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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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Sammlungen und Chrestomathien.

Bei der Veröffentlichung von Bruchstücken eines fremden
Werkes ohne eigene Zuthat ist der Thatbestand des partiellen
Nachdruckes ebenfalls vollständig gegeben, sobald das Bruch-
stück als besondere Schrift herausgegeben wird. Erscheint das
Bruchstück als Theil einer Zeitschrift oder eines Sammlungs-
werkes, wie z. B. die häufigen Compilationen deutscher Klas-
siker, so muss der Thatbestand des partiellen Nachdruckes eben-
falls angenommen werden, wenn nicht ein selbständiger Zweck
der Publication vorliegt, welcher die Annahme einer Beein-
trächtigung der vermögensrechtlichen Nutzung aus dem Origi-
nale ausschliesst 1).

Werden Theile von fremden Schriften in Verarbeitung mit
eigener geistiger Production des Herausgebers wiedergegeben,
so hängt der Thatbestand des partiellen Nachdrucks theils von
dem Umfange des entlehnten Stoffes, theils von dem Verhält-
nisse desselben zu der originalen Production des Herausgebers,
theils endlich von dem Zwecke der Publication ab. Es muss
also mit Rücksicht auf alle drei Momente beurtheilt werden,
ob im gegebenen Falle eine widerrechtliche Beeinträchtigung
der vermögensrechtlichen Nutzung aus dem benutzten Werke

Heydemann und Dambach, Die Preussische Nachdruckgesetzgebung
S. 378 mitgetheilten Rechtsfall:
Der Apotheker Steffen gab im Jahre 1842 "die Toilettenseifen-Fa-
brication auf kaltem Wege" (48 Seiten) im eigenen Verlage heraus.
Der Redacteur des Berliner Gewerbe-, Industrie und Handelsblattes
druckte demnächst die §§. 11--19 dieses Werkchens (S. 21--35) im
fünften Bande in den Nummern 1--5 dieses Blattes mit einer kurzen
empfehlenden Hinweisung auf das ausgezogene Werk wörtlich ab. Der
Literarische Sachverständigenverein verwarf in seinem Gutachten vom
27. Dezember 1843 sowohl die Annahme, dass nur eine wörtliche An-
führung einzelner Stellen eines fremden Werkes (§. 4 Nr. 1 des Gesetzes
v. 11. Juni 1837) vorliege, als auch die Annahme einer zum Zwecke
der Empfehlung erfolgten Excerption und nahm den Thatbestand des
partiellen Nachdruckes als erwiesen an.
1) Literarconvention zwischen Preussen und Frankreich vom 2.
August 1862 Art. II. "Es soll gegenseitig erlaubt sein, in jedem der
beiden Länder Auszüge aus Werken oder ganze Stücke von Werken,
welche zum ersten Male in dem andern Lande erschienen sind, zu ver-
öffentlichen, vorausgesetzt, dass diese Veröffentlichungen ausdrücklich
für den Schulgebrauch oder Unterricht bestimmt und eingerichtet und
in der Landessprache mit erläuternden Anmerkungen oder mit Ueber-
setzungen zwischen den Zeilen und am Rande versehen sind."
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Sammlungen und Chrestomathien.

Bei der Veröffentlichung von Bruchstücken eines fremden
Werkes ohne eigene Zuthat ist der Thatbestand des partiellen
Nachdruckes ebenfalls vollständig gegeben, sobald das Bruch-
stück als besondere Schrift herausgegeben wird. Erscheint das
Bruchstück als Theil einer Zeitschrift oder eines Sammlungs-
werkes, wie z. B. die häufigen Compilationen deutscher Klas-
siker, so muss der Thatbestand des partiellen Nachdruckes eben-
falls angenommen werden, wenn nicht ein selbständiger Zweck
der Publication vorliegt, welcher die Annahme einer Beein-
trächtigung der vermögensrechtlichen Nutzung aus dem Origi-
nale ausschliesst 1).

Werden Theile von fremden Schriften in Verarbeitung mit
eigener geistiger Production des Herausgebers wiedergegeben,
so hängt der Thatbestand des partiellen Nachdrucks theils von
dem Umfange des entlehnten Stoffes, theils von dem Verhält-
nisse desselben zu der originalen Production des Herausgebers,
theils endlich von dem Zwecke der Publication ab. Es muss
also mit Rücksicht auf alle drei Momente beurtheilt werden,
ob im gegebenen Falle eine widerrechtliche Beeinträchtigung
der vermögensrechtlichen Nutzung aus dem benutzten Werke

Heydemann und Dambach, Die Preussische Nachdruckgesetzgebung
S. 378 mitgetheilten Rechtsfall:
Der Apotheker Steffen gab im Jahre 1842 »die Toilettenseifen-Fa-
brication auf kaltem Wege« (48 Seiten) im eigenen Verlage heraus.
Der Redacteur des Berliner Gewerbe-, Industrie und Handelsblattes
druckte demnächst die §§. 11—19 dieses Werkchens (S. 21—35) im
fünften Bande in den Nummern 1—5 dieses Blattes mit einer kurzen
empfehlenden Hinweisung auf das ausgezogene Werk wörtlich ab. Der
Literarische Sachverständigenverein verwarf in seinem Gutachten vom
27. Dezember 1843 sowohl die Annahme, dass nur eine wörtliche An-
führung einzelner Stellen eines fremden Werkes (§. 4 Nr. 1 des Gesetzes
v. 11. Juni 1837) vorliege, als auch die Annahme einer zum Zwecke
der Empfehlung erfolgten Excerption und nahm den Thatbestand des
partiellen Nachdruckes als erwiesen an.
1) Literarconvention zwischen Preussen und Frankreich vom 2.
August 1862 Art. II. »Es soll gegenseitig erlaubt sein, in jedem der
beiden Länder Auszüge aus Werken oder ganze Stücke von Werken,
welche zum ersten Male in dem andern Lande erschienen sind, zu ver-
öffentlichen, vorausgesetzt, dass diese Veröffentlichungen ausdrücklich
für den Schulgebrauch oder Unterricht bestimmt und eingerichtet und
in der Landessprache mit erläuternden Anmerkungen oder mit Ueber-
setzungen zwischen den Zeilen und am Rande versehen sind.«
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[385/0401] Sammlungen und Chrestomathien. Bei der Veröffentlichung von Bruchstücken eines fremden Werkes ohne eigene Zuthat ist der Thatbestand des partiellen Nachdruckes ebenfalls vollständig gegeben, sobald das Bruch- stück als besondere Schrift herausgegeben wird. Erscheint das Bruchstück als Theil einer Zeitschrift oder eines Sammlungs- werkes, wie z. B. die häufigen Compilationen deutscher Klas- siker, so muss der Thatbestand des partiellen Nachdruckes eben- falls angenommen werden, wenn nicht ein selbständiger Zweck der Publication vorliegt, welcher die Annahme einer Beein- trächtigung der vermögensrechtlichen Nutzung aus dem Origi- nale ausschliesst 1). Werden Theile von fremden Schriften in Verarbeitung mit eigener geistiger Production des Herausgebers wiedergegeben, so hängt der Thatbestand des partiellen Nachdrucks theils von dem Umfange des entlehnten Stoffes, theils von dem Verhält- nisse desselben zu der originalen Production des Herausgebers, theils endlich von dem Zwecke der Publication ab. Es muss also mit Rücksicht auf alle drei Momente beurtheilt werden, ob im gegebenen Falle eine widerrechtliche Beeinträchtigung der vermögensrechtlichen Nutzung aus dem benutzten Werke 2) 1) Literarconvention zwischen Preussen und Frankreich vom 2. August 1862 Art. II. »Es soll gegenseitig erlaubt sein, in jedem der beiden Länder Auszüge aus Werken oder ganze Stücke von Werken, welche zum ersten Male in dem andern Lande erschienen sind, zu ver- öffentlichen, vorausgesetzt, dass diese Veröffentlichungen ausdrücklich für den Schulgebrauch oder Unterricht bestimmt und eingerichtet und in der Landessprache mit erläuternden Anmerkungen oder mit Ueber- setzungen zwischen den Zeilen und am Rande versehen sind.« 2) Heydemann und Dambach, Die Preussische Nachdruckgesetzgebung S. 378 mitgetheilten Rechtsfall: Der Apotheker Steffen gab im Jahre 1842 »die Toilettenseifen-Fa- brication auf kaltem Wege« (48 Seiten) im eigenen Verlage heraus. Der Redacteur des Berliner Gewerbe-, Industrie und Handelsblattes druckte demnächst die §§. 11—19 dieses Werkchens (S. 21—35) im fünften Bande in den Nummern 1—5 dieses Blattes mit einer kurzen empfehlenden Hinweisung auf das ausgezogene Werk wörtlich ab. Der Literarische Sachverständigenverein verwarf in seinem Gutachten vom 27. Dezember 1843 sowohl die Annahme, dass nur eine wörtliche An- führung einzelner Stellen eines fremden Werkes (§. 4 Nr. 1 des Gesetzes v. 11. Juni 1837) vorliege, als auch die Annahme einer zum Zwecke der Empfehlung erfolgten Excerption und nahm den Thatbestand des partiellen Nachdruckes als erwiesen an. 25

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/401>, abgerufen am 22.11.2024.