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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788.

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Freunde und Freundinnen, dürft kein Inter¬
resse empfinden für kein Geschöpf auf der Welt,
als für die werthe Ehehälfte, und es sey Ver¬
brechen gegen die eheliche Pflicht, mit Wärme,
Zärtlichkeit und Theilnahme von und mit an¬
dern Personen zu reden. Diese Forderungen
werden doppelt abgeschmackt bey einer unglei¬
chen Ehe, wo von der einen Seite schon Auf¬
opferungen mancher Art Statt finden. Wenn
da der eine Theil, um sich in dem Umgange
mit liebenswürdigen Leuten aufzuheitern, auf
einen Augenblick sein Unglück zu vergessen,
und neue Kräfte zum Ausdauern zu sammlen,
seinen Geist zu erheben und wieder zu erwär¬
men, in die Arme zärtlicher, ihm wahrhaftig
treu ergebener Freunde eilt; so sollte der an¬
dre Theil ihm dafür danken, nicht durch när¬
risches Betragen, oder gar durch Vorwürfe, den
Gatten die Gattinn kränken, zur Verzweif¬
lung bringen, und endlich zu würklichen Verbre¬
chen verleiten.

9.

Die Wahl aber dieser Freunde muß dem
Herzen, so wie die Wahl sittlicher Vergnü¬
gungen und unschuldiger Liebhabereyen dem

Ge¬
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Freunde und Freundinnen, duͤrft kein Inter¬
reſſe empfinden fuͤr kein Geſchoͤpf auf der Welt,
als fuͤr die werthe Ehehaͤlfte, und es ſey Ver¬
brechen gegen die eheliche Pflicht, mit Waͤrme,
Zaͤrtlichkeit und Theilnahme von und mit an¬
dern Perſonen zu reden. Dieſe Forderungen
werden doppelt abgeſchmackt bey einer unglei¬
chen Ehe, wo von der einen Seite ſchon Auf¬
opferungen mancher Art Statt finden. Wenn
da der eine Theil, um ſich in dem Umgange
mit liebenswuͤrdigen Leuten aufzuheitern, auf
einen Augenblick ſein Ungluͤck zu vergeſſen,
und neue Kraͤfte zum Ausdauern zu ſammlen,
ſeinen Geiſt zu erheben und wieder zu erwaͤr¬
men, in die Arme zaͤrtlicher, ihm wahrhaftig
treu ergebener Freunde eilt; ſo ſollte der an¬
dre Theil ihm dafuͤr danken, nicht durch naͤr¬
riſches Betragen, oder gar durch Vorwuͤrfe, den
Gatten die Gattinn kraͤnken, zur Verzweif¬
lung bringen, und endlich zu wuͤrklichen Verbre¬
chen verleiten.

9.

Die Wahl aber dieſer Freunde muß dem
Herzen, ſo wie die Wahl ſittlicher Vergnuͤ¬
gungen und unſchuldiger Liebhabereyen dem

Ge¬
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[131/0161] Freunde und Freundinnen, duͤrft kein Inter¬ reſſe empfinden fuͤr kein Geſchoͤpf auf der Welt, als fuͤr die werthe Ehehaͤlfte, und es ſey Ver¬ brechen gegen die eheliche Pflicht, mit Waͤrme, Zaͤrtlichkeit und Theilnahme von und mit an¬ dern Perſonen zu reden. Dieſe Forderungen werden doppelt abgeſchmackt bey einer unglei¬ chen Ehe, wo von der einen Seite ſchon Auf¬ opferungen mancher Art Statt finden. Wenn da der eine Theil, um ſich in dem Umgange mit liebenswuͤrdigen Leuten aufzuheitern, auf einen Augenblick ſein Ungluͤck zu vergeſſen, und neue Kraͤfte zum Ausdauern zu ſammlen, ſeinen Geiſt zu erheben und wieder zu erwaͤr¬ men, in die Arme zaͤrtlicher, ihm wahrhaftig treu ergebener Freunde eilt; ſo ſollte der an¬ dre Theil ihm dafuͤr danken, nicht durch naͤr¬ riſches Betragen, oder gar durch Vorwuͤrfe, den Gatten die Gattinn kraͤnken, zur Verzweif¬ lung bringen, und endlich zu wuͤrklichen Verbre¬ chen verleiten. 9. Die Wahl aber dieſer Freunde muß dem Herzen, ſo wie die Wahl ſittlicher Vergnuͤ¬ gungen und unſchuldiger Liebhabereyen dem Ge¬ I 2

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Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/161>, abgerufen am 28.11.2024.