Jugend -- O! lasset uns doch lieber selbst so lange jung bleiben, als möglich ist, und wenn der Win¬ ter unsers Lebens unser Haar mit Schnee deckt, und nun das Blut langsamer durch die Adern rollt, das Herz nicht mehr so warm und laut im Busen pocht, doch mit theilnehmender Wonne auf unsre jüngern Brüder herabsehn, die noch Frühlings-Blumen pflücken, wenn wir, dick ein¬ gehüllt, am häuslichen, väterlichen Heerde Ruhe suchen! Lasset uns nicht durch plattes Raisonne¬ ment die süßen Freuden der Phantasie niederpre¬ digen! Wenn wir zurückschauen auf jene seligen Tage, wo ein einziger Liebesblick des holden Mäd¬ gens, das jetzt eine alte runzlichte Matrone ist, uns bis in den dritten Himmel entzückte, wo bey Music und Tanz jede Nerve in uns wiederhallte, wo Scherz und Witz jeden trüben Gedanken ver¬ jagten, wo süße Träume, Ahndungen und Hof¬ nungen unsre Existenz froh machten -- o! so lasset uns doch diese glückliche Periode bey unsern Kin¬ dern zu verlängern trachten, und soviel möglich Theil nehmen an ihren Wonnegefühlen! Mit zärtlicher Ehrerbietung drängen sich dann Kind, Knabe, Mädgen und Jüngling um den freundli¬ chen alten Mann, der sie zu unschuldiger Fröh¬
lich¬
Jugend — O! laſſet uns doch lieber ſelbſt ſo lange jung bleiben, als moͤglich iſt, und wenn der Win¬ ter unſers Lebens unſer Haar mit Schnee deckt, und nun das Blut langſamer durch die Adern rollt, das Herz nicht mehr ſo warm und laut im Buſen pocht, doch mit theilnehmender Wonne auf unſre juͤngern Bruͤder herabſehn, die noch Fruͤhlings-Blumen pfluͤcken, wenn wir, dick ein¬ gehuͤllt, am haͤuslichen, vaͤterlichen Heerde Ruhe ſuchen! Laſſet uns nicht durch plattes Raiſonne¬ ment die ſuͤßen Freuden der Phantaſie niederpre¬ digen! Wenn wir zuruͤckſchauen auf jene ſeligen Tage, wo ein einziger Liebesblick des holden Maͤd¬ gens, das jetzt eine alte runzlichte Matrone iſt, uns bis in den dritten Himmel entzuͤckte, wo bey Muſic und Tanz jede Nerve in uns wiederhallte, wo Scherz und Witz jeden truͤben Gedanken ver¬ jagten, wo ſuͤße Traͤume, Ahndungen und Hof¬ nungen unſre Exiſtenz froh machten — o! ſo laſſet uns doch dieſe gluͤckliche Periode bey unſern Kin¬ dern zu verlaͤngern trachten, und ſoviel moͤglich Theil nehmen an ihren Wonnegefuͤhlen! Mit zaͤrtlicher Ehrerbietung draͤngen ſich dann Kind, Knabe, Maͤdgen und Juͤngling um den freundli¬ chen alten Mann, der ſie zu unſchuldiger Froͤh¬
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Jugend — O! laſſet uns doch lieber ſelbſt ſo lange
jung bleiben, als moͤglich iſt, und wenn der Win¬
ter unſers Lebens unſer Haar mit Schnee deckt,
und nun das Blut langſamer durch die Adern
rollt, das Herz nicht mehr ſo warm und laut im
Buſen pocht, doch mit theilnehmender Wonne
auf unſre juͤngern Bruͤder herabſehn, die noch
Fruͤhlings-Blumen pfluͤcken, wenn wir, dick ein¬
gehuͤllt, am haͤuslichen, vaͤterlichen Heerde Ruhe
ſuchen! Laſſet uns nicht durch plattes Raiſonne¬
ment die ſuͤßen Freuden der Phantaſie niederpre¬
digen! Wenn wir zuruͤckſchauen auf jene ſeligen
Tage, wo ein einziger Liebesblick des holden Maͤd¬
gens, das jetzt eine alte runzlichte Matrone iſt,
uns bis in den dritten Himmel entzuͤckte, wo bey
Muſic und Tanz jede Nerve in uns wiederhallte,
wo Scherz und Witz jeden truͤben Gedanken ver¬
jagten, wo ſuͤße Traͤume, Ahndungen und Hof¬
nungen unſre Exiſtenz froh machten — o! ſo laſſet
uns doch dieſe gluͤckliche Periode bey unſern Kin¬
dern zu verlaͤngern trachten, und ſoviel moͤglich
Theil nehmen an ihren Wonnegefuͤhlen! Mit
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/121>, abgerufen am 23.11.2024.
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