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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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Pyloty und Löhle wider Payne.
Kunstverfahren als selbständige, des Rechtsschutzes gegen Nachbil-
dungen theilhaftige Kunstwerke zu betrachten seien, sei zu unter-
scheiden zwischen solchen Lithographien, welche selbständige künst-
lerische Erfindungen zur Anschauung bringen, und solchen, welche
nur eine bereits in einem andern Kunstwerke dargestellte fremde
Schöpfung wiedergeben. Erstere seien als Kunstwerke zu betrachten,
welchen der Rechtsschutz gegen Nachbildungen zukommt, letztere
seien dagegen nichts als Nachbildungen, die, so vollkommen sie
auch in dem Wiedergeben des Originals sein mögen, auf diesen
Rechtsschutz keinen Anspruch haben."


In einer gleichzeitigen und gleichartigen Entscheidung des
Oberappellationsgerichts zu Dresden 1) wird ferner ausgeführt:

"Ein Kunstwerk ist die Schöpfung einer freien Thätigkeit
eines gebildeten Geistes, besteht ganz abgesehen von der blossen
Kunstfertigkeit, durch die es den Sinnen vorgeführt wird und hängt
weder von der Art noch von der Vollkommenheit dieser letzteren
ab. So lässt sich namentlich eine bildliche Darstellung als ein
Kunstwerk denken, welche nur erst in einer Skizze entworfen wor-
den ist, während das in seiner Form vollendete Gemälde auf diesen
Namen keinen Anspruch haben kann, wenn der darin dargestellten
Idee die schöpferische Erfindung und Originalität abgeht."

Das Unhaltbare einer so auf die Spitze getriebenen Be-
griffsbestimmung ist von Wächter a. a. O. überzeugend nach-
gewiesen. Sie findet auch in den besonderen Bestimmungen
der Sächsischen Gesetzgebung keinen Anhalt.

Das Sächsische Gesetz vom 22. Februar 1844 bestimmt
im §. 1:

Das Recht, literarische Erzeugnisse und Werke der Kunst
auf mechanischem Wege zu vervielfältigen, steht ausschliess-
lich dem Urheber selbst und seinen Rechtsnachfolgern zu.

Es unterscheidet in keiner Hinsicht zwischen Kunstwerken,
welche selbständige künstlerische Erfindungen wiedergeben und
solchen, die Gegenstände der Natur oder fremde Kunstwerke
in selbständiger künstlerischer Form nachbilden. Es schützt
daher auch die Reproductionen gemeinfreier Kunstwerke in
selbständiger Kunstform gegen unbefugte Nachbildung, ebenso
wie dies in den übrigen Gesetzgebungen entweder ausdrücklich

1) Wächter a. a. O. S. 21.

Pyloty und Löhle wider Payne.
Kunstverfahren als selbständige, des Rechtsschutzes gegen Nachbil-
dungen theilhaftige Kunstwerke zu betrachten seien, sei zu unter-
scheiden zwischen solchen Lithographien, welche selbständige künst-
lerische Erfindungen zur Anschauung bringen, und solchen, welche
nur eine bereits in einem andern Kunstwerke dargestellte fremde
Schöpfung wiedergeben. Erstere seien als Kunstwerke zu betrachten,
welchen der Rechtsschutz gegen Nachbildungen zukommt, letztere
seien dagegen nichts als Nachbildungen, die, so vollkommen sie
auch in dem Wiedergeben des Originals sein mögen, auf diesen
Rechtsschutz keinen Anspruch haben.«


In einer gleichzeitigen und gleichartigen Entscheidung des
Oberappellationsgerichts zu Dresden 1) wird ferner ausgeführt:

»Ein Kunstwerk ist die Schöpfung einer freien Thätigkeit
eines gebildeten Geistes, besteht ganz abgesehen von der blossen
Kunstfertigkeit, durch die es den Sinnen vorgeführt wird und hängt
weder von der Art noch von der Vollkommenheit dieser letzteren
ab. So lässt sich namentlich eine bildliche Darstellung als ein
Kunstwerk denken, welche nur erst in einer Skizze entworfen wor-
den ist, während das in seiner Form vollendete Gemälde auf diesen
Namen keinen Anspruch haben kann, wenn der darin dargestellten
Idee die schöpferische Erfindung und Originalität abgeht.«

Das Unhaltbare einer so auf die Spitze getriebenen Be-
griffsbestimmung ist von Wächter a. a. O. überzeugend nach-
gewiesen. Sie findet auch in den besonderen Bestimmungen
der Sächsischen Gesetzgebung keinen Anhalt.

Das Sächsische Gesetz vom 22. Februar 1844 bestimmt
im §. 1:

Das Recht, literarische Erzeugnisse und Werke der Kunst
auf mechanischem Wege zu vervielfältigen, steht ausschliess-
lich dem Urheber selbst und seinen Rechtsnachfolgern zu.

Es unterscheidet in keiner Hinsicht zwischen Kunstwerken,
welche selbständige künstlerische Erfindungen wiedergeben und
solchen, die Gegenstände der Natur oder fremde Kunstwerke
in selbständiger künstlerischer Form nachbilden. Es schützt
daher auch die Reproductionen gemeinfreier Kunstwerke in
selbständiger Kunstform gegen unbefugte Nachbildung, ebenso
wie dies in den übrigen Gesetzgebungen entweder ausdrücklich

1) Wächter a. a. O. S. 21.
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[183/0199] Pyloty und Löhle wider Payne. Kunstverfahren als selbständige, des Rechtsschutzes gegen Nachbil- dungen theilhaftige Kunstwerke zu betrachten seien, sei zu unter- scheiden zwischen solchen Lithographien, welche selbständige künst- lerische Erfindungen zur Anschauung bringen, und solchen, welche nur eine bereits in einem andern Kunstwerke dargestellte fremde Schöpfung wiedergeben. Erstere seien als Kunstwerke zu betrachten, welchen der Rechtsschutz gegen Nachbildungen zukommt, letztere seien dagegen nichts als Nachbildungen, die, so vollkommen sie auch in dem Wiedergeben des Originals sein mögen, auf diesen Rechtsschutz keinen Anspruch haben.« In einer gleichzeitigen und gleichartigen Entscheidung des Oberappellationsgerichts zu Dresden 1) wird ferner ausgeführt: »Ein Kunstwerk ist die Schöpfung einer freien Thätigkeit eines gebildeten Geistes, besteht ganz abgesehen von der blossen Kunstfertigkeit, durch die es den Sinnen vorgeführt wird und hängt weder von der Art noch von der Vollkommenheit dieser letzteren ab. So lässt sich namentlich eine bildliche Darstellung als ein Kunstwerk denken, welche nur erst in einer Skizze entworfen wor- den ist, während das in seiner Form vollendete Gemälde auf diesen Namen keinen Anspruch haben kann, wenn der darin dargestellten Idee die schöpferische Erfindung und Originalität abgeht.« Das Unhaltbare einer so auf die Spitze getriebenen Be- griffsbestimmung ist von Wächter a. a. O. überzeugend nach- gewiesen. Sie findet auch in den besonderen Bestimmungen der Sächsischen Gesetzgebung keinen Anhalt. Das Sächsische Gesetz vom 22. Februar 1844 bestimmt im §. 1: Das Recht, literarische Erzeugnisse und Werke der Kunst auf mechanischem Wege zu vervielfältigen, steht ausschliess- lich dem Urheber selbst und seinen Rechtsnachfolgern zu. Es unterscheidet in keiner Hinsicht zwischen Kunstwerken, welche selbständige künstlerische Erfindungen wiedergeben und solchen, die Gegenstände der Natur oder fremde Kunstwerke in selbständiger künstlerischer Form nachbilden. Es schützt daher auch die Reproductionen gemeinfreier Kunstwerke in selbständiger Kunstform gegen unbefugte Nachbildung, ebenso wie dies in den übrigen Gesetzgebungen entweder ausdrücklich 1) Wächter a. a. O. S. 21.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/199>, abgerufen am 21.11.2024.