"so vollkommene Harmonie Statt, als zu "Knüpfung des Freundschaftsbandes erfordert "werde."
Diese Bemerkungen enthalten viel Wah¬ res, doch habe ich schon zärtliche und dauer¬ hafte Freundschaften unter Leuten wahrgenom¬ men, die weder dem Alter noch dem Stande nach sich ähnlich waren, und wenn man sich an dasjenige erinnert, was ich zu Anfange des zweyten Capittels gesagt habe; so wird man dies leicht erklären können. Es giebt junge Greise und alte Jünglinge; Feine Er¬ ziehung, Mäßigkeit in Wünschen, Freyheit in Denkungsart und Unabhängigkeit der Lage erheben den Bettler zu einem Mann von ho¬ hem Stande, so wie verachtungswürdige Sit¬ ten, unedle Begierden und niedrige Gesinnun¬ gen, selbst einen Fürsten zu dem Pöbel herab¬ würdigen können. Das aber ist zuverlässig gewiß, daß zu einer dauerhaften, innigen Freundschaft, Gleichheit in Grundsätzen und Empfindungen erfordert wird, und daß die¬ selbe auch bey einer zu großen Verschiedenheit in Fähigkeiten und Kenntnissen nicht leicht Platz finden kann. Fällt nicht eine der höch¬
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„ſo vollkommene Harmonie Statt, als zu „Knuͤpfung des Freundſchaftsbandes erfordert „werde.“
Dieſe Bemerkungen enthalten viel Wah¬ res, doch habe ich ſchon zaͤrtliche und dauer¬ hafte Freundſchaften unter Leuten wahrgenom¬ men, die weder dem Alter noch dem Stande nach ſich aͤhnlich waren, und wenn man ſich an dasjenige erinnert, was ich zu Anfange des zweyten Capittels geſagt habe; ſo wird man dies leicht erklaͤren koͤnnen. Es giebt junge Greiſe und alte Juͤnglinge; Feine Er¬ ziehung, Maͤßigkeit in Wuͤnſchen, Freyheit in Denkungsart und Unabhaͤngigkeit der Lage erheben den Bettler zu einem Mann von ho¬ hem Stande, ſo wie verachtungswuͤrdige Sit¬ ten, unedle Begierden und niedrige Geſinnun¬ gen, ſelbſt einen Fuͤrſten zu dem Poͤbel herab¬ wuͤrdigen koͤnnen. Das aber iſt zuverlaͤſſig gewiß, daß zu einer dauerhaften, innigen Freundſchaft, Gleichheit in Grundſaͤtzen und Empfindungen erfordert wird, und daß die¬ ſelbe auch bey einer zu großen Verſchiedenheit in Faͤhigkeiten und Kenntniſſen nicht leicht Platz finden kann. Faͤllt nicht eine der hoͤch¬
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„ſo vollkommene Harmonie Statt, als zu
„Knuͤpfung des Freundſchaftsbandes erfordert
„werde.“
Dieſe Bemerkungen enthalten viel Wah¬
res, doch habe ich ſchon zaͤrtliche und dauer¬
hafte Freundſchaften unter Leuten wahrgenom¬
men, die weder dem Alter noch dem Stande
nach ſich aͤhnlich waren, und wenn man ſich
an dasjenige erinnert, was ich zu Anfange
des zweyten Capittels geſagt habe; ſo wird
man dies leicht erklaͤren koͤnnen. Es giebt
junge Greiſe und alte Juͤnglinge; Feine Er¬
ziehung, Maͤßigkeit in Wuͤnſchen, Freyheit
in Denkungsart und Unabhaͤngigkeit der Lage
erheben den Bettler zu einem Mann von ho¬
hem Stande, ſo wie verachtungswuͤrdige Sit¬
ten, unedle Begierden und niedrige Geſinnun¬
gen, ſelbſt einen Fuͤrſten zu dem Poͤbel herab¬
wuͤrdigen koͤnnen. Das aber iſt zuverlaͤſſig
gewiß, daß zu einer dauerhaften, innigen
Freundſchaft, Gleichheit in Grundſaͤtzen und
Empfindungen erfordert wird, und daß die¬
ſelbe auch bey einer zu großen Verſchiedenheit
in Faͤhigkeiten und Kenntniſſen nicht leicht
Platz finden kann. Faͤllt nicht eine der hoͤch¬
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/262>, abgerufen am 24.11.2024.
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