"In der Sache selbst muss dem Vorurtheile entgegen getreten werden, als ob eine Geschäftsannonce bloss um deswillen, weil sie eine solche ist, von dem Begriffe einer "Schrift" im Sinne des §. 1 des Gesetzes vom 11. Juni 1857 und demgemäss auch von dem gesetzlichen Schutze gegen Nachdruck ausgeschlossen bleiben müsste. Es wird vielmehr immer auf die Beschaffenheit einer Geschäftsan- nonce im concreten Falle ankommen, um zu bestimmen, ob und wie weit eine solche auch ohne in den Buchhandel zu kommen und ohne eine vorzugsweise sogenannte schriftstellerische Tendenz zu verfolgen, doch auf den gesetzlichen Schutz gegen Nachdruck An- spruch machen kann."
"Im vorliegenden Falle kann man dagegen geltend machen, dass die schriftstellerische Form der von dem Denuncianten ausge- gangenen Geschäftsannonce im Vergleich mit der eigentlich erzielten materiellen Handhabung des Geschäftes etwas Nebensächliches, Zu- fälliges und Untergeordnetes sei. Auch sei der Zweck derselben nicht dahin gerichtet zu belehren, sondern Kunden für das Geschäft heranzuziehen. Und der Schaden, welchen Denunciant durch den angeblichen Nachdruck erlitten haben will, liege gar nicht in einer Verletzung des literarischen Eigenthumes, sondern in der Entziehung von Kunden für den Absatz der Dachfilze."
"Allein bei näherer Erwägung ergibt sich dieses Bedenken als hinfällig. Denn zunächst ist schon die Broschürenform der De- nunciantischen Geschäftsannonce kein gleichgültiger Umstand. Ge- rade diese im vorliegenden Falle auf 20 Druckseiten mit einer er- läuternden Zeichnung ausgedehnte Form, diese immerhin belehrende Ausführung gibt der Annonce einen schriftstellerischen Charakter. Das Heranziehen von Kunden wird vermittelst dieser Belehrung erstrebt. Auf welchem Wege aber und in welchem Um- fange demnächst der Verfasser einer solchen Beleh- rung den Vortheil von derselben ziehen will, ist ganz gleichgültig."
Der Richter erster Instanz ist diesem Gutachten beigetreten. In zweiter Instanz ist dagegen rechtskräftig angenommen, dass die Maass'sche Schrift kein gegen Nachdruck geschütztes Ob- ject, sondern eine Geschäftsempfehlung sei (a. a. O. S. 109).
Man wird indess unbedenklich dem Gutachten des Sach- verständigen-Vereines beitreten müssen. Eine Schrift, deren Originalität nicht in Frage gestellt ist, verliert diesen Charakter nicht dadurch, dass sie als Geschäftsempfehlung verwendet ist;
IV. Das geistige Eigenthum. §. 14. Erfordernisse.
»In der Sache selbst muss dem Vorurtheile entgegen getreten werden, als ob eine Geschäftsannonce bloss um deswillen, weil sie eine solche ist, von dem Begriffe einer »Schrift« im Sinne des §. 1 des Gesetzes vom 11. Juni 1857 und demgemäss auch von dem gesetzlichen Schutze gegen Nachdruck ausgeschlossen bleiben müsste. Es wird vielmehr immer auf die Beschaffenheit einer Geschäftsan- nonce im concreten Falle ankommen, um zu bestimmen, ob und wie weit eine solche auch ohne in den Buchhandel zu kommen und ohne eine vorzugsweise sogenannte schriftstellerische Tendenz zu verfolgen, doch auf den gesetzlichen Schutz gegen Nachdruck An- spruch machen kann.«
»Im vorliegenden Falle kann man dagegen geltend machen, dass die schriftstellerische Form der von dem Denuncianten ausge- gangenen Geschäftsannonce im Vergleich mit der eigentlich erzielten materiellen Handhabung des Geschäftes etwas Nebensächliches, Zu- fälliges und Untergeordnetes sei. Auch sei der Zweck derselben nicht dahin gerichtet zu belehren, sondern Kunden für das Geschäft heranzuziehen. Und der Schaden, welchen Denunciant durch den angeblichen Nachdruck erlitten haben will, liege gar nicht in einer Verletzung des literarischen Eigenthumes, sondern in der Entziehung von Kunden für den Absatz der Dachfilze.«
»Allein bei näherer Erwägung ergibt sich dieses Bedenken als hinfällig. Denn zunächst ist schon die Broschürenform der De- nunciantischen Geschäftsannonce kein gleichgültiger Umstand. Ge- rade diese im vorliegenden Falle auf 20 Druckseiten mit einer er- läuternden Zeichnung ausgedehnte Form, diese immerhin belehrende Ausführung gibt der Annonce einen schriftstellerischen Charakter. Das Heranziehen von Kunden wird vermittelst dieser Belehrung erstrebt. Auf welchem Wege aber und in welchem Um- fange demnächst der Verfasser einer solchen Beleh- rung den Vortheil von derselben ziehen will, ist ganz gleichgültig.«
Der Richter erster Instanz ist diesem Gutachten beigetreten. In zweiter Instanz ist dagegen rechtskräftig angenommen, dass die Maass’sche Schrift kein gegen Nachdruck geschütztes Ob- ject, sondern eine Geschäftsempfehlung sei (a. a. O. S. 109).
Man wird indess unbedenklich dem Gutachten des Sach- verständigen-Vereines beitreten müssen. Eine Schrift, deren Originalität nicht in Frage gestellt ist, verliert diesen Charakter nicht dadurch, dass sie als Geschäftsempfehlung verwendet ist;
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IV. Das geistige Eigenthum. §. 14. Erfordernisse.
»In der Sache selbst muss dem Vorurtheile entgegen getreten
werden, als ob eine Geschäftsannonce bloss um deswillen, weil
sie eine solche ist, von dem Begriffe einer »Schrift« im Sinne des
§. 1 des Gesetzes vom 11. Juni 1857 und demgemäss auch von dem
gesetzlichen Schutze gegen Nachdruck ausgeschlossen bleiben müsste.
Es wird vielmehr immer auf die Beschaffenheit einer Geschäftsan-
nonce im concreten Falle ankommen, um zu bestimmen, ob und
wie weit eine solche auch ohne in den Buchhandel zu kommen und
ohne eine vorzugsweise sogenannte schriftstellerische Tendenz zu
verfolgen, doch auf den gesetzlichen Schutz gegen Nachdruck An-
spruch machen kann.«
»Im vorliegenden Falle kann man dagegen geltend machen,
dass die schriftstellerische Form der von dem Denuncianten ausge-
gangenen Geschäftsannonce im Vergleich mit der eigentlich erzielten
materiellen Handhabung des Geschäftes etwas Nebensächliches, Zu-
fälliges und Untergeordnetes sei. Auch sei der Zweck derselben
nicht dahin gerichtet zu belehren, sondern Kunden für das Geschäft
heranzuziehen. Und der Schaden, welchen Denunciant durch den
angeblichen Nachdruck erlitten haben will, liege gar nicht in einer
Verletzung des literarischen Eigenthumes, sondern in der Entziehung
von Kunden für den Absatz der Dachfilze.«
»Allein bei näherer Erwägung ergibt sich dieses Bedenken als
hinfällig. Denn zunächst ist schon die Broschürenform der De-
nunciantischen Geschäftsannonce kein gleichgültiger Umstand. Ge-
rade diese im vorliegenden Falle auf 20 Druckseiten mit einer er-
läuternden Zeichnung ausgedehnte Form, diese immerhin belehrende
Ausführung gibt der Annonce einen schriftstellerischen Charakter.
Das Heranziehen von Kunden wird vermittelst dieser Belehrung
erstrebt. Auf welchem Wege aber und in welchem Um-
fange demnächst der Verfasser einer solchen Beleh-
rung den Vortheil von derselben ziehen will, ist ganz
gleichgültig.«
Der Richter erster Instanz ist diesem Gutachten beigetreten.
In zweiter Instanz ist dagegen rechtskräftig angenommen, dass
die Maass’sche Schrift kein gegen Nachdruck geschütztes Ob-
ject, sondern eine Geschäftsempfehlung sei (a. a. O. S. 109).
Man wird indess unbedenklich dem Gutachten des Sach-
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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/154>, abgerufen am 21.11.2024.
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