Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Collision der Rechte.
er nicht mehr diejenigen Verbesserungen anbringen kann, welche
er vielleicht selbst gefunden und angewendet haben würde, falls
ihm nicht ein Anderer mit der Entdeckung und Patentirung
zuvorgekommen wäre.

Die Regel, dass der Erfinder der Verbesserung kein Recht
auf die Benutzung der früher patentirten Erfindung erlangt
und dass der ältere Erfinder nicht zur Benutzung der paten-
tirten Verbesserung berechtigt ist, findet sich in der Französi-
schen und Belgischen Gesetzgebung ausdrücklich ausgespro-
chen1). Sie ergibt sich indess auch für die übrigen Rechts-
gebiete als eine nothwendige Folge des Verhältnisses, in welchem
die Gegenstände beider Erfindungen zu einander stehen und
der dadurch bedingten Collision der Rechte.

Die Wirkungen dieser Collision können unter Umständen
einer vollständigen Aufhebung gleichkommen. Es ist oben
(S. 58) erwähnt, dass Washbrough im Jahre 1778 ein Patent
auf die Verbindung der Treibstange mit dem Schwungrade der
Dampfmaschine durch die Kurbel erlangte. Da Watt sich mit
Jenem über den Preis der Benutzung dieser Verbesserung nicht
einigen konnte, so verzichtete er für die Dauer des ertheilten
Verbesserungspatentes auf deren Anwendung und half sich mit
einer Verbesserung der von ihm construirten Räderverbindung2).
Die Anwendung der Erfindung Washbroughs blieb also durch
die zwischen den Rechten beider Erfinder bestehende Collision
für die Dauer des ertheilten Verbesserungspatentes ausgeschlos-
sen, da der eine Erfinder nicht berechtigt war, Dampfmaschinen
zu bauen, während der andere nicht befugt war, die Kurbel-
vorrichtung anzuwenden.

In mehreren Patentgesetzgebungen hat man versucht,
diesen Uebelständen durch besondere Vorschriften über die Ver-
besserungspatente zu begegnen.

In dem älteren Englischen Patentrechte diente die Ein-

1) Französ. Gesetz v. 5. Juli 1844 Art. 19. -- Belg. Gesetz v. 24.
Mai 1854 Art. 15. -- Vergl. Uebereinkunft der Zollvereinsregierungen
v. 21. September 1842 Art. II. -- Oesterreich. Gesetz v. 15. August
1852 §. 4. -- Bayer. Gesetz v. 10. Februar 1842 §. 25. -- Sächs. Ver-
ordnung v. 20. Januar 1853 §. 2. -- Würtemberg. Allg. Gewerbeord-
nung v. 5. August 1836 Art. 154. -- Russ. Ukas v. 22. November 1833
§§. 145. 146.
2) Arago Oeuvres completes p. 70.

Collision der Rechte.
er nicht mehr diejenigen Verbesserungen anbringen kann, welche
er vielleicht selbst gefunden und angewendet haben würde, falls
ihm nicht ein Anderer mit der Entdeckung und Patentirung
zuvorgekommen wäre.

Die Regel, dass der Erfinder der Verbesserung kein Recht
auf die Benutzung der früher patentirten Erfindung erlangt
und dass der ältere Erfinder nicht zur Benutzung der paten-
tirten Verbesserung berechtigt ist, findet sich in der Französi-
schen und Belgischen Gesetzgebung ausdrücklich ausgespro-
chen1). Sie ergibt sich indess auch für die übrigen Rechts-
gebiete als eine nothwendige Folge des Verhältnisses, in welchem
die Gegenstände beider Erfindungen zu einander stehen und
der dadurch bedingten Collision der Rechte.

Die Wirkungen dieser Collision können unter Umständen
einer vollständigen Aufhebung gleichkommen. Es ist oben
(S. 58) erwähnt, dass Washbrough im Jahre 1778 ein Patent
auf die Verbindung der Treibstange mit dem Schwungrade der
Dampfmaschine durch die Kurbel erlangte. Da Watt sich mit
Jenem über den Preis der Benutzung dieser Verbesserung nicht
einigen konnte, so verzichtete er für die Dauer des ertheilten
Verbesserungspatentes auf deren Anwendung und half sich mit
einer Verbesserung der von ihm construirten Räderverbindung2).
Die Anwendung der Erfindung Washbroughs blieb also durch
die zwischen den Rechten beider Erfinder bestehende Collision
für die Dauer des ertheilten Verbesserungspatentes ausgeschlos-
sen, da der eine Erfinder nicht berechtigt war, Dampfmaschinen
zu bauen, während der andere nicht befugt war, die Kurbel-
vorrichtung anzuwenden.

In mehreren Patentgesetzgebungen hat man versucht,
diesen Uebelständen durch besondere Vorschriften über die Ver-
besserungspatente zu begegnen.

In dem älteren Englischen Patentrechte diente die Ein-

1) Französ. Gesetz v. 5. Juli 1844 Art. 19. — Belg. Gesetz v. 24.
Mai 1854 Art. 15. — Vergl. Uebereinkunft der Zollvereinsregierungen
v. 21. September 1842 Art. II. — Oesterreich. Gesetz v. 15. August
1852 §. 4. — Bayer. Gesetz v. 10. Februar 1842 §. 25. — Sächs. Ver-
ordnung v. 20. Januar 1853 §. 2. — Würtemberg. Allg. Gewerbeord-
nung v. 5. August 1836 Art. 154. — Russ. Ukas v. 22. November 1833
§§. 145. 146.
2) Arago Oeuvres complètes p. 70.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0088" n="61"/><fw place="top" type="header">Collision der Rechte.</fw><lb/>
er nicht mehr diejenigen Verbesserungen anbringen kann, welche<lb/>
er vielleicht selbst gefunden und angewendet haben würde, falls<lb/>
ihm nicht ein Anderer mit der Entdeckung und Patentirung<lb/>
zuvorgekommen wäre.</p><lb/>
            <p>Die Regel, dass der Erfinder der Verbesserung kein Recht<lb/>
auf die Benutzung der früher patentirten Erfindung erlangt<lb/>
und dass der ältere Erfinder nicht zur Benutzung der paten-<lb/>
tirten Verbesserung berechtigt ist, findet sich in der Französi-<lb/>
schen und Belgischen Gesetzgebung ausdrücklich ausgespro-<lb/>
chen<note place="foot" n="1)">Französ. Gesetz v. 5. Juli 1844 Art. 19. &#x2014; Belg. Gesetz v. 24.<lb/>
Mai 1854 Art. 15. &#x2014; Vergl. Uebereinkunft der Zollvereinsregierungen<lb/>
v. 21. September 1842 Art. II. &#x2014; Oesterreich. Gesetz v. 15. August<lb/>
1852 §. 4. &#x2014; Bayer. Gesetz v. 10. Februar 1842 §. 25. &#x2014; Sächs. Ver-<lb/>
ordnung v. 20. Januar 1853 §. 2. &#x2014; Würtemberg. Allg. Gewerbeord-<lb/>
nung v. 5. August 1836 Art. 154. &#x2014; Russ. Ukas v. 22. November 1833<lb/>
§§. 145. 146.</note>. Sie ergibt sich indess auch für die übrigen Rechts-<lb/>
gebiete als eine nothwendige Folge des Verhältnisses, in welchem<lb/>
die Gegenstände beider Erfindungen zu einander stehen und<lb/>
der dadurch bedingten Collision der Rechte.</p><lb/>
            <p>Die Wirkungen dieser Collision können unter Umständen<lb/>
einer vollständigen Aufhebung gleichkommen. Es ist oben<lb/>
(S. 58) erwähnt, dass Washbrough im Jahre 1778 ein Patent<lb/>
auf die Verbindung der Treibstange mit dem Schwungrade der<lb/>
Dampfmaschine durch die Kurbel erlangte. Da Watt sich mit<lb/>
Jenem über den Preis der Benutzung dieser Verbesserung nicht<lb/>
einigen konnte, so verzichtete er für die Dauer des ertheilten<lb/>
Verbesserungspatentes auf deren Anwendung und half sich mit<lb/>
einer Verbesserung der von ihm construirten Räderverbindung<note place="foot" n="2)">Arago Oeuvres complètes p. 70.</note>.<lb/>
Die Anwendung der Erfindung Washbroughs blieb also durch<lb/>
die zwischen den Rechten beider Erfinder bestehende Collision<lb/>
für die Dauer des ertheilten Verbesserungspatentes ausgeschlos-<lb/>
sen, da der eine Erfinder nicht berechtigt war, Dampfmaschinen<lb/>
zu bauen, während der andere nicht befugt war, die Kurbel-<lb/>
vorrichtung anzuwenden.</p><lb/>
            <p>In mehreren Patentgesetzgebungen hat man versucht,<lb/>
diesen Uebelständen durch besondere Vorschriften über die Ver-<lb/>
besserungspatente zu begegnen.</p><lb/>
            <p>In dem älteren Englischen Patentrechte diente die Ein-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0088] Collision der Rechte. er nicht mehr diejenigen Verbesserungen anbringen kann, welche er vielleicht selbst gefunden und angewendet haben würde, falls ihm nicht ein Anderer mit der Entdeckung und Patentirung zuvorgekommen wäre. Die Regel, dass der Erfinder der Verbesserung kein Recht auf die Benutzung der früher patentirten Erfindung erlangt und dass der ältere Erfinder nicht zur Benutzung der paten- tirten Verbesserung berechtigt ist, findet sich in der Französi- schen und Belgischen Gesetzgebung ausdrücklich ausgespro- chen 1). Sie ergibt sich indess auch für die übrigen Rechts- gebiete als eine nothwendige Folge des Verhältnisses, in welchem die Gegenstände beider Erfindungen zu einander stehen und der dadurch bedingten Collision der Rechte. Die Wirkungen dieser Collision können unter Umständen einer vollständigen Aufhebung gleichkommen. Es ist oben (S. 58) erwähnt, dass Washbrough im Jahre 1778 ein Patent auf die Verbindung der Treibstange mit dem Schwungrade der Dampfmaschine durch die Kurbel erlangte. Da Watt sich mit Jenem über den Preis der Benutzung dieser Verbesserung nicht einigen konnte, so verzichtete er für die Dauer des ertheilten Verbesserungspatentes auf deren Anwendung und half sich mit einer Verbesserung der von ihm construirten Räderverbindung 2). Die Anwendung der Erfindung Washbroughs blieb also durch die zwischen den Rechten beider Erfinder bestehende Collision für die Dauer des ertheilten Verbesserungspatentes ausgeschlos- sen, da der eine Erfinder nicht berechtigt war, Dampfmaschinen zu bauen, während der andere nicht befugt war, die Kurbel- vorrichtung anzuwenden. In mehreren Patentgesetzgebungen hat man versucht, diesen Uebelständen durch besondere Vorschriften über die Ver- besserungspatente zu begegnen. In dem älteren Englischen Patentrechte diente die Ein- 1) Französ. Gesetz v. 5. Juli 1844 Art. 19. — Belg. Gesetz v. 24. Mai 1854 Art. 15. — Vergl. Uebereinkunft der Zollvereinsregierungen v. 21. September 1842 Art. II. — Oesterreich. Gesetz v. 15. August 1852 §. 4. — Bayer. Gesetz v. 10. Februar 1842 §. 25. — Sächs. Ver- ordnung v. 20. Januar 1853 §. 2. — Würtemberg. Allg. Gewerbeord- nung v. 5. August 1836 Art. 154. — Russ. Ukas v. 22. November 1833 §§. 145. 146. 2) Arago Oeuvres complètes p. 70.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/88
Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/88>, abgerufen am 21.11.2024.