anerkennung dieses Rechtes selbst.
Schon Luther bezeichnet in der Vermahnung an die Drucker, welche der zweiten Ausgabe seiner Auslegung der Episteln und Evangelien von Advent bis Ostern (Wittenberg 1525) angehängt ist, den Nachdruck als einen Diebstahl an fremdem Gute 1). Das Kursächsische Mandat vom 27. Februar 1686 2), welches zuerst den Nachdruck auch der nicht besonders priveligirten Ausgaben unter Strafe stellte, gebraucht die Worte: »Als be- fehlen wir — sich des verbotenen Nachdruckens zum höchsten Schaden Derer, welche Bücher von den Autoribus redlicher Weise an sich gebracht auch wohl darüber Privilegia erlanget zu enthalten.« Und diese Worte werden in dem Rescripte vom 4. Juli 1798 3) wie folgt erläutert: »Es erhellet dahero, dass zum Grunde dieses Verbots des Nachdrucks hauptsächlich die redliche Erwerbung des Eigenthums an einem Buche an- genommen und die Schärfe der Ahnung mittelst der Confisca- tion — vornämlich auf den Eingriff in das Eigenthum eines Verlegers und nur nebenher auf die Verletzung eines erlangten Privilegii gesetzet worden.«
Auch die Jurisprudenz des vorigen Jahrhunderts ging in den zahlreichen Versuchen, die Strafbarkeit des Nachdrucks unabhängig von positiven Verboten und Privilegien aus allge- meinen rechtlichen Gesichtspunkten zu begründen, von der Be- hauptung aus, dass dem Verfasser eines Buches oder dessen
1) Was sol doch das seyn, meyne lieben Druckerherren, das eyner dem andern so offentlich raubt und stillt das seyne und untereinander euch verderbt? Seit yhr nu strassenräuber und diebe worden?
2) Codex Augusteus. Leipzig 1724. Tom. I. p. 414.
3) Cod. Aug. Zweite Fortsetzung. Leipzig 1805. Th. I. p. 58.
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IV. Das geistige Eigenthum. §. 12. Begriff und Sprachgebrauch.
Das geistige Eigenthum hat also mit dem Sacheigenthume
nur den Namen gemein; und die übliche Bezeichnung des Ur-
heberrechtes an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen ist
offenbar aus einer unrichtigen Auffassung des Eigenthumsbe-
griffes hervorgegangen, indem man glaubte, das aus der eigenen
Hervorbringung des Autors fliessende Recht schlechthin als Ei-
genthum bezeichnen zu dürfen, ohne die wesentliche Verschie-
denheit des Objectes zu berücksichtigen.
Allein die Bezeichnung des Urheberrechtes als geistiges
Eigenthum ist allgemein angenommen und ebenso alt, als die
Anerkennung dieses Rechtes selbst.
Schon Luther bezeichnet in der Vermahnung an die Drucker,
welche der zweiten Ausgabe seiner Auslegung der Episteln und
Evangelien von Advent bis Ostern (Wittenberg 1525) angehängt
ist, den Nachdruck als einen Diebstahl an fremdem Gute 1).
Das Kursächsische Mandat vom 27. Februar 1686 2), welches
zuerst den Nachdruck auch der nicht besonders priveligirten
Ausgaben unter Strafe stellte, gebraucht die Worte: »Als be-
fehlen wir — sich des verbotenen Nachdruckens zum höchsten
Schaden Derer, welche Bücher von den Autoribus redlicher
Weise an sich gebracht auch wohl darüber Privilegia erlanget
zu enthalten.« Und diese Worte werden in dem Rescripte vom
4. Juli 1798 3) wie folgt erläutert: »Es erhellet dahero, dass
zum Grunde dieses Verbots des Nachdrucks hauptsächlich die
redliche Erwerbung des Eigenthums an einem Buche an-
genommen und die Schärfe der Ahnung mittelst der Confisca-
tion — vornämlich auf den Eingriff in das Eigenthum eines
Verlegers und nur nebenher auf die Verletzung eines erlangten
Privilegii gesetzet worden.«
Auch die Jurisprudenz des vorigen Jahrhunderts ging in
den zahlreichen Versuchen, die Strafbarkeit des Nachdrucks
unabhängig von positiven Verboten und Privilegien aus allge-
meinen rechtlichen Gesichtspunkten zu begründen, von der Be-
hauptung aus, dass dem Verfasser eines Buches oder dessen
1) Was sol doch das seyn, meyne lieben Druckerherren, das eyner
dem andern so offentlich raubt und stillt das seyne und untereinander
euch verderbt? Seit yhr nu strassenräuber und diebe worden?
2) Codex Augusteus. Leipzig 1724. Tom. I. p. 414.
3) Cod. Aug. Zweite Fortsetzung. Leipzig 1805. Th. I. p. 58.
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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/132>, abgerufen am 16.02.2025.
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