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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869.

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Fabrikreglement. -- Turgots und Neckers Reformen.
bringen können, so musste die Reglementirung der Industrie
auf die Dauer um so schädlicher wirken, als sie jeden Fort-
schritt des Gewerbfleisses ignorirte und die Gewerbthätigkeit in
Regeln bannte, die unmittelbar nach ihrem Erlass schon durch
die natürliche Fortentwicklung des Kunstfleisses überholt wur-
den und veralteten.

Der Zustand der Reglementirung wurde daher trotz zahl-
reicher Dispensationen, welche einzelnen Fabriken und ganzen
Orten1) ertheilt wurden, schon lange vor der Revolution un-
erträglich. Im Jahre 1776 versuchte Turgot durch die Auf-
hebung sämmtlicher Gilden und Zünfte mit einem Schlage zur
Gewerbefreiheit überzugehen. Der Widerstand der zahllosen
Privatinteressen, welche durch diese Massregel verletzt wur-
den, führte indess noch in demselben Jahre den Sturz des Mi-
nisters und den Widerruf des Edictes herbei. Im Jahre 1779
führte jedoch Necker auf einem vorsichtigen Umwege die von
seinem Vorgänger erstrebte Reform zum grössten Theile durch,
indem durch das Edict vom 5. Mai den Fabrikanten die Wahl
gelassen wurde, entweder die alte reglementirte Fabrikation
beizubehalten, oder neue Stoffe in beliebiger Art zu fabriziren2).

Dasselbe Edict hob die Vorrechte der früheren Königli-
chen Manufacturen und diese Bezeichnung selbst im Art. 12
vollständig auf und entzog dadurch den bis dahin privilegirten
Erfindern den bisher in dieser Form gewährten Rechtsschutz,
indem ihre Fabrikation als eine nicht reglementirte jedermann
zur Benutzung frei gegeben wurde, ohne dass wie bisher die
Nachahmung durch polizeiliche Ueberwachung der Fabriken
verhindert worden wäre. Die Inhaber der Erfindungsprivilegien
waren daher nunmehr in der Lage, sich selbst durch Berufung
auf das in den Patenten ihnen verliehene ausschliessliche Recht
gegen Beeinträchtigung zu schützen und der Mangel eines
gleichförmig durch das Gesetz geregelten Rechtsschutzes machte
sich in empfindlicher Weise geltend.

1) So war den Bewohnern des Faubourg Saint-Antoine und den
Werkstätten in der Gallerie des Louvre seit 1602, den Fabrikanten von
Nimes seit 1750 vollständige Befreiung von den Beschränkungen der
Fabrikreglements gestattet. -- Renouard, Traite des brevets d'inven-
tion p. 65, p. 77.
2) Vergl. Bd. I S. 65.

Fabrikreglement. — Turgots und Neckers Reformen.
bringen können, so musste die Reglementirung der Industrie
auf die Dauer um so schädlicher wirken, als sie jeden Fort-
schritt des Gewerbfleisses ignorirte und die Gewerbthätigkeit in
Regeln bannte, die unmittelbar nach ihrem Erlass schon durch
die natürliche Fortentwicklung des Kunstfleisses überholt wur-
den und veralteten.

Der Zustand der Reglementirung wurde daher trotz zahl-
reicher Dispensationen, welche einzelnen Fabriken und ganzen
Orten1) ertheilt wurden, schon lange vor der Revolution un-
erträglich. Im Jahre 1776 versuchte Turgot durch die Auf-
hebung sämmtlicher Gilden und Zünfte mit einem Schlage zur
Gewerbefreiheit überzugehen. Der Widerstand der zahllosen
Privatinteressen, welche durch diese Massregel verletzt wur-
den, führte indess noch in demselben Jahre den Sturz des Mi-
nisters und den Widerruf des Edictes herbei. Im Jahre 1779
führte jedoch Necker auf einem vorsichtigen Umwege die von
seinem Vorgänger erstrebte Reform zum grössten Theile durch,
indem durch das Edict vom 5. Mai den Fabrikanten die Wahl
gelassen wurde, entweder die alte reglementirte Fabrikation
beizubehalten, oder neue Stoffe in beliebiger Art zu fabriziren2).

Dasselbe Edict hob die Vorrechte der früheren Königli-
chen Manufacturen und diese Bezeichnung selbst im Art. 12
vollständig auf und entzog dadurch den bis dahin privilegirten
Erfindern den bisher in dieser Form gewährten Rechtsschutz,
indem ihre Fabrikation als eine nicht reglementirte jedermann
zur Benutzung frei gegeben wurde, ohne dass wie bisher die
Nachahmung durch polizeiliche Ueberwachung der Fabriken
verhindert worden wäre. Die Inhaber der Erfindungsprivilegien
waren daher nunmehr in der Lage, sich selbst durch Berufung
auf das in den Patenten ihnen verliehene ausschliessliche Recht
gegen Beeinträchtigung zu schützen und der Mangel eines
gleichförmig durch das Gesetz geregelten Rechtsschutzes machte
sich in empfindlicher Weise geltend.

1) So war den Bewohnern des Faubourg Saint-Antoine und den
Werkstätten in der Gallerie des Louvre seit 1602, den Fabrikanten von
Nimes seit 1750 vollständige Befreiung von den Beschränkungen der
Fabrikreglements gestattet. — Renouard, Traité des brevets d’inven-
tion p. 65, p. 77.
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[293/0320] Fabrikreglement. — Turgots und Neckers Reformen. bringen können, so musste die Reglementirung der Industrie auf die Dauer um so schädlicher wirken, als sie jeden Fort- schritt des Gewerbfleisses ignorirte und die Gewerbthätigkeit in Regeln bannte, die unmittelbar nach ihrem Erlass schon durch die natürliche Fortentwicklung des Kunstfleisses überholt wur- den und veralteten. Der Zustand der Reglementirung wurde daher trotz zahl- reicher Dispensationen, welche einzelnen Fabriken und ganzen Orten 1) ertheilt wurden, schon lange vor der Revolution un- erträglich. Im Jahre 1776 versuchte Turgot durch die Auf- hebung sämmtlicher Gilden und Zünfte mit einem Schlage zur Gewerbefreiheit überzugehen. Der Widerstand der zahllosen Privatinteressen, welche durch diese Massregel verletzt wur- den, führte indess noch in demselben Jahre den Sturz des Mi- nisters und den Widerruf des Edictes herbei. Im Jahre 1779 führte jedoch Necker auf einem vorsichtigen Umwege die von seinem Vorgänger erstrebte Reform zum grössten Theile durch, indem durch das Edict vom 5. Mai den Fabrikanten die Wahl gelassen wurde, entweder die alte reglementirte Fabrikation beizubehalten, oder neue Stoffe in beliebiger Art zu fabriziren 2). Dasselbe Edict hob die Vorrechte der früheren Königli- chen Manufacturen und diese Bezeichnung selbst im Art. 12 vollständig auf und entzog dadurch den bis dahin privilegirten Erfindern den bisher in dieser Form gewährten Rechtsschutz, indem ihre Fabrikation als eine nicht reglementirte jedermann zur Benutzung frei gegeben wurde, ohne dass wie bisher die Nachahmung durch polizeiliche Ueberwachung der Fabriken verhindert worden wäre. Die Inhaber der Erfindungsprivilegien waren daher nunmehr in der Lage, sich selbst durch Berufung auf das in den Patenten ihnen verliehene ausschliessliche Recht gegen Beeinträchtigung zu schützen und der Mangel eines gleichförmig durch das Gesetz geregelten Rechtsschutzes machte sich in empfindlicher Weise geltend. 1) So war den Bewohnern des Faubourg Saint-Antoine und den Werkstätten in der Gallerie des Louvre seit 1602, den Fabrikanten von Nimes seit 1750 vollständige Befreiung von den Beschränkungen der Fabrikreglements gestattet. — Renouard, Traité des brevets d’inven- tion p. 65, p. 77. 2) Vergl. Bd. I S. 65.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/320>, abgerufen am 25.11.2024.