hindern, daß durch ein zu großes Gewicht von Wohlthaten auf Einer Seite ein Freund dem andern gleichsam unterwürfig werde. Verbind¬ lichkeiten von der Art sind der Freyheit, der uneingeschränkten Wahl entgegen, auf welcher die Freundschaft beruhn soll. Sie bringen etwas in dies Bündniß hinein, das nicht hinein gehört, nemlich die Dankbarkeit, welche nicht freywillig, sondern Pflicht ist. Man hat sel¬ ten den Muth, so kühn und offenherzig mit dem Wohlthäter zu reden, als mit dem Freunde. Dazu kömmt, daß wenn ich einen Freund um eine Gefälligkeit bitte, er aus Delicatesse mir nicht gern abschlägt, was er vielleicht einem Fremden abschlagen würde. Also sey man äus¬ serst eckel in Erheischung und Annahme von Freundschafts-Diensten! Man suche lieber in Fällen, wo irgend eine solche Bedenklichkeit Statt finden mögte, Hülfe bey Fremden, be¬ sonders in Geldsachen! Doch giebt es Fälle, in denen man ohne Scheu sich an Freunde wen¬ den muß, nemlich, wenn die Freundschafts Dienste, deren wir bedürfen, von der Art sind, daß der Freund sie uns ohne Ungemäch¬ lichkeit erweisen, oder ohne uns in Verlegen¬
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hindern, daß durch ein zu großes Gewicht von Wohlthaten auf Einer Seite ein Freund dem andern gleichſam unterwuͤrfig werde. Verbind¬ lichkeiten von der Art ſind der Freyheit, der uneingeſchraͤnkten Wahl entgegen, auf welcher die Freundſchaft beruhn ſoll. Sie bringen etwas in dies Buͤndniß hinein, das nicht hinein gehoͤrt, nemlich die Dankbarkeit, welche nicht freywillig, ſondern Pflicht iſt. Man hat ſel¬ ten den Muth, ſo kuͤhn und offenherzig mit dem Wohlthaͤter zu reden, als mit dem Freunde. Dazu koͤmmt, daß wenn ich einen Freund um eine Gefaͤlligkeit bitte, er aus Delicateſſe mir nicht gern abſchlaͤgt, was er vielleicht einem Fremden abſchlagen wuͤrde. Alſo ſey man aͤuſ¬ ſerſt eckel in Erheiſchung und Annahme von Freundſchafts-Dienſten! Man ſuche lieber in Faͤllen, wo irgend eine ſolche Bedenklichkeit Statt finden moͤgte, Huͤlfe bey Fremden, be¬ ſonders in Geldſachen! Doch giebt es Faͤlle, in denen man ohne Scheu ſich an Freunde wen¬ den muß, nemlich, wenn die Freundſchafts Dienſte, deren wir beduͤrfen, von der Art ſind, daß der Freund ſie uns ohne Ungemaͤch¬ lichkeit erweiſen, oder ohne uns in Verlegen¬
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hindern, daß durch ein zu großes Gewicht von
Wohlthaten auf Einer Seite ein Freund dem
andern gleichſam unterwuͤrfig werde. Verbind¬
lichkeiten von der Art ſind der Freyheit, der
uneingeſchraͤnkten Wahl entgegen, auf welcher
die Freundſchaft beruhn ſoll. Sie bringen
etwas in dies Buͤndniß hinein, das nicht hinein
gehoͤrt, nemlich die Dankbarkeit, welche nicht
freywillig, ſondern Pflicht iſt. Man hat ſel¬
ten den Muth, ſo kuͤhn und offenherzig mit
dem Wohlthaͤter zu reden, als mit dem Freunde.
Dazu koͤmmt, daß wenn ich einen Freund
um eine Gefaͤlligkeit bitte, er aus Delicateſſe
mir nicht gern abſchlaͤgt, was er vielleicht einem
Fremden abſchlagen wuͤrde. Alſo ſey man aͤuſ¬
ſerſt eckel in Erheiſchung und Annahme von
Freundſchafts-Dienſten! Man ſuche lieber
in Faͤllen, wo irgend eine ſolche Bedenklichkeit
Statt finden moͤgte, Huͤlfe bey Fremden, be¬
ſonders in Geldſachen! Doch giebt es Faͤlle,
in denen man ohne Scheu ſich an Freunde wen¬
den muß, nemlich, wenn die Freundſchafts
Dienſte, deren wir beduͤrfen, von der Art
ſind, daß der Freund ſie uns ohne Ungemaͤch¬
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/279>, abgerufen am 24.11.2024.
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