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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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V. Gegenstände §. 18. Kunstwerke.
oder ob es zur Mittheilung wissenschaftlicher oder technischer
Regeln bestimmt ist, wie z. B. eine anatomische Tafel oder ein
Modebild.

Zwischen den Bildwerken, die zum ästhetischen Genusse
bestimmt sind, besteht vom juristischen Standpunct ein weiterer
Unterschied nicht. Mag die Darstellung noch so mangelhaft
und die ästhetische Vorstellung noch so ungebildet sein, das
Bildwerk ist dennoch Gegenstand des artistischen Eigenthumes,
wenn seine Vervielfältigung ein vermögensrechtliches Interesse
gewährt. Es ist deshalb nicht zulässig, das Recht der aus-
schliesslichen Vervielfältigung davon abhängig zu machen, dass
das Bildwerk vermöge seines Kunstgehaltes geeignet sei, in
den artistischen Verkehr zu treten. Vielmehr genügt die That-
sache, dass dasselbe Gegenstand des Kunsthandels geworden
ist, in Verbindung mit dem Umstande, dass das Bildwerk den
ästhetischen Sinn zu befriedigen bestimmt ist, wobei es nicht darauf
ankommt, ob dasselbe nach künstlerischer Werthschätzung hierzu
geeignet ist oder nicht. Es wäre deshalb unrichtig, mit Jolly (Die
Lehre vom Nachdruck S. 129 ff. S. 131) diejenigen Gegenstände
auszuschliessen, "die nur dem völlig ungebildeten Sinne zur Kurz-
weil dienen können und sollen, oder nur eine Befriedigung der
Neugier gewähren, oder ihren Werth mehr der Mode als ihrer
innern künstlerischen Beschaffenheit verdanken" und also Bil-
derbücher, Bilderbogen, Lithographien von Phantasiestücken, "die
als Erzeugnisse der Laune, des Witzes, der Frivolität erscheinen,"
von dem Rechtsschutze auszuschliessen, wenn sie nach Anlage
und Ausführung nicht wenigstens annähernd auf die Eigenschaft
eines Kunstwerkes Anspruch machen können.

Vielmehr besteht zwischen Münchener und Neuruppiner
Bilderbogen ein juristisch-relevanter Unterschied ebensowenig
als zwischen der Abbildung des Siegers vom letzten Derby-
Rennen und einer Radirung der apokalyptischen Reiter.

Das zweite Requisit: Die künstlerische Formgebung, unter-
scheidet das Kunstwerk von der mechanischen Abformung eines
Naturgegenstandes, wie solche z. B. bei einer Todtenmaske
und vor allen in den photographischen Aufnahmen nach der
Natur vorliegt.

Die formgebende Thätigkeit des Künstlers ist zugleich das-
jenige Merkmal, welches die Grenzen des geistigen Eigenthumes
bei den reproduzirenden Künsten bestimmt. Unter

V. Gegenstände §. 18. Kunstwerke.
oder ob es zur Mittheilung wissenschaftlicher oder technischer
Regeln bestimmt ist, wie z. B. eine anatomische Tafel oder ein
Modebild.

Zwischen den Bildwerken, die zum ästhetischen Genusse
bestimmt sind, besteht vom juristischen Standpunct ein weiterer
Unterschied nicht. Mag die Darstellung noch so mangelhaft
und die ästhetische Vorstellung noch so ungebildet sein, das
Bildwerk ist dennoch Gegenstand des artistischen Eigenthumes,
wenn seine Vervielfältigung ein vermögensrechtliches Interesse
gewährt. Es ist deshalb nicht zulässig, das Recht der aus-
schliesslichen Vervielfältigung davon abhängig zu machen, dass
das Bildwerk vermöge seines Kunstgehaltes geeignet sei, in
den artistischen Verkehr zu treten. Vielmehr genügt die That-
sache, dass dasselbe Gegenstand des Kunsthandels geworden
ist, in Verbindung mit dem Umstande, dass das Bildwerk den
ästhetischen Sinn zu befriedigen bestimmt ist, wobei es nicht darauf
ankommt, ob dasselbe nach künstlerischer Werthschätzung hierzu
geeignet ist oder nicht. Es wäre deshalb unrichtig, mit Jolly (Die
Lehre vom Nachdruck S. 129 ff. S. 131) diejenigen Gegenstände
auszuschliessen, »die nur dem völlig ungebildeten Sinne zur Kurz-
weil dienen können und sollen, oder nur eine Befriedigung der
Neugier gewähren, oder ihren Werth mehr der Mode als ihrer
innern künstlerischen Beschaffenheit verdanken« und also Bil-
derbücher, Bilderbogen, Lithographien von Phantasiestücken, »die
als Erzeugnisse der Laune, des Witzes, der Frivolität erscheinen,«
von dem Rechtsschutze auszuschliessen, wenn sie nach Anlage
und Ausführung nicht wenigstens annähernd auf die Eigenschaft
eines Kunstwerkes Anspruch machen können.

Vielmehr besteht zwischen Münchener und Neuruppiner
Bilderbogen ein juristisch-relevanter Unterschied ebensowenig
als zwischen der Abbildung des Siegers vom letzten Derby-
Rennen und einer Radirung der apokalyptischen Reiter.

Das zweite Requisit: Die künstlerische Formgebung, unter-
scheidet das Kunstwerk von der mechanischen Abformung eines
Naturgegenstandes, wie solche z. B. bei einer Todtenmaske
und vor allen in den photographischen Aufnahmen nach der
Natur vorliegt.

Die formgebende Thätigkeit des Künstlers ist zugleich das-
jenige Merkmal, welches die Grenzen des geistigen Eigenthumes
bei den reproduzirenden Künsten bestimmt. Unter

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[178/0194] V. Gegenstände §. 18. Kunstwerke. oder ob es zur Mittheilung wissenschaftlicher oder technischer Regeln bestimmt ist, wie z. B. eine anatomische Tafel oder ein Modebild. Zwischen den Bildwerken, die zum ästhetischen Genusse bestimmt sind, besteht vom juristischen Standpunct ein weiterer Unterschied nicht. Mag die Darstellung noch so mangelhaft und die ästhetische Vorstellung noch so ungebildet sein, das Bildwerk ist dennoch Gegenstand des artistischen Eigenthumes, wenn seine Vervielfältigung ein vermögensrechtliches Interesse gewährt. Es ist deshalb nicht zulässig, das Recht der aus- schliesslichen Vervielfältigung davon abhängig zu machen, dass das Bildwerk vermöge seines Kunstgehaltes geeignet sei, in den artistischen Verkehr zu treten. Vielmehr genügt die That- sache, dass dasselbe Gegenstand des Kunsthandels geworden ist, in Verbindung mit dem Umstande, dass das Bildwerk den ästhetischen Sinn zu befriedigen bestimmt ist, wobei es nicht darauf ankommt, ob dasselbe nach künstlerischer Werthschätzung hierzu geeignet ist oder nicht. Es wäre deshalb unrichtig, mit Jolly (Die Lehre vom Nachdruck S. 129 ff. S. 131) diejenigen Gegenstände auszuschliessen, »die nur dem völlig ungebildeten Sinne zur Kurz- weil dienen können und sollen, oder nur eine Befriedigung der Neugier gewähren, oder ihren Werth mehr der Mode als ihrer innern künstlerischen Beschaffenheit verdanken« und also Bil- derbücher, Bilderbogen, Lithographien von Phantasiestücken, »die als Erzeugnisse der Laune, des Witzes, der Frivolität erscheinen,« von dem Rechtsschutze auszuschliessen, wenn sie nach Anlage und Ausführung nicht wenigstens annähernd auf die Eigenschaft eines Kunstwerkes Anspruch machen können. Vielmehr besteht zwischen Münchener und Neuruppiner Bilderbogen ein juristisch-relevanter Unterschied ebensowenig als zwischen der Abbildung des Siegers vom letzten Derby- Rennen und einer Radirung der apokalyptischen Reiter. Das zweite Requisit: Die künstlerische Formgebung, unter- scheidet das Kunstwerk von der mechanischen Abformung eines Naturgegenstandes, wie solche z. B. bei einer Todtenmaske und vor allen in den photographischen Aufnahmen nach der Natur vorliegt. Die formgebende Thätigkeit des Künstlers ist zugleich das- jenige Merkmal, welches die Grenzen des geistigen Eigenthumes bei den reproduzirenden Künsten bestimmt. Unter

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/194>, abgerufen am 21.11.2024.