arbeitet, als für irdischen Sold, die ganz fehlerhafte Folgerung gezogen, dass es ihm nicht anstehe, für den Gebrauch dieser Arbeit einen materiellen Lohn anzunehmen.
Wenn daher Erasmus dem Ulrich v. Hutten zum Vorwurf macht1) und sich selbst gegen den Vorwurf vertheidigt,2) dass er ein Honorar von seinem Verleger beziehe, so lag darin nur eine unrichtige Anwendung des richtigen Grundsatzes, dass ihm seine schriftstellerische Thätigkeit nicht feil sei. Wenn aber die Schriftsteller jener Epoche kein Bedenken trugen, von Geschenken und Pensionen der Grossen, statt von dem buch- händlerischen Ertrage ihrer Werke zu leben, so verfehlten sie thatsächlich gegen eben diesen Grundsatz, indem sie sich in Bezug auf den Inhalt ihrer Schriften von starken Einflüssen abhängig machten, während sie es verschmähten, sich für den Ge- brauch derselben bezahlen zu lassen. Die unabhängige Musse, deren der Schriftsteller bedarf, kann ihm in keiner würdigeren und sicherern Weise gewährleistet werden, als durch den Preis, welchen das Publikum für die Verbreitung seiner Schriften be- zahlt. Da nämlich dieser Preis nicht unter der Bedingung einer nachfolgenden Leistung, sondern für den Mitgenuss einer freien und unabhängigen Production des Schriftstellers gezahlt wird, so schliesst er das mit anderm Solde häufig verknüpfte Ver- hältniss der Abhängigkeit aus und trägt sogar einen besonders ehrenvollen Character. Denn nicht der Schriftsteller macht sich von dem Leser abhängig, sondern eher der Leser vom Schriftsteller, dessen Gedankengange er für die Zeit der Lec- türe sich zu folgen bequemt. Es hat deshalb auch zu des Erasmus Zeiten für ehrenvoll gegolten, viele Leser zu haben und wenn es nicht für ehrenhaft galt, sich dafür bezahlen zu lassen, so lag dies wohl eben daran, dass damals kein Rechts- schutz für das geistige Eigenthum, kein Verlagsrecht bestand. Der Verleger, gegen den jeder Nachdruck gestattet war, konnte dem Verfasser nicht einen Preis für sein Eigenthumsrecht zah- len, das ja nicht wirksam übertragen werden konnte. Es konnte höchstens ein Sold für schriftstellerische Thätigkeit im Dienste des Verlegers gezahlt werden, und auch dieser Lohn konnte
1) Erasmi Spongia etc. in Hutteni opp. ed. Münch IV. 486.
2) Des. Erasmi Epist. omnes Lugd. Bat. 1706 Nr. DCCXIX p. 841. Nr. DCCXXV p. 845.
Bezahlung des Gebrauches.
arbeitet, als für irdischen Sold, die ganz fehlerhafte Folgerung gezogen, dass es ihm nicht anstehe, für den Gebrauch dieser Arbeit einen materiellen Lohn anzunehmen.
Wenn daher Erasmus dem Ulrich v. Hutten zum Vorwurf macht1) und sich selbst gegen den Vorwurf vertheidigt,2) dass er ein Honorar von seinem Verleger beziehe, so lag darin nur eine unrichtige Anwendung des richtigen Grundsatzes, dass ihm seine schriftstellerische Thätigkeit nicht feil sei. Wenn aber die Schriftsteller jener Epoche kein Bedenken trugen, von Geschenken und Pensionen der Grossen, statt von dem buch- händlerischen Ertrage ihrer Werke zu leben, so verfehlten sie thatsächlich gegen eben diesen Grundsatz, indem sie sich in Bezug auf den Inhalt ihrer Schriften von starken Einflüssen abhängig machten, während sie es verschmähten, sich für den Ge- brauch derselben bezahlen zu lassen. Die unabhängige Musse, deren der Schriftsteller bedarf, kann ihm in keiner würdigeren und sicherern Weise gewährleistet werden, als durch den Preis, welchen das Publikum für die Verbreitung seiner Schriften be- zahlt. Da nämlich dieser Preis nicht unter der Bedingung einer nachfolgenden Leistung, sondern für den Mitgenuss einer freien und unabhängigen Production des Schriftstellers gezahlt wird, so schliesst er das mit anderm Solde häufig verknüpfte Ver- hältniss der Abhängigkeit aus und trägt sogar einen besonders ehrenvollen Character. Denn nicht der Schriftsteller macht sich von dem Leser abhängig, sondern eher der Leser vom Schriftsteller, dessen Gedankengange er für die Zeit der Lec- türe sich zu folgen bequemt. Es hat deshalb auch zu des Erasmus Zeiten für ehrenvoll gegolten, viele Leser zu haben und wenn es nicht für ehrenhaft galt, sich dafür bezahlen zu lassen, so lag dies wohl eben daran, dass damals kein Rechts- schutz für das geistige Eigenthum, kein Verlagsrecht bestand. Der Verleger, gegen den jeder Nachdruck gestattet war, konnte dem Verfasser nicht einen Preis für sein Eigenthumsrecht zah- len, das ja nicht wirksam übertragen werden konnte. Es konnte höchstens ein Sold für schriftstellerische Thätigkeit im Dienste des Verlegers gezahlt werden, und auch dieser Lohn konnte
1) Erasmi Spongia etc. in Hutteni opp. ed. Münch IV. 486.
2) Des. Erasmi Epist. omnes Lugd. Bat. 1706 Nr. DCCXIX p. 841. Nr. DCCXXV p. 845.
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[15/0031]
Bezahlung des Gebrauches.
arbeitet, als für irdischen Sold, die ganz fehlerhafte Folgerung
gezogen, dass es ihm nicht anstehe, für den Gebrauch dieser
Arbeit einen materiellen Lohn anzunehmen.
Wenn daher Erasmus dem Ulrich v. Hutten zum Vorwurf
macht 1) und sich selbst gegen den Vorwurf vertheidigt, 2)
dass er ein Honorar von seinem Verleger beziehe, so lag darin
nur eine unrichtige Anwendung des richtigen Grundsatzes,
dass ihm seine schriftstellerische Thätigkeit nicht feil sei. Wenn
aber die Schriftsteller jener Epoche kein Bedenken trugen, von
Geschenken und Pensionen der Grossen, statt von dem buch-
händlerischen Ertrage ihrer Werke zu leben, so verfehlten sie
thatsächlich gegen eben diesen Grundsatz, indem sie sich in
Bezug auf den Inhalt ihrer Schriften von starken Einflüssen
abhängig machten, während sie es verschmähten, sich für den Ge-
brauch derselben bezahlen zu lassen. Die unabhängige Musse,
deren der Schriftsteller bedarf, kann ihm in keiner würdigeren
und sicherern Weise gewährleistet werden, als durch den Preis,
welchen das Publikum für die Verbreitung seiner Schriften be-
zahlt. Da nämlich dieser Preis nicht unter der Bedingung einer
nachfolgenden Leistung, sondern für den Mitgenuss einer freien
und unabhängigen Production des Schriftstellers gezahlt wird,
so schliesst er das mit anderm Solde häufig verknüpfte Ver-
hältniss der Abhängigkeit aus und trägt sogar einen besonders
ehrenvollen Character. Denn nicht der Schriftsteller macht
sich von dem Leser abhängig, sondern eher der Leser vom
Schriftsteller, dessen Gedankengange er für die Zeit der Lec-
türe sich zu folgen bequemt. Es hat deshalb auch zu des
Erasmus Zeiten für ehrenvoll gegolten, viele Leser zu haben
und wenn es nicht für ehrenhaft galt, sich dafür bezahlen zu
lassen, so lag dies wohl eben daran, dass damals kein Rechts-
schutz für das geistige Eigenthum, kein Verlagsrecht bestand.
Der Verleger, gegen den jeder Nachdruck gestattet war, konnte
dem Verfasser nicht einen Preis für sein Eigenthumsrecht zah-
len, das ja nicht wirksam übertragen werden konnte. Es konnte
höchstens ein Sold für schriftstellerische Thätigkeit im Dienste
des Verlegers gezahlt werden, und auch dieser Lohn konnte
1) Erasmi Spongia etc. in Hutteni opp. ed. Münch IV. 486.
2) Des. Erasmi Epist. omnes Lugd. Bat. 1706 Nr. DCCXIX p. 841.
Nr. DCCXXV p. 845.
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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/31>, abgerufen am 03.12.2024.
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