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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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VI. Entstehung und Endigung. §. 24. Ort des Erscheinens.
Gesetzen ihres Landes kein Urheberrecht erworben haben, oder
dasselbe nach den Gesetzen ihres Landes bereits wieder ver-
loren haben, ein solches Recht für den andern Staat beilegte.

Hiernach muss auch in den Art. I des Preussisch-Engli-
schen Vertrages die stillschweigende Voraussetzung hereinge-
tragen werden, dass die Autoren am Orte der Veröffentlichung
ihres Werkes geistiges Eigenthum erworben haben; und die Ge-
setze des andern Staates kommen mithin in Bezug auf die
Entstehung und die Dauer des geistigen Eigenthumes nur in-
sofern in Betracht, als dieses Recht für die ausländischen Pro-
ducte nicht in weiterem Umfange und nicht für längere Dauer
in Anspruch genommen werden kann, als für die Werke des
eigenen Landes.

Ein und dasselbe Werk kann in mehreren Rechtsgebieten
erscheinen, d. h. in jedem besonders veröffentlicht werden. Es
ist daher der Fall der Publication an verschiedenen Erscheinungs-
orten in Betracht zu ziehen. Diese mehrfache Veröffent-
lichung
ist entweder eine gleichzeitige, oder sie erfolgt zu ver-
schiedenen Zeiten. Im letzteren Falle ist der Ort der ersten
Veröffentlichung allein massgebend für die Entstehung und die
Dauer des geistigen Eigenthumes. Daher kann ein zuerst im
Auslande veröffentlichtes Werk nicht nachträglich im Inlande
mit der Wirkung veröffentlicht werden, dass dadurch ein Recht
der ausschliesslichen Vervielfältigung erworben würde. Vielmehr
ist durch die Veröffentlichung im Auslande1) das geistige Ei-
genthum an dem Werke, auch wenn ein solches nach den Ge-
setzen des Inlandes vorher bestanden hat, vollständig und für
immer zu Grunde gegangen und Jeder ist berechtigt, das zu-
erst im Auslande erschienene Werk als ein gemeinfreies auch
ohne Genehmigung des Urhebers nachzudrucken2).

1) Vergl. oben S. 248 Note 1.
2) Dieser Grundsatz ist von der Praxis der Gerichte in zahlrei-
chen Anwendungen anerkannt worden.
Der Belgische auch in Leipzig domicilirte Buchhändler Meline
hatte mit Thiers einen Vertrag abgeschlossen, durch welchen er das
Verlagsrecht der Geschichte des Consulates und des Kaiserreiches für
Deutschland ankaufte. Er lies dieses Werk dann im Jahre 1845, also
vor Abschluss der Literarconventionen zwischen Frankreich und den
Deutschen Staaten in Leipzig drucken und erhob gegen die Verbrei-
tung belgischer Nachdrücke desselben Werkes bei dem Preussischen

VI. Entstehung und Endigung. §. 24. Ort des Erscheinens.
Gesetzen ihres Landes kein Urheberrecht erworben haben, oder
dasselbe nach den Gesetzen ihres Landes bereits wieder ver-
loren haben, ein solches Recht für den andern Staat beilegte.

Hiernach muss auch in den Art. I des Preussisch-Engli-
schen Vertrages die stillschweigende Voraussetzung hereinge-
tragen werden, dass die Autoren am Orte der Veröffentlichung
ihres Werkes geistiges Eigenthum erworben haben; und die Ge-
setze des andern Staates kommen mithin in Bezug auf die
Entstehung und die Dauer des geistigen Eigenthumes nur in-
sofern in Betracht, als dieses Recht für die ausländischen Pro-
ducte nicht in weiterem Umfange und nicht für längere Dauer
in Anspruch genommen werden kann, als für die Werke des
eigenen Landes.

Ein und dasselbe Werk kann in mehreren Rechtsgebieten
erscheinen, d. h. in jedem besonders veröffentlicht werden. Es
ist daher der Fall der Publication an verschiedenen Erscheinungs-
orten in Betracht zu ziehen. Diese mehrfache Veröffent-
lichung
ist entweder eine gleichzeitige, oder sie erfolgt zu ver-
schiedenen Zeiten. Im letzteren Falle ist der Ort der ersten
Veröffentlichung allein massgebend für die Entstehung und die
Dauer des geistigen Eigenthumes. Daher kann ein zuerst im
Auslande veröffentlichtes Werk nicht nachträglich im Inlande
mit der Wirkung veröffentlicht werden, dass dadurch ein Recht
der ausschliesslichen Vervielfältigung erworben würde. Vielmehr
ist durch die Veröffentlichung im Auslande1) das geistige Ei-
genthum an dem Werke, auch wenn ein solches nach den Ge-
setzen des Inlandes vorher bestanden hat, vollständig und für
immer zu Grunde gegangen und Jeder ist berechtigt, das zu-
erst im Auslande erschienene Werk als ein gemeinfreies auch
ohne Genehmigung des Urhebers nachzudrucken2).

1) Vergl. oben S. 248 Note 1.
2) Dieser Grundsatz ist von der Praxis der Gerichte in zahlrei-
chen Anwendungen anerkannt worden.
Der Belgische auch in Leipzig domicilirte Buchhändler Meline
hatte mit Thiers einen Vertrag abgeschlossen, durch welchen er das
Verlagsrecht der Geschichte des Consulates und des Kaiserreiches für
Deutschland ankaufte. Er lies dieses Werk dann im Jahre 1845, also
vor Abschluss der Literarconventionen zwischen Frankreich und den
Deutschen Staaten in Leipzig drucken und erhob gegen die Verbrei-
tung belgischer Nachdrücke desselben Werkes bei dem Preussischen
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[258/0274] VI. Entstehung und Endigung. §. 24. Ort des Erscheinens. Gesetzen ihres Landes kein Urheberrecht erworben haben, oder dasselbe nach den Gesetzen ihres Landes bereits wieder ver- loren haben, ein solches Recht für den andern Staat beilegte. Hiernach muss auch in den Art. I des Preussisch-Engli- schen Vertrages die stillschweigende Voraussetzung hereinge- tragen werden, dass die Autoren am Orte der Veröffentlichung ihres Werkes geistiges Eigenthum erworben haben; und die Ge- setze des andern Staates kommen mithin in Bezug auf die Entstehung und die Dauer des geistigen Eigenthumes nur in- sofern in Betracht, als dieses Recht für die ausländischen Pro- ducte nicht in weiterem Umfange und nicht für längere Dauer in Anspruch genommen werden kann, als für die Werke des eigenen Landes. Ein und dasselbe Werk kann in mehreren Rechtsgebieten erscheinen, d. h. in jedem besonders veröffentlicht werden. Es ist daher der Fall der Publication an verschiedenen Erscheinungs- orten in Betracht zu ziehen. Diese mehrfache Veröffent- lichung ist entweder eine gleichzeitige, oder sie erfolgt zu ver- schiedenen Zeiten. Im letzteren Falle ist der Ort der ersten Veröffentlichung allein massgebend für die Entstehung und die Dauer des geistigen Eigenthumes. Daher kann ein zuerst im Auslande veröffentlichtes Werk nicht nachträglich im Inlande mit der Wirkung veröffentlicht werden, dass dadurch ein Recht der ausschliesslichen Vervielfältigung erworben würde. Vielmehr ist durch die Veröffentlichung im Auslande 1) das geistige Ei- genthum an dem Werke, auch wenn ein solches nach den Ge- setzen des Inlandes vorher bestanden hat, vollständig und für immer zu Grunde gegangen und Jeder ist berechtigt, das zu- erst im Auslande erschienene Werk als ein gemeinfreies auch ohne Genehmigung des Urhebers nachzudrucken 2). 1) Vergl. oben S. 248 Note 1. 2) Dieser Grundsatz ist von der Praxis der Gerichte in zahlrei- chen Anwendungen anerkannt worden. Der Belgische auch in Leipzig domicilirte Buchhändler Meline hatte mit Thiers einen Vertrag abgeschlossen, durch welchen er das Verlagsrecht der Geschichte des Consulates und des Kaiserreiches für Deutschland ankaufte. Er lies dieses Werk dann im Jahre 1845, also vor Abschluss der Literarconventionen zwischen Frankreich und den Deutschen Staaten in Leipzig drucken und erhob gegen die Verbrei- tung belgischer Nachdrücke desselben Werkes bei dem Preussischen

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/274>, abgerufen am 21.11.2024.