Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

Alter der Frauenzimmer ein kitzlicher Punct;
Man thut am besten, diese Saite gar nicht zu
rühren. Wenn man übrigens die Kunst ver¬
steht, ihnen Gelegenheit zu geben, zu glänzen;
so bedarf man weiter keiner Unterhaltung, und
man wird ihnen gewiß nicht unangenehm seyn.
-- Ist das nicht bey allen Menschen mehr
oder weniger der Fall? Gewiß! doch bey Wei¬
bern öfter, weil man wohl ohne Sünde ein
wenig mehr Eitelkeit auf Rechnung ihres Ge¬
schlechts schreiben, als dem unsrigen Schuld
geben darf.

9.

Ein großes Ressort im weiblichen Charac¬
ter ist die Neugier. Auch darauf muß man zu
rechter Zeit im Umgange mit ihnen zu würken,
und dies Bedürfniß nach den Umständen zu
erwecken, zu beschäftigen und zu befriedigen
verstehn. Sonderbar genug ist es, wie weit
oft Vorwitz und Neugier bey ihnen gehen.
Auch die mitleidigsten Seelen unter ihnen em¬
pfinden zuweilen einen unbezwinglichen Trieb,
schreckliche Scenen, Executionen, Operationen,
Wunden und dergleichen anzuschauen, jäm¬

mer¬

Alter der Frauenzimmer ein kitzlicher Punct;
Man thut am beſten, dieſe Saite gar nicht zu
ruͤhren. Wenn man uͤbrigens die Kunſt ver¬
ſteht, ihnen Gelegenheit zu geben, zu glaͤnzen;
ſo bedarf man weiter keiner Unterhaltung, und
man wird ihnen gewiß nicht unangenehm ſeyn.
— Iſt das nicht bey allen Menſchen mehr
oder weniger der Fall? Gewiß! doch bey Wei¬
bern oͤfter, weil man wohl ohne Suͤnde ein
wenig mehr Eitelkeit auf Rechnung ihres Ge¬
ſchlechts ſchreiben, als dem unſrigen Schuld
geben darf.

9.

Ein großes Reſſort im weiblichen Charac¬
ter iſt die Neugier. Auch darauf muß man zu
rechter Zeit im Umgange mit ihnen zu wuͤrken,
und dies Beduͤrfniß nach den Umſtaͤnden zu
erwecken, zu beſchaͤftigen und zu befriedigen
verſtehn. Sonderbar genug iſt es, wie weit
oft Vorwitz und Neugier bey ihnen gehen.
Auch die mitleidigſten Seelen unter ihnen em¬
pfinden zuweilen einen unbezwinglichen Trieb,
ſchreckliche Scenen, Executionen, Operationen,
Wunden und dergleichen anzuſchauen, jaͤm¬

mer¬
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0212" n="182"/>
Alter der Frauenzimmer ein kitzlicher Punct;<lb/>
Man thut am be&#x017F;ten, die&#x017F;e Saite gar nicht zu<lb/>
ru&#x0364;hren. Wenn man u&#x0364;brigens die Kun&#x017F;t ver¬<lb/>
&#x017F;teht, ihnen Gelegenheit zu geben, zu gla&#x0364;nzen;<lb/>
&#x017F;o bedarf man weiter keiner Unterhaltung, und<lb/>
man wird ihnen gewiß nicht unangenehm &#x017F;eyn.<lb/>
&#x2014; I&#x017F;t das nicht bey allen Men&#x017F;chen mehr<lb/>
oder weniger der Fall? Gewiß! doch bey Wei¬<lb/>
bern o&#x0364;fter, weil man wohl ohne Su&#x0364;nde ein<lb/>
wenig mehr Eitelkeit auf Rechnung ihres Ge¬<lb/>
&#x017F;chlechts &#x017F;chreiben, als dem un&#x017F;rigen Schuld<lb/>
geben darf.</p><lb/>
          </div>
          <div n="3">
            <head>9.<lb/></head>
            <p>Ein großes Re&#x017F;&#x017F;ort im weiblichen Charac¬<lb/>
ter i&#x017F;t die Neugier. Auch darauf muß man zu<lb/>
rechter Zeit im Umgange mit ihnen zu wu&#x0364;rken,<lb/>
und dies Bedu&#x0364;rfniß nach den Um&#x017F;ta&#x0364;nden zu<lb/>
erwecken, zu be&#x017F;cha&#x0364;ftigen und zu befriedigen<lb/>
ver&#x017F;tehn. Sonderbar genug i&#x017F;t es, wie weit<lb/>
oft Vorwitz und Neugier bey ihnen gehen.<lb/>
Auch die mitleidig&#x017F;ten Seelen unter ihnen em¬<lb/>
pfinden zuweilen einen unbezwinglichen Trieb,<lb/>
&#x017F;chreckliche Scenen, Executionen, Operationen,<lb/>
Wunden und dergleichen anzu&#x017F;chauen, ja&#x0364;<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mer¬<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[182/0212] Alter der Frauenzimmer ein kitzlicher Punct; Man thut am beſten, dieſe Saite gar nicht zu ruͤhren. Wenn man uͤbrigens die Kunſt ver¬ ſteht, ihnen Gelegenheit zu geben, zu glaͤnzen; ſo bedarf man weiter keiner Unterhaltung, und man wird ihnen gewiß nicht unangenehm ſeyn. — Iſt das nicht bey allen Menſchen mehr oder weniger der Fall? Gewiß! doch bey Wei¬ bern oͤfter, weil man wohl ohne Suͤnde ein wenig mehr Eitelkeit auf Rechnung ihres Ge¬ ſchlechts ſchreiben, als dem unſrigen Schuld geben darf. 9. Ein großes Reſſort im weiblichen Charac¬ ter iſt die Neugier. Auch darauf muß man zu rechter Zeit im Umgange mit ihnen zu wuͤrken, und dies Beduͤrfniß nach den Umſtaͤnden zu erwecken, zu beſchaͤftigen und zu befriedigen verſtehn. Sonderbar genug iſt es, wie weit oft Vorwitz und Neugier bey ihnen gehen. Auch die mitleidigſten Seelen unter ihnen em¬ pfinden zuweilen einen unbezwinglichen Trieb, ſchreckliche Scenen, Executionen, Operationen, Wunden und dergleichen anzuſchauen, jaͤm¬ mer¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/212
Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/212>, abgerufen am 21.11.2024.