diesem Endzwecke wähle man die nemlichen Mittel, die ich bey jener Gelegenheit vorge¬ schlagen habe! Man sehe sich nicht so übermäs¬ sig oft, daß die Gesellschaft unsers Freundes aufhört Wohlthat, daß sie anfängt etwas All¬ tägliches für uns zu werden, daß wir zu ge¬ naue Bekanntschaft mit den kleinen Fehlern des Freundes machen, deren jeder Mensch mehr oder weniger hat, die auch nicht so sehr auf¬ fallen, wenn man nicht immer mit einander lebt, die aber bey manchen Stimmungen und Launen auf die Länge von nachtheiliger Wür¬ kung seyn können! Diese Vorsicht ist noch nö¬ thiger in der Freundschaft, als in der Ehe, da in jener nicht, wie in dieser, andre Rücksichten und der Gedanke, daß, man nun einmal auf die ganze Lebenszeit mit einander zu Freude und Leid, zu gemeinschaftlicher Ertragung, und um Ein Leib und Eine Seele zu seyn, ver¬ eint ist; da, sage ich, dieser Gedanke und man¬ ches andre Band der Liebe, in der Freundschaft wegfällt, folglich die Beständigkeit derselben von feiner Schonung abhängt. Es ist wahr, daß jene unangenehmen Eindrücke bey edeln und verständigen Menschen nicht von Dauer
sind,
dieſem Endzwecke waͤhle man die nemlichen Mittel, die ich bey jener Gelegenheit vorge¬ ſchlagen habe! Man ſehe ſich nicht ſo uͤbermaͤs¬ ſig oft, daß die Geſellſchaft unſers Freundes aufhoͤrt Wohlthat, daß ſie anfaͤngt etwas All¬ taͤgliches fuͤr uns zu werden, daß wir zu ge¬ naue Bekanntſchaft mit den kleinen Fehlern des Freundes machen, deren jeder Menſch mehr oder weniger hat, die auch nicht ſo ſehr auf¬ fallen, wenn man nicht immer mit einander lebt, die aber bey manchen Stimmungen und Launen auf die Laͤnge von nachtheiliger Wuͤr¬ kung ſeyn koͤnnen! Dieſe Vorſicht iſt noch noͤ¬ thiger in der Freundſchaft, als in der Ehe, da in jener nicht, wie in dieſer, andre Ruͤckſichten und der Gedanke, daß, man nun einmal auf die ganze Lebenszeit mit einander zu Freude und Leid, zu gemeinſchaftlicher Ertragung, und um Ein Leib und Eine Seele zu ſeyn, ver¬ eint iſt; da, ſage ich, dieſer Gedanke und man¬ ches andre Band der Liebe, in der Freundſchaft wegfaͤllt, folglich die Beſtaͤndigkeit derſelben von feiner Schonung abhaͤngt. Es iſt wahr, daß jene unangenehmen Eindruͤcke bey edeln und verſtaͤndigen Menſchen nicht von Dauer
ſind,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0281"n="251"/>
dieſem Endzwecke waͤhle man die nemlichen<lb/>
Mittel, die ich bey jener Gelegenheit vorge¬<lb/>ſchlagen habe! Man ſehe ſich nicht ſo uͤbermaͤs¬<lb/>ſig oft, daß die Geſellſchaft unſers Freundes<lb/>
aufhoͤrt Wohlthat, daß ſie anfaͤngt etwas All¬<lb/>
taͤgliches fuͤr uns zu werden, daß wir zu ge¬<lb/>
naue Bekanntſchaft mit den kleinen Fehlern<lb/>
des Freundes machen, deren jeder Menſch mehr<lb/>
oder weniger hat, die auch nicht ſo ſehr auf¬<lb/>
fallen, wenn man nicht immer mit einander<lb/>
lebt, die aber bey manchen Stimmungen und<lb/>
Launen auf die Laͤnge von nachtheiliger Wuͤr¬<lb/>
kung ſeyn koͤnnen! Dieſe Vorſicht iſt noch noͤ¬<lb/>
thiger in der Freundſchaft, als in der Ehe, da<lb/>
in jener nicht, wie in dieſer, andre Ruͤckſichten<lb/>
und der Gedanke, daß, man nun einmal auf<lb/>
die ganze Lebenszeit mit einander zu Freude<lb/>
und Leid, zu gemeinſchaftlicher Ertragung,<lb/>
und um Ein Leib und Eine Seele zu ſeyn, ver¬<lb/>
eint iſt; da, ſage ich, dieſer Gedanke und man¬<lb/>
ches andre Band der Liebe, in der Freundſchaft<lb/>
wegfaͤllt, folglich die Beſtaͤndigkeit derſelben<lb/>
von feiner Schonung abhaͤngt. Es iſt wahr,<lb/>
daß jene unangenehmen Eindruͤcke bey edeln<lb/>
und verſtaͤndigen Menſchen nicht von Dauer<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſind,<lb/></fw></p></div></div></div></body></text></TEI>
[251/0281]
dieſem Endzwecke waͤhle man die nemlichen
Mittel, die ich bey jener Gelegenheit vorge¬
ſchlagen habe! Man ſehe ſich nicht ſo uͤbermaͤs¬
ſig oft, daß die Geſellſchaft unſers Freundes
aufhoͤrt Wohlthat, daß ſie anfaͤngt etwas All¬
taͤgliches fuͤr uns zu werden, daß wir zu ge¬
naue Bekanntſchaft mit den kleinen Fehlern
des Freundes machen, deren jeder Menſch mehr
oder weniger hat, die auch nicht ſo ſehr auf¬
fallen, wenn man nicht immer mit einander
lebt, die aber bey manchen Stimmungen und
Launen auf die Laͤnge von nachtheiliger Wuͤr¬
kung ſeyn koͤnnen! Dieſe Vorſicht iſt noch noͤ¬
thiger in der Freundſchaft, als in der Ehe, da
in jener nicht, wie in dieſer, andre Ruͤckſichten
und der Gedanke, daß, man nun einmal auf
die ganze Lebenszeit mit einander zu Freude
und Leid, zu gemeinſchaftlicher Ertragung,
und um Ein Leib und Eine Seele zu ſeyn, ver¬
eint iſt; da, ſage ich, dieſer Gedanke und man¬
ches andre Band der Liebe, in der Freundſchaft
wegfaͤllt, folglich die Beſtaͤndigkeit derſelben
von feiner Schonung abhaͤngt. Es iſt wahr,
daß jene unangenehmen Eindruͤcke bey edeln
und verſtaͤndigen Menſchen nicht von Dauer
ſind,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/281>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.