Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Vermögenswerth. -- Wissenschaftliche Entdeckungen.
irgend eine polizeiliche oder richterliche Macht verhindert wer-
den könnte. Dasselbe gilt von Davys Sicherheitslampe, unge-
achtet der von Arago ausgesprochenen entgegengesetzten An-
sicht (vergl. Bd. I S. 205). Die mit einem Drahtnetz umgebene
Lampe war, wie Arago selbst bezeugt, vor Davy im allgemeinen
Gebrauche. Die Entdeckung der Thatsache, dass dieses Draht-
netz die Entzündung explosiver Gasgemische durch die Licht-
flamme verhindert und dass es daher möglich ist, bei dieser
Lampe in schlagenden Wettern ohne Gefahr zu arbeiten, konnte
niemand an der Benutzung eines bereits bekannten Werkzeuges
hindern. Wenn also Davy unterliess, auf seine Erfindung ein
Patent zu nehmen, so geschah dies offenbar nicht, weil er die
Vortheile desselben verschmähte, sondern weil die Verwendung
einer bereits vorhandenen Lampe zur Beleuchtung nicht durch
die Ertheilung eines Erfindungspatentes untersagt werden konnte.

Davys Erfindung rettet nicht nur jährlich Tausenden von
Bergleuten das Leben; sie schützt auch die Grubengebäude vor
Zerstörung und macht den Abbau von Steinkohlenlagern mög-
lich, welche früher wegen ihrer gefährlichen Gasentwickelung
unbenutzt bleiben mussten. Die Erfindung der Sicherheitslampe
gewährte daher eine hohe vermögensrechtliche Nutzung. Allein
diese Nutzung konnte keine ausschliessliche sein, weil sie sich
auf den bereits bekannten Gebrauch einer vorhandenen Vor-
richtung gründete. Sie war deshalb nicht Gegenstand eines
Erfindungspatentes1).

Auch die rein wissenschaftlichen Entdeckungen, welche nicht
unmittelbar practisch verwerthet werden, bringen häufig in der
mittelbaren Anwendung, welche sie demnächst erlangen, der Ge-
sammtheit die grössten materiellen Vortheile. Manche wichtige Er-
findungen bestehen in der blossen Combination zweier vorherge-
gangenen wissenschaftlichen Entdeckungen. So erfand der Physi-
ker Porta um 1650 die Camera obscura; dann entdeckte Davy zu
Anfang dieses Jahrhunderts die chemischen Wirkungen des Lich-
tes und auf Grund dieser beiden Entdeckungen gelang es dann

1) Die Sicherheitslampe ist von späteren Erfindern mehrfach
verbessert worden und diese Erfindungen, welche theils die Leuchtkraft
der Lampe (durch Hinzufügung eines Glascylinders) verbessern, theils
das willkürliche Oeffnen der Lampe verhindern, sind mehrfach paten-
tirt worden.

Vermögenswerth. — Wissenschaftliche Entdeckungen.
irgend eine polizeiliche oder richterliche Macht verhindert wer-
den könnte. Dasselbe gilt von Davys Sicherheitslampe, unge-
achtet der von Arago ausgesprochenen entgegengesetzten An-
sicht (vergl. Bd. I S. 205). Die mit einem Drahtnetz umgebene
Lampe war, wie Arago selbst bezeugt, vor Davy im allgemeinen
Gebrauche. Die Entdeckung der Thatsache, dass dieses Draht-
netz die Entzündung explosiver Gasgemische durch die Licht-
flamme verhindert und dass es daher möglich ist, bei dieser
Lampe in schlagenden Wettern ohne Gefahr zu arbeiten, konnte
niemand an der Benutzung eines bereits bekannten Werkzeuges
hindern. Wenn also Davy unterliess, auf seine Erfindung ein
Patent zu nehmen, so geschah dies offenbar nicht, weil er die
Vortheile desselben verschmähte, sondern weil die Verwendung
einer bereits vorhandenen Lampe zur Beleuchtung nicht durch
die Ertheilung eines Erfindungspatentes untersagt werden konnte.

Davys Erfindung rettet nicht nur jährlich Tausenden von
Bergleuten das Leben; sie schützt auch die Grubengebäude vor
Zerstörung und macht den Abbau von Steinkohlenlagern mög-
lich, welche früher wegen ihrer gefährlichen Gasentwickelung
unbenutzt bleiben mussten. Die Erfindung der Sicherheitslampe
gewährte daher eine hohe vermögensrechtliche Nutzung. Allein
diese Nutzung konnte keine ausschliessliche sein, weil sie sich
auf den bereits bekannten Gebrauch einer vorhandenen Vor-
richtung gründete. Sie war deshalb nicht Gegenstand eines
Erfindungspatentes1).

Auch die rein wissenschaftlichen Entdeckungen, welche nicht
unmittelbar practisch verwerthet werden, bringen häufig in der
mittelbaren Anwendung, welche sie demnächst erlangen, der Ge-
sammtheit die grössten materiellen Vortheile. Manche wichtige Er-
findungen bestehen in der blossen Combination zweier vorherge-
gangenen wissenschaftlichen Entdeckungen. So erfand der Physi-
ker Porta um 1650 die Camera obscura; dann entdeckte Davy zu
Anfang dieses Jahrhunderts die chemischen Wirkungen des Lich-
tes und auf Grund dieser beiden Entdeckungen gelang es dann

1) Die Sicherheitslampe ist von späteren Erfindern mehrfach
verbessert worden und diese Erfindungen, welche theils die Leuchtkraft
der Lampe (durch Hinzufügung eines Glascylinders) verbessern, theils
das willkürliche Oeffnen der Lampe verhindern, sind mehrfach paten-
tirt worden.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0038" n="11"/><fw place="top" type="header">Vermögenswerth. &#x2014; Wissenschaftliche Entdeckungen.</fw><lb/>
irgend eine polizeiliche oder richterliche Macht verhindert wer-<lb/>
den könnte. Dasselbe gilt von Davys Sicherheitslampe, unge-<lb/>
achtet der von Arago ausgesprochenen entgegengesetzten An-<lb/>
sicht (vergl. Bd. I S. 205). Die mit einem Drahtnetz umgebene<lb/>
Lampe war, wie Arago selbst bezeugt, vor Davy im allgemeinen<lb/>
Gebrauche. Die Entdeckung der Thatsache, dass dieses Draht-<lb/>
netz die Entzündung explosiver Gasgemische durch die Licht-<lb/>
flamme verhindert und dass es daher möglich ist, bei dieser<lb/>
Lampe in schlagenden Wettern ohne Gefahr zu arbeiten, konnte<lb/>
niemand an der Benutzung eines bereits bekannten Werkzeuges<lb/>
hindern. Wenn also Davy unterliess, auf seine Erfindung ein<lb/>
Patent zu nehmen, so geschah dies offenbar nicht, weil er die<lb/>
Vortheile desselben verschmähte, sondern weil die Verwendung<lb/>
einer bereits vorhandenen Lampe zur Beleuchtung nicht durch<lb/>
die Ertheilung eines Erfindungspatentes untersagt werden konnte.</p><lb/>
            <p>Davys Erfindung rettet nicht nur jährlich Tausenden von<lb/>
Bergleuten das Leben; sie schützt auch die Grubengebäude vor<lb/>
Zerstörung und macht den Abbau von Steinkohlenlagern mög-<lb/>
lich, welche früher wegen ihrer gefährlichen Gasentwickelung<lb/>
unbenutzt bleiben mussten. Die Erfindung der Sicherheitslampe<lb/>
gewährte daher eine hohe vermögensrechtliche Nutzung. Allein<lb/>
diese Nutzung konnte keine ausschliessliche sein, weil sie sich<lb/>
auf den bereits bekannten Gebrauch einer vorhandenen Vor-<lb/>
richtung gründete. Sie war deshalb nicht Gegenstand eines<lb/>
Erfindungspatentes<note place="foot" n="1)">Die Sicherheitslampe ist von späteren Erfindern mehrfach<lb/>
verbessert worden und diese Erfindungen, welche theils die Leuchtkraft<lb/>
der Lampe (durch Hinzufügung eines Glascylinders) verbessern, theils<lb/>
das willkürliche Oeffnen der Lampe verhindern, sind mehrfach paten-<lb/>
tirt worden.</note>.</p><lb/>
            <p>Auch die rein wissenschaftlichen Entdeckungen, welche nicht<lb/>
unmittelbar practisch verwerthet werden, bringen häufig in der<lb/>
mittelbaren Anwendung, welche sie demnächst erlangen, der Ge-<lb/>
sammtheit die grössten materiellen Vortheile. Manche wichtige Er-<lb/>
findungen bestehen in der blossen Combination zweier vorherge-<lb/>
gangenen wissenschaftlichen Entdeckungen. So erfand der Physi-<lb/>
ker Porta um 1650 die Camera obscura; dann entdeckte Davy zu<lb/>
Anfang dieses Jahrhunderts die chemischen Wirkungen des Lich-<lb/>
tes und auf Grund dieser beiden Entdeckungen gelang es dann<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0038] Vermögenswerth. — Wissenschaftliche Entdeckungen. irgend eine polizeiliche oder richterliche Macht verhindert wer- den könnte. Dasselbe gilt von Davys Sicherheitslampe, unge- achtet der von Arago ausgesprochenen entgegengesetzten An- sicht (vergl. Bd. I S. 205). Die mit einem Drahtnetz umgebene Lampe war, wie Arago selbst bezeugt, vor Davy im allgemeinen Gebrauche. Die Entdeckung der Thatsache, dass dieses Draht- netz die Entzündung explosiver Gasgemische durch die Licht- flamme verhindert und dass es daher möglich ist, bei dieser Lampe in schlagenden Wettern ohne Gefahr zu arbeiten, konnte niemand an der Benutzung eines bereits bekannten Werkzeuges hindern. Wenn also Davy unterliess, auf seine Erfindung ein Patent zu nehmen, so geschah dies offenbar nicht, weil er die Vortheile desselben verschmähte, sondern weil die Verwendung einer bereits vorhandenen Lampe zur Beleuchtung nicht durch die Ertheilung eines Erfindungspatentes untersagt werden konnte. Davys Erfindung rettet nicht nur jährlich Tausenden von Bergleuten das Leben; sie schützt auch die Grubengebäude vor Zerstörung und macht den Abbau von Steinkohlenlagern mög- lich, welche früher wegen ihrer gefährlichen Gasentwickelung unbenutzt bleiben mussten. Die Erfindung der Sicherheitslampe gewährte daher eine hohe vermögensrechtliche Nutzung. Allein diese Nutzung konnte keine ausschliessliche sein, weil sie sich auf den bereits bekannten Gebrauch einer vorhandenen Vor- richtung gründete. Sie war deshalb nicht Gegenstand eines Erfindungspatentes 1). Auch die rein wissenschaftlichen Entdeckungen, welche nicht unmittelbar practisch verwerthet werden, bringen häufig in der mittelbaren Anwendung, welche sie demnächst erlangen, der Ge- sammtheit die grössten materiellen Vortheile. Manche wichtige Er- findungen bestehen in der blossen Combination zweier vorherge- gangenen wissenschaftlichen Entdeckungen. So erfand der Physi- ker Porta um 1650 die Camera obscura; dann entdeckte Davy zu Anfang dieses Jahrhunderts die chemischen Wirkungen des Lich- tes und auf Grund dieser beiden Entdeckungen gelang es dann 1) Die Sicherheitslampe ist von späteren Erfindern mehrfach verbessert worden und diese Erfindungen, welche theils die Leuchtkraft der Lampe (durch Hinzufügung eines Glascylinders) verbessern, theils das willkürliche Oeffnen der Lampe verhindern, sind mehrfach paten- tirt worden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/38
Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/38>, abgerufen am 21.11.2024.