II. Geschichte des geistigen Eigenthumes. §. 6. Aeltere Zeit.
macht dieselbe Anwendung, indem es dem Schriftsteller und Künstler gestattet, die nachgedruckten Exemplare seines Wer- kes auch gegen den dritten Besitzer zu vindiziren (vergl. un- ten §. 36). Das römische Recht kam nicht über die Linie einer immerhin interessanten wissenschaftlichen Controverse hinaus.
Noch viel weniger war von einer practischen Anerkennung des geistigen Eigenthumes an den Erfindungen in jenem Zeit- alter die Rede. Die ganze Industrie des klassischen Alterthums blieb den Sclaven und den Freigelassenen überlassen, während von den Freien das Gewerbe als eine unfreie Beschäftigung verschmäht wurde. Die Fortschritte der Technik waren dem entsprechend unfreie. Während die höchste Verfeinerung in den Formen erreicht und jede Laune des überreizten Geschmackes von den sclavischen Werkmeistern befriedigt wurde, blieben alle Probleme ungelöst, welche die Emancipation der Arbeit, die Beherrschung der Natur durch die Kenntniss und die Anwen- dung ihrer Gesetze hätten anbahnen können. Die Summe des technischen Wissens jener Zeit waren Fertigkeiten, die mit dem Sclaven verkauft und in dem Preise desselben bezahlt wurden. Wenn Aristoteles in seiner Politik bemerkt, dass die Sclaverei aufhören würde eine Nothwendigkeit zu sein, wenn der Meissel und das Weberschiffchen selbstthätig schaffen könnten, so hat er unbewusst die befreiende Macht der Erfindungen und die civilisatorische Aufgabe ausgesprochen, durch Unterwerfung der Naturkräfte die Menschheit von dem Fluche der sclavischen Arbeit zu erlösen. Freilich, der Gang der geschichtlichen Ent- wickelung war der umgekehrte, als derjenige, welchen der Phi- losoph als einen unerfüllbaren Traum aussprach. Zunächst musste durch die grosse soziale Revolution des Christenthumes und der Völkerwanderung die Sclaverei und mit ihr der ganze Bau der Civilisation und der Verfeinerung zertrümmert werden, der sich auf diesem fluchbeladenen Boden erhob, ehe auf einer neuen der Menschheit würdigen Grundlage, auf der Basis der freien Arbeit der neue unendlich grossartigere Bau der modernen Civili- sation von den ersten Anfängen an wieder begonnen werden konnte.
Im Mittelalter ging mit der literarischen Bildung auch jener Buchhandel der römischen Kaiserzeit unter. Die Bücher wurden in einzelnen Abschriften, die meist zum eigenen Ge- brauche genommen wurden, spärlich vervielfältigt. Wenn auch in den Klöstern Bücher zum Verkaufe abgeschrieben und in
II. Geschichte des geistigen Eigenthumes. §. 6. Aeltere Zeit.
macht dieselbe Anwendung, indem es dem Schriftsteller und Künstler gestattet, die nachgedruckten Exemplare seines Wer- kes auch gegen den dritten Besitzer zu vindiziren (vergl. un- ten §. 36). Das römische Recht kam nicht über die Linie einer immerhin interessanten wissenschaftlichen Controverse hinaus.
Noch viel weniger war von einer practischen Anerkennung des geistigen Eigenthumes an den Erfindungen in jenem Zeit- alter die Rede. Die ganze Industrie des klassischen Alterthums blieb den Sclaven und den Freigelassenen überlassen, während von den Freien das Gewerbe als eine unfreie Beschäftigung verschmäht wurde. Die Fortschritte der Technik waren dem entsprechend unfreie. Während die höchste Verfeinerung in den Formen erreicht und jede Laune des überreizten Geschmackes von den sclavischen Werkmeistern befriedigt wurde, blieben alle Probleme ungelöst, welche die Emancipation der Arbeit, die Beherrschung der Natur durch die Kenntniss und die Anwen- dung ihrer Gesetze hätten anbahnen können. Die Summe des technischen Wissens jener Zeit waren Fertigkeiten, die mit dem Sclaven verkauft und in dem Preise desselben bezahlt wurden. Wenn Aristoteles in seiner Politik bemerkt, dass die Sclaverei aufhören würde eine Nothwendigkeit zu sein, wenn der Meissel und das Weberschiffchen selbstthätig schaffen könnten, so hat er unbewusst die befreiende Macht der Erfindungen und die civilisatorische Aufgabe ausgesprochen, durch Unterwerfung der Naturkräfte die Menschheit von dem Fluche der sclavischen Arbeit zu erlösen. Freilich, der Gang der geschichtlichen Ent- wickelung war der umgekehrte, als derjenige, welchen der Phi- losoph als einen unerfüllbaren Traum aussprach. Zunächst musste durch die grosse soziale Revolution des Christenthumes und der Völkerwanderung die Sclaverei und mit ihr der ganze Bau der Civilisation und der Verfeinerung zertrümmert werden, der sich auf diesem fluchbeladenen Boden erhob, ehe auf einer neuen der Menschheit würdigen Grundlage, auf der Basis der freien Arbeit der neue unendlich grossartigere Bau der modernen Civili- sation von den ersten Anfängen an wieder begonnen werden konnte.
Im Mittelalter ging mit der literarischen Bildung auch jener Buchhandel der römischen Kaiserzeit unter. Die Bücher wurden in einzelnen Abschriften, die meist zum eigenen Ge- brauche genommen wurden, spärlich vervielfältigt. Wenn auch in den Klöstern Bücher zum Verkaufe abgeschrieben und in
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II. Geschichte des geistigen Eigenthumes. §. 6. Aeltere Zeit.
macht dieselbe Anwendung, indem es dem Schriftsteller und
Künstler gestattet, die nachgedruckten Exemplare seines Wer-
kes auch gegen den dritten Besitzer zu vindiziren (vergl. un-
ten §. 36). Das römische Recht kam nicht über die Linie einer
immerhin interessanten wissenschaftlichen Controverse hinaus.
Noch viel weniger war von einer practischen Anerkennung
des geistigen Eigenthumes an den Erfindungen in jenem Zeit-
alter die Rede. Die ganze Industrie des klassischen Alterthums
blieb den Sclaven und den Freigelassenen überlassen, während
von den Freien das Gewerbe als eine unfreie Beschäftigung
verschmäht wurde. Die Fortschritte der Technik waren dem
entsprechend unfreie. Während die höchste Verfeinerung in den
Formen erreicht und jede Laune des überreizten Geschmackes
von den sclavischen Werkmeistern befriedigt wurde, blieben alle
Probleme ungelöst, welche die Emancipation der Arbeit, die
Beherrschung der Natur durch die Kenntniss und die Anwen-
dung ihrer Gesetze hätten anbahnen können. Die Summe des
technischen Wissens jener Zeit waren Fertigkeiten, die mit dem
Sclaven verkauft und in dem Preise desselben bezahlt wurden.
Wenn Aristoteles in seiner Politik bemerkt, dass die Sclaverei
aufhören würde eine Nothwendigkeit zu sein, wenn der Meissel
und das Weberschiffchen selbstthätig schaffen könnten, so hat
er unbewusst die befreiende Macht der Erfindungen und die
civilisatorische Aufgabe ausgesprochen, durch Unterwerfung der
Naturkräfte die Menschheit von dem Fluche der sclavischen
Arbeit zu erlösen. Freilich, der Gang der geschichtlichen Ent-
wickelung war der umgekehrte, als derjenige, welchen der Phi-
losoph als einen unerfüllbaren Traum aussprach. Zunächst musste
durch die grosse soziale Revolution des Christenthumes und
der Völkerwanderung die Sclaverei und mit ihr der ganze Bau
der Civilisation und der Verfeinerung zertrümmert werden, der
sich auf diesem fluchbeladenen Boden erhob, ehe auf einer
neuen der Menschheit würdigen Grundlage, auf der Basis der freien
Arbeit der neue unendlich grossartigere Bau der modernen Civili-
sation von den ersten Anfängen an wieder begonnen werden konnte.
Im Mittelalter ging mit der literarischen Bildung auch
jener Buchhandel der römischen Kaiserzeit unter. Die Bücher
wurden in einzelnen Abschriften, die meist zum eigenen Ge-
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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/54>, abgerufen am 21.11.2024.
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