schwätzt; so sollte man sich beynahe verwun¬ dern darüber, daß es noch so viel glückli¬ che Ehen in der Welt giebt. Aber die weise Vorsehung hat alles so herrlich geordnet, daß eben das, was diesem Glücke im Wege zu stehn scheint, dasselbe vielmehr befördert. Ist man in den Jahren der Jugend weniger geschickt zu weiser Wahl; so ist man dagegen von der an¬ dern Seite auch noch geschmeidiger, leichter zu leiten, zu bilden, und nachgiebiger, als in dem reifern Alter. Die Ecken -- mögten sie auch noch so scharf seyn! -- schleifen sich leich¬ ter ab an einander und fügen sich, wenn der Stoff noch weich ist. Man nimt die Sachen nicht so genau, als nachher, wenn Erfahrung und Schicksale uns eckel, vorsichtig gemacht, und große Forderungen in uns erweckt haben; wenn die kältere Vernunft alles abwägt, jeden Dieb¬ stahl an Genuß sehr hoch anrechnet, calculiert, wie wenig Jahre man vielleicht noch zu leben hat, und wie geizig man mit Zeit und Vergnü¬ gen seyn muß. Entstehen unter jungen Ehe¬ leuten gern Zwistigkeiten; so ist auch die Ver¬ söhnung desto leichter gestiftet. Widerwillen und Zorn fassen nicht so feste Wurzel, und
wenn
ſchwaͤtzt; ſo ſollte man ſich beynahe verwun¬ dern daruͤber, daß es noch ſo viel gluͤckli¬ che Ehen in der Welt giebt. Aber die weiſe Vorſehung hat alles ſo herrlich geordnet, daß eben das, was dieſem Gluͤcke im Wege zu ſtehn ſcheint, daſſelbe vielmehr befoͤrdert. Iſt man in den Jahren der Jugend weniger geſchickt zu weiſer Wahl; ſo iſt man dagegen von der an¬ dern Seite auch noch geſchmeidiger, leichter zu leiten, zu bilden, und nachgiebiger, als in dem reifern Alter. Die Ecken — moͤgten ſie auch noch ſo ſcharf ſeyn! — ſchleifen ſich leich¬ ter ab an einander und fuͤgen ſich, wenn der Stoff noch weich iſt. Man nimt die Sachen nicht ſo genau, als nachher, wenn Erfahrung und Schickſale uns eckel, vorſichtig gemacht, und große Forderungen in uns erweckt haben; wenn die kaͤltere Vernunft alles abwaͤgt, jeden Dieb¬ ſtahl an Genuß ſehr hoch anrechnet, calculiert, wie wenig Jahre man vielleicht noch zu leben hat, und wie geizig man mit Zeit und Vergnuͤ¬ gen ſeyn muß. Entſtehen unter jungen Ehe¬ leuten gern Zwiſtigkeiten; ſo iſt auch die Ver¬ ſoͤhnung deſto leichter geſtiftet. Widerwillen und Zorn faſſen nicht ſo feſte Wurzel, und
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ſchwaͤtzt; ſo ſollte man ſich beynahe verwun¬
dern daruͤber, daß es noch ſo viel gluͤckli¬
che Ehen in der Welt giebt. Aber die weiſe
Vorſehung hat alles ſo herrlich geordnet, daß
eben das, was dieſem Gluͤcke im Wege zu ſtehn
ſcheint, daſſelbe vielmehr befoͤrdert. Iſt man
in den Jahren der Jugend weniger geſchickt zu
weiſer Wahl; ſo iſt man dagegen von der an¬
dern Seite auch noch geſchmeidiger, leichter
zu leiten, zu bilden, und nachgiebiger, als in
dem reifern Alter. Die Ecken — moͤgten ſie
auch noch ſo ſcharf ſeyn! — ſchleifen ſich leich¬
ter ab an einander und fuͤgen ſich, wenn der
Stoff noch weich iſt. Man nimt die Sachen
nicht ſo genau, als nachher, wenn Erfahrung
und Schickſale uns eckel, vorſichtig gemacht, und
große Forderungen in uns erweckt haben; wenn
die kaͤltere Vernunft alles abwaͤgt, jeden Dieb¬
ſtahl an Genuß ſehr hoch anrechnet, calculiert,
wie wenig Jahre man vielleicht noch zu leben
hat, und wie geizig man mit Zeit und Vergnuͤ¬
gen ſeyn muß. Entſtehen unter jungen Ehe¬
leuten gern Zwiſtigkeiten; ſo iſt auch die Ver¬
ſoͤhnung deſto leichter geſtiftet. Widerwillen
und Zorn faſſen nicht ſo feſte Wurzel, und
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/146>, abgerufen am 23.11.2024.
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