Dies kann durch einen Vorrath guter Bücher, die neuen Stoff zur Unterhaltung geben, durch interessanten Briefwechsel mit abwesenden Edeln und durch weise Eintheilung der Zeit, indem man manche Tagesfristen einzeln in sei¬ nen Zimmern zubringt, gehoben werden, und nichts ist süßer auf dem Lande, als wenn, nach einem nützlich verlebten Tage, wo Jeder für sich seine Geschäfte besorgt hat, des Abends sich der kleine Cirkel zum Spatziergange, muntern Scherze und zwanglosen Gespräche wieder ver¬ sammlet. Es giebt selbst Prinzen, die diesen Genuß kennen, und ich habe noch vor nicht gar langer Zeit am Fuße der vogesischen Gebürge einige Wochen an dem Hofe eines guten und klugen Fürsten auf diese Art sehr glücklich hinge¬ bracht.
Nichts aber ist erschrecklicher und doch häu¬ figer zu finden, als wenn Menschen, die in klei¬ nen Städten oder gar auf dem platten Lande täglich miteinander umgehn müssen, in ewi¬ gem Zwiste mit einander leben, und dabey doch nicht reich genug sind, sich Jeder für sich eine besondre Existenz zu schaffen. Sie bauen sich eine Hölle auf Erden. Nirgends also ist es
so
Dies kann durch einen Vorrath guter Buͤcher, die neuen Stoff zur Unterhaltung geben, durch intereſſanten Briefwechſel mit abweſenden Edeln und durch weiſe Eintheilung der Zeit, indem man manche Tagesfriſten einzeln in ſei¬ nen Zimmern zubringt, gehoben werden, und nichts iſt ſuͤßer auf dem Lande, als wenn, nach einem nuͤtzlich verlebten Tage, wo Jeder fuͤr ſich ſeine Geſchaͤfte beſorgt hat, des Abends ſich der kleine Cirkel zum Spatziergange, muntern Scherze und zwangloſen Geſpraͤche wieder ver¬ ſammlet. Es giebt ſelbſt Prinzen, die dieſen Genuß kennen, und ich habe noch vor nicht gar langer Zeit am Fuße der vogeſiſchen Gebuͤrge einige Wochen an dem Hofe eines guten und klugen Fuͤrſten auf dieſe Art ſehr gluͤcklich hinge¬ bracht.
Nichts aber iſt erſchrecklicher und doch haͤu¬ figer zu finden, als wenn Menſchen, die in klei¬ nen Staͤdten oder gar auf dem platten Lande taͤglich miteinander umgehn muͤſſen, in ewi¬ gem Zwiſte mit einander leben, und dabey doch nicht reich genug ſind, ſich Jeder fuͤr ſich eine beſondre Exiſtenz zu ſchaffen. Sie bauen ſich eine Hoͤlle auf Erden. Nirgends alſo iſt es
ſo
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[56/0086]
Dies kann durch einen Vorrath guter Buͤcher,
die neuen Stoff zur Unterhaltung geben, durch
intereſſanten Briefwechſel mit abweſenden
Edeln und durch weiſe Eintheilung der Zeit,
indem man manche Tagesfriſten einzeln in ſei¬
nen Zimmern zubringt, gehoben werden, und
nichts iſt ſuͤßer auf dem Lande, als wenn, nach
einem nuͤtzlich verlebten Tage, wo Jeder fuͤr
ſich ſeine Geſchaͤfte beſorgt hat, des Abends ſich
der kleine Cirkel zum Spatziergange, muntern
Scherze und zwangloſen Geſpraͤche wieder ver¬
ſammlet. Es giebt ſelbſt Prinzen, die dieſen
Genuß kennen, und ich habe noch vor nicht gar
langer Zeit am Fuße der vogeſiſchen Gebuͤrge
einige Wochen an dem Hofe eines guten und
klugen Fuͤrſten auf dieſe Art ſehr gluͤcklich hinge¬
bracht.
Nichts aber iſt erſchrecklicher und doch haͤu¬
figer zu finden, als wenn Menſchen, die in klei¬
nen Staͤdten oder gar auf dem platten Lande
taͤglich miteinander umgehn muͤſſen, in ewi¬
gem Zwiſte mit einander leben, und dabey doch
nicht reich genug ſind, ſich Jeder fuͤr ſich eine
beſondre Exiſtenz zu ſchaffen. Sie bauen ſich
eine Hoͤlle auf Erden. Nirgends alſo iſt es
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/86>, abgerufen am 16.02.2025.
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