I. Vorbegriffe. §. 5. Neuheit der Erfindung (Fortsetzung).
Mittheilung der Erfindung an solche Gehülfen, welche zum Zustandekommen und zur Ausführung der Erfindung noth- wendig sind, thut der Neuheit der Erfindung keinen Eintrag und schliesst dieselbe von dem Patentschutze nicht aus. Der Pariser Appellationsgerichtshof spricht dies in einem Urtheile vom 13. August 18421) wie folgt aus:
"Es ist nirgend festgestellt, dass die patentirte Maschine in England vor der Patentirung veröffentlicht oder in Gebrauch ge- setzt ist, vielmehr geht aus allen Beweisstücken hervor, dass Clau- det das Geheimniss seiner Erfindung beständig bewahrt hat. Wenn er versucht hat, den Nutzen und die Vortheile seiner Entdeckung zu erproben, so geschah dies mit aller der Vorsicht und mit allen den Vorkehrungen und Massnahmen, welche geeignet waren, ihm für seine Person den ausschliesslichen Besitz der von ihm gemach- ten und ausgeführten Erfindung zu sichern. Man kann weder ver- nünftiger Weise noch im Sinne des Gesetzes annehmen, dass ein Erfinder die von ihm entdeckte und erbaute Maschine gebraucht und veröffentlicht habe, wenn er blosse Versuche im Geheimen an- gestellt hat, die nur bezweckten, in Gemeinschaft mit weni- gen Personen die Vortheile oder die Mängel seiner Entdeckung zu erproben. Es ist offenbar, dass dies Versuche sind, welche bei jeder Art der Erfindung und der Entdeckung nothwendig sind. Wollte man an diese Versuche den Verlust des Patentschutzes knüpfen, so würde man in vielen Fällen den Erfinder in die Unmöglichkeit versetzen, seine Erfindung zu realisiren und das Genie verhindern, auf dem Wege der gemachten Entdeckung vorzuschreiten."
Wie also blosse Versuche nach dem oben (S. 45) Gesag- ten keinen gewerblichen Gebrauch der Erfindung darstellen, so enthalten sie auch keine Veröffentlichung derselben, selbst wenn sie mit fremden Gehülfen vorgenommen werden, sofern von diesen das Geheimniss der Erfindung gewahrt wird.
So lange die Mittheilung nur an solche Personen erfolgt ist, welche zur Geheimhaltung verpflichtet sind, so lange ist auch der rechtliche Wille des Erfinders vermögend, jeden An- dern von der Kenntniss oder der Benutzung seiner Entdeckung auszuschliessen. Sobald indess einer der Gehülfen, wenn auch betrüglicher Weise und mit Verletzung der übernommenen Ver- pflichtung die Erfindung weiter mitgetheilt hat, hört diese
1) Renouard, Traite des brevets d'invention p. 260.
I. Vorbegriffe. §. 5. Neuheit der Erfindung (Fortsetzung).
Mittheilung der Erfindung an solche Gehülfen, welche zum Zustandekommen und zur Ausführung der Erfindung noth- wendig sind, thut der Neuheit der Erfindung keinen Eintrag und schliesst dieselbe von dem Patentschutze nicht aus. Der Pariser Appellationsgerichtshof spricht dies in einem Urtheile vom 13. August 18421) wie folgt aus:
»Es ist nirgend festgestellt, dass die patentirte Maschine in England vor der Patentirung veröffentlicht oder in Gebrauch ge- setzt ist, vielmehr geht aus allen Beweisstücken hervor, dass Clau- det das Geheimniss seiner Erfindung beständig bewahrt hat. Wenn er versucht hat, den Nutzen und die Vortheile seiner Entdeckung zu erproben, so geschah dies mit aller der Vorsicht und mit allen den Vorkehrungen und Massnahmen, welche geeignet waren, ihm für seine Person den ausschliesslichen Besitz der von ihm gemach- ten und ausgeführten Erfindung zu sichern. Man kann weder ver- nünftiger Weise noch im Sinne des Gesetzes annehmen, dass ein Erfinder die von ihm entdeckte und erbaute Maschine gebraucht und veröffentlicht habe, wenn er blosse Versuche im Geheimen an- gestellt hat, die nur bezweckten, in Gemeinschaft mit weni- gen Personen die Vortheile oder die Mängel seiner Entdeckung zu erproben. Es ist offenbar, dass dies Versuche sind, welche bei jeder Art der Erfindung und der Entdeckung nothwendig sind. Wollte man an diese Versuche den Verlust des Patentschutzes knüpfen, so würde man in vielen Fällen den Erfinder in die Unmöglichkeit versetzen, seine Erfindung zu realisiren und das Genie verhindern, auf dem Wege der gemachten Entdeckung vorzuschreiten.«
Wie also blosse Versuche nach dem oben (S. 45) Gesag- ten keinen gewerblichen Gebrauch der Erfindung darstellen, so enthalten sie auch keine Veröffentlichung derselben, selbst wenn sie mit fremden Gehülfen vorgenommen werden, sofern von diesen das Geheimniss der Erfindung gewahrt wird.
So lange die Mittheilung nur an solche Personen erfolgt ist, welche zur Geheimhaltung verpflichtet sind, so lange ist auch der rechtliche Wille des Erfinders vermögend, jeden An- dern von der Kenntniss oder der Benutzung seiner Entdeckung auszuschliessen. Sobald indess einer der Gehülfen, wenn auch betrüglicher Weise und mit Verletzung der übernommenen Ver- pflichtung die Erfindung weiter mitgetheilt hat, hört diese
1) Renouard, Traité des brevets d’invention p. 260.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0081"n="54"/><fwplace="top"type="header">I. Vorbegriffe. §. 5. Neuheit der Erfindung (Fortsetzung).</fw><lb/>
Mittheilung der Erfindung an solche Gehülfen, welche zum<lb/>
Zustandekommen und zur Ausführung der Erfindung noth-<lb/>
wendig sind, thut der Neuheit der Erfindung keinen Eintrag<lb/>
und schliesst dieselbe von dem Patentschutze nicht aus. Der<lb/>
Pariser Appellationsgerichtshof spricht dies in einem Urtheile<lb/>
vom 13. August 1842<noteplace="foot"n="1)">Renouard, Traité des brevets d’invention p. 260.</note> wie folgt aus:</p><lb/><cit><quote>»Es ist nirgend festgestellt, dass die patentirte Maschine in<lb/>
England vor der Patentirung veröffentlicht oder in Gebrauch ge-<lb/>
setzt ist, vielmehr geht aus allen Beweisstücken hervor, dass Clau-<lb/>
det das Geheimniss seiner Erfindung beständig bewahrt hat. Wenn<lb/>
er versucht hat, den Nutzen und die Vortheile seiner Entdeckung<lb/>
zu erproben, so geschah dies mit aller der Vorsicht und mit allen<lb/>
den Vorkehrungen und Massnahmen, welche geeignet waren, ihm<lb/>
für seine Person den ausschliesslichen Besitz der von ihm gemach-<lb/>
ten und ausgeführten Erfindung zu sichern. Man kann weder ver-<lb/>
nünftiger Weise noch im Sinne des Gesetzes annehmen, dass ein<lb/>
Erfinder die von ihm entdeckte und erbaute Maschine gebraucht<lb/>
und veröffentlicht habe, wenn er blosse Versuche im Geheimen an-<lb/>
gestellt hat, die nur bezweckten, <hirendition="#g">in Gemeinschaft mit weni-<lb/>
gen Personen</hi> die Vortheile oder die Mängel seiner Entdeckung zu<lb/>
erproben. Es ist offenbar, dass dies Versuche sind, welche bei jeder<lb/>
Art der Erfindung und der Entdeckung nothwendig sind. Wollte<lb/>
man an diese Versuche den Verlust des Patentschutzes knüpfen,<lb/>
so würde man in vielen Fällen den Erfinder in die Unmöglichkeit<lb/>
versetzen, seine Erfindung zu realisiren und das Genie verhindern,<lb/>
auf dem Wege der gemachten Entdeckung vorzuschreiten.«</quote></cit><lb/><p>Wie also blosse Versuche nach dem oben (S. 45) Gesag-<lb/>
ten keinen gewerblichen Gebrauch der Erfindung darstellen,<lb/>
so enthalten sie auch keine Veröffentlichung derselben, selbst<lb/>
wenn sie mit fremden Gehülfen vorgenommen werden, sofern<lb/>
von diesen das Geheimniss der Erfindung gewahrt wird.</p><lb/><p>So lange die Mittheilung nur an solche Personen erfolgt<lb/>
ist, welche zur Geheimhaltung verpflichtet sind, so lange ist<lb/>
auch der rechtliche Wille des Erfinders vermögend, jeden An-<lb/>
dern von der Kenntniss oder der Benutzung seiner Entdeckung<lb/>
auszuschliessen. Sobald indess einer der Gehülfen, wenn auch<lb/>
betrüglicher Weise und mit Verletzung der übernommenen Ver-<lb/>
pflichtung die Erfindung weiter mitgetheilt hat, hört diese<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[54/0081]
I. Vorbegriffe. §. 5. Neuheit der Erfindung (Fortsetzung).
Mittheilung der Erfindung an solche Gehülfen, welche zum
Zustandekommen und zur Ausführung der Erfindung noth-
wendig sind, thut der Neuheit der Erfindung keinen Eintrag
und schliesst dieselbe von dem Patentschutze nicht aus. Der
Pariser Appellationsgerichtshof spricht dies in einem Urtheile
vom 13. August 1842 1) wie folgt aus:
»Es ist nirgend festgestellt, dass die patentirte Maschine in
England vor der Patentirung veröffentlicht oder in Gebrauch ge-
setzt ist, vielmehr geht aus allen Beweisstücken hervor, dass Clau-
det das Geheimniss seiner Erfindung beständig bewahrt hat. Wenn
er versucht hat, den Nutzen und die Vortheile seiner Entdeckung
zu erproben, so geschah dies mit aller der Vorsicht und mit allen
den Vorkehrungen und Massnahmen, welche geeignet waren, ihm
für seine Person den ausschliesslichen Besitz der von ihm gemach-
ten und ausgeführten Erfindung zu sichern. Man kann weder ver-
nünftiger Weise noch im Sinne des Gesetzes annehmen, dass ein
Erfinder die von ihm entdeckte und erbaute Maschine gebraucht
und veröffentlicht habe, wenn er blosse Versuche im Geheimen an-
gestellt hat, die nur bezweckten, in Gemeinschaft mit weni-
gen Personen die Vortheile oder die Mängel seiner Entdeckung zu
erproben. Es ist offenbar, dass dies Versuche sind, welche bei jeder
Art der Erfindung und der Entdeckung nothwendig sind. Wollte
man an diese Versuche den Verlust des Patentschutzes knüpfen,
so würde man in vielen Fällen den Erfinder in die Unmöglichkeit
versetzen, seine Erfindung zu realisiren und das Genie verhindern,
auf dem Wege der gemachten Entdeckung vorzuschreiten.«
Wie also blosse Versuche nach dem oben (S. 45) Gesag-
ten keinen gewerblichen Gebrauch der Erfindung darstellen,
so enthalten sie auch keine Veröffentlichung derselben, selbst
wenn sie mit fremden Gehülfen vorgenommen werden, sofern
von diesen das Geheimniss der Erfindung gewahrt wird.
So lange die Mittheilung nur an solche Personen erfolgt
ist, welche zur Geheimhaltung verpflichtet sind, so lange ist
auch der rechtliche Wille des Erfinders vermögend, jeden An-
dern von der Kenntniss oder der Benutzung seiner Entdeckung
auszuschliessen. Sobald indess einer der Gehülfen, wenn auch
betrüglicher Weise und mit Verletzung der übernommenen Ver-
pflichtung die Erfindung weiter mitgetheilt hat, hört diese
1) Renouard, Traité des brevets d’invention p. 260.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/81>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.