Endlich wünschte ich auch, daß zahlreiche Familien in mittlern Städten nicht so bestän¬ dig nur unter sich leben mögten, dadurch die Gesellschaft in kleine abgesonderte Theile zer¬ schnitten, trennten, und Menschen, die nicht mit ihnen verwandt noch verschwägert sind, von sich entfernten, so, daß, wenn von ohnge¬ fehr ein Fremder unter sie geräth, derselbe wie verrathen und verkauft ist.
Doch nun noch ein Paar Anmerkungen! Die erste: Alte Vettern und Tanten, beson¬ ders unverheyrathete, pflegen so gern zu hof¬ meistern, ihre podagrischen und histerischen Launen an ihren erwachsenen Nichten und Neffen auszulassen, und Diese zu behandeln, als liefen sie noch im Rollwägelchen herum. Ich denke, das sollten sie bleiben lassen. Da¬ durch sind würklich die alten Tanten und On¬ kels zu einem Sprüchworte geworden, und manche geringe Erbschaft wird zu theuer er¬ kauft, wenn man dafür so viel einschläfernde, würkungslose Predigten anhören muß, dahin¬ gegen die guten alten Leute von ihren jungen Verwandten mit Freuden liebevoll gepflegt
und
Endlich wuͤnſchte ich auch, daß zahlreiche Familien in mittlern Staͤdten nicht ſo beſtaͤn¬ dig nur unter ſich leben moͤgten, dadurch die Geſellſchaft in kleine abgeſonderte Theile zer¬ ſchnitten, trennten, und Menſchen, die nicht mit ihnen verwandt noch verſchwaͤgert ſind, von ſich entfernten, ſo, daß, wenn von ohnge¬ fehr ein Fremder unter ſie geraͤth, derſelbe wie verrathen und verkauft iſt.
Doch nun noch ein Paar Anmerkungen! Die erſte: Alte Vettern und Tanten, beſon¬ ders unverheyrathete, pflegen ſo gern zu hof¬ meiſtern, ihre podagriſchen und hiſteriſchen Launen an ihren erwachſenen Nichten und Neffen auszulaſſen, und Dieſe zu behandeln, als liefen ſie noch im Rollwaͤgelchen herum. Ich denke, das ſollten ſie bleiben laſſen. Da¬ durch ſind wuͤrklich die alten Tanten und On¬ kels zu einem Spruͤchworte geworden, und manche geringe Erbſchaft wird zu theuer er¬ kauft, wenn man dafuͤr ſo viel einſchlaͤfernde, wuͤrkungsloſe Predigten anhoͤren muß, dahin¬ gegen die guten alten Leute von ihren jungen Verwandten mit Freuden liebevoll gepflegt
und
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Endlich wuͤnſchte ich auch, daß zahlreiche
Familien in mittlern Staͤdten nicht ſo beſtaͤn¬
dig nur unter ſich leben moͤgten, dadurch die
Geſellſchaft in kleine abgeſonderte Theile zer¬
ſchnitten, trennten, und Menſchen, die nicht
mit ihnen verwandt noch verſchwaͤgert ſind,
von ſich entfernten, ſo, daß, wenn von ohnge¬
fehr ein Fremder unter ſie geraͤth, derſelbe
wie verrathen und verkauft iſt.
Doch nun noch ein Paar Anmerkungen!
Die erſte: Alte Vettern und Tanten, beſon¬
ders unverheyrathete, pflegen ſo gern zu hof¬
meiſtern, ihre podagriſchen und hiſteriſchen
Launen an ihren erwachſenen Nichten und
Neffen auszulaſſen, und Dieſe zu behandeln,
als liefen ſie noch im Rollwaͤgelchen herum.
Ich denke, das ſollten ſie bleiben laſſen. Da¬
durch ſind wuͤrklich die alten Tanten und On¬
kels zu einem Spruͤchworte geworden, und
manche geringe Erbſchaft wird zu theuer er¬
kauft, wenn man dafuͤr ſo viel einſchlaͤfernde,
wuͤrkungsloſe Predigten anhoͤren muß, dahin¬
gegen die guten alten Leute von ihren jungen
Verwandten mit Freuden liebevoll gepflegt
und
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/142>, abgerufen am 23.11.2024.
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