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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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Originalität.
des Herausgebers, da die Wiedergabe solcher im Munde des
Volkes lebender Geistesproducte ohne eine originale Form-
gebung nicht denkbar ist; sie sind es ferner nur, insoweit eine
solche originale Formgebung stattgefunden hat. Das Oberap-
pellationsgericht zu Dresden erklärt in dem Urtheile vom 21.
November 1861 1) in Anwendung dieses Grundsatzes die Grimm-
schen Haus- und Volksmährchen für einen gegen Nachdruck
geschützten Gegenstand, indem es zugleich das Recht der glei-
chen originalen Wiedergabe des im Volksmunde lebenden Mähr-
cheninhaltes jedem Dritten wahrt.

Sammlungen von Gedichten, Aufsätzen, Reden,
Sentenzen, Inschriften
u. dgl., deren einzelne Bestand-
theile Gemeingut sind, können nur insoweit als Gegenstände
eines geistigen Eigenthumes gelten, als dieselben nach einem
originalen, die einzelnen Stücke in gegenseitige Beziehung brin-
genden Plane geordnet sind. Es lässt sich bei Werken dieser
Art eine originale geistige Production nicht allgemein aus-
schliessen, dieselbe kann vielmehr in eminentem Grade vorhan-
den sein, z. B. bei Concordanzen, Evangelienharmonien, oder
wenn durch die Zusammenstellung ausgewählter Textstel-
len aus verschiedenen Geschichtschreibern eine fortlaufende
kritische Geschichtserzählung produzirt wird. Auch bei loser
aneinandergereihten Werken dieser Art kann in der Sammlung,
Auswahl und Anordnung des Stoffes ein bedeutendes Maass von
geistiger Arbeit verwendet sein. Die Untersuchung, ob eine
solche originale Production vorliegt, ist eine reine Thatfrage,
wie denn beispielsweise das Zeugniss geistiger Originalität Frei-
tags Bildern aus dem Leben des deutschen Volkes ebenso all-
gemein zuerkannt werden wird, als es den zahlreichen nur
buchhändlerisch redigirten Sammlungen der deutschen Klassiker
versagt werden müsste.

Kritische Textrecensionen sind nicht gegen Nach-
druck geschützt, weil sie nicht die Form des reproduzirten
Geisteserzeugnisses verändern, sondern dasselbe nur in seiner
ursprünglichen Form herstellen wollen. Dabei kommt nicht
in Betracht, dass die Herausgabe eines Codex palimpsestus, die
Vergleichung und Kritik zahlreicher in verschiedenen Biblio-
theken zerstreuter Manuscripte einen hohen Grad von Mühe

1) Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 1862 Nr. 116.

Originalität.
des Herausgebers, da die Wiedergabe solcher im Munde des
Volkes lebender Geistesproducte ohne eine originale Form-
gebung nicht denkbar ist; sie sind es ferner nur, insoweit eine
solche originale Formgebung stattgefunden hat. Das Oberap-
pellationsgericht zu Dresden erklärt in dem Urtheile vom 21.
November 1861 1) in Anwendung dieses Grundsatzes die Grimm-
schen Haus- und Volksmährchen für einen gegen Nachdruck
geschützten Gegenstand, indem es zugleich das Recht der glei-
chen originalen Wiedergabe des im Volksmunde lebenden Mähr-
cheninhaltes jedem Dritten wahrt.

Sammlungen von Gedichten, Aufsätzen, Reden,
Sentenzen, Inschriften
u. dgl., deren einzelne Bestand-
theile Gemeingut sind, können nur insoweit als Gegenstände
eines geistigen Eigenthumes gelten, als dieselben nach einem
originalen, die einzelnen Stücke in gegenseitige Beziehung brin-
genden Plane geordnet sind. Es lässt sich bei Werken dieser
Art eine originale geistige Production nicht allgemein aus-
schliessen, dieselbe kann vielmehr in eminentem Grade vorhan-
den sein, z. B. bei Concordanzen, Evangelienharmonien, oder
wenn durch die Zusammenstellung ausgewählter Textstel-
len aus verschiedenen Geschichtschreibern eine fortlaufende
kritische Geschichtserzählung produzirt wird. Auch bei loser
aneinandergereihten Werken dieser Art kann in der Sammlung,
Auswahl und Anordnung des Stoffes ein bedeutendes Maass von
geistiger Arbeit verwendet sein. Die Untersuchung, ob eine
solche originale Production vorliegt, ist eine reine Thatfrage,
wie denn beispielsweise das Zeugniss geistiger Originalität Frei-
tags Bildern aus dem Leben des deutschen Volkes ebenso all-
gemein zuerkannt werden wird, als es den zahlreichen nur
buchhändlerisch redigirten Sammlungen der deutschen Klassiker
versagt werden müsste.

Kritische Textrecensionen sind nicht gegen Nach-
druck geschützt, weil sie nicht die Form des reproduzirten
Geisteserzeugnisses verändern, sondern dasselbe nur in seiner
ursprünglichen Form herstellen wollen. Dabei kommt nicht
in Betracht, dass die Herausgabe eines Codex palimpsestus, die
Vergleichung und Kritik zahlreicher in verschiedenen Biblio-
theken zerstreuter Manuscripte einen hohen Grad von Mühe

1) Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 1862 Nr. 116.
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[135/0151] Originalität. des Herausgebers, da die Wiedergabe solcher im Munde des Volkes lebender Geistesproducte ohne eine originale Form- gebung nicht denkbar ist; sie sind es ferner nur, insoweit eine solche originale Formgebung stattgefunden hat. Das Oberap- pellationsgericht zu Dresden erklärt in dem Urtheile vom 21. November 1861 1) in Anwendung dieses Grundsatzes die Grimm- schen Haus- und Volksmährchen für einen gegen Nachdruck geschützten Gegenstand, indem es zugleich das Recht der glei- chen originalen Wiedergabe des im Volksmunde lebenden Mähr- cheninhaltes jedem Dritten wahrt. Sammlungen von Gedichten, Aufsätzen, Reden, Sentenzen, Inschriften u. dgl., deren einzelne Bestand- theile Gemeingut sind, können nur insoweit als Gegenstände eines geistigen Eigenthumes gelten, als dieselben nach einem originalen, die einzelnen Stücke in gegenseitige Beziehung brin- genden Plane geordnet sind. Es lässt sich bei Werken dieser Art eine originale geistige Production nicht allgemein aus- schliessen, dieselbe kann vielmehr in eminentem Grade vorhan- den sein, z. B. bei Concordanzen, Evangelienharmonien, oder wenn durch die Zusammenstellung ausgewählter Textstel- len aus verschiedenen Geschichtschreibern eine fortlaufende kritische Geschichtserzählung produzirt wird. Auch bei loser aneinandergereihten Werken dieser Art kann in der Sammlung, Auswahl und Anordnung des Stoffes ein bedeutendes Maass von geistiger Arbeit verwendet sein. Die Untersuchung, ob eine solche originale Production vorliegt, ist eine reine Thatfrage, wie denn beispielsweise das Zeugniss geistiger Originalität Frei- tags Bildern aus dem Leben des deutschen Volkes ebenso all- gemein zuerkannt werden wird, als es den zahlreichen nur buchhändlerisch redigirten Sammlungen der deutschen Klassiker versagt werden müsste. Kritische Textrecensionen sind nicht gegen Nach- druck geschützt, weil sie nicht die Form des reproduzirten Geisteserzeugnisses verändern, sondern dasselbe nur in seiner ursprünglichen Form herstellen wollen. Dabei kommt nicht in Betracht, dass die Herausgabe eines Codex palimpsestus, die Vergleichung und Kritik zahlreicher in verschiedenen Biblio- theken zerstreuter Manuscripte einen hohen Grad von Mühe 1) Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 1862 Nr. 116.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/151>, abgerufen am 24.11.2024.