lern, Malern und Bildhauern ist der casus ganz anders zu behandeln. Diese sind -- es versteht sich immer, daß ich in jeder Classe von Menschen die Bessern ausnehme -- wohl keine gefährliche, aber desto eitlere und oft sehr zu¬ dringliche und unsichre Leute. Weit entfernt zu fühlen, daß die schönen Künste, obgleich man ihnen nicht den Einfluß auf Herz und Sitten absprechen kann, doch am Ende zum Haupt¬ zwecke nur das Vergnügen haben, folglich im Werthe für das Glück der Welt, den höhern, wichtigern, ernsthaftern Wissenschaften nachstehn müssen; weit entfernt zu fühlen, daß, um wahr¬ haftig den Titel eines großen Mannes zu ver¬ dienen, man mehr verstehn und mehr müsse be¬ würken können, als Augen zu vergnügen, Oh¬ ren zu kitzeln, Phantasien zu erhitzen, und Herzgen in Aufruhr zu bringen, sehen sie ihre Kunst als das Einzige an, was des Bestrebens eines vernünftigen Menschen werth wäre, und es muß uns nicht befremden, wenn ein Tänzer, der höher besoldet wird, als ein Staatsminister, herzlich bedauert, daß Dieser nichts bessers ge¬ lernt habe. Der philosophischen Künstler, so wie Georg Benda Einer war, der bescheidenen
Vir¬
(Zweiter Th.)
lern, Malern und Bildhauern iſt der caſus ganz anders zu behandeln. Dieſe ſind — es verſteht ſich immer, daß ich in jeder Claſſe von Menſchen die Beſſern ausnehme — wohl keine gefaͤhrliche, aber deſto eitlere und oft ſehr zu¬ dringliche und unſichre Leute. Weit entfernt zu fuͤhlen, daß die ſchoͤnen Kuͤnſte, obgleich man ihnen nicht den Einfluß auf Herz und Sitten abſprechen kann, doch am Ende zum Haupt¬ zwecke nur das Vergnuͤgen haben, folglich im Werthe fuͤr das Gluͤck der Welt, den hoͤhern, wichtigern, ernſthaftern Wiſſenſchaften nachſtehn muͤſſen; weit entfernt zu fuͤhlen, daß, um wahr¬ haftig den Titel eines großen Mannes zu ver¬ dienen, man mehr verſtehn und mehr muͤſſe be¬ wuͤrken koͤnnen, als Augen zu vergnuͤgen, Oh¬ ren zu kitzeln, Phantaſien zu erhitzen, und Herzgen in Aufruhr zu bringen, ſehen ſie ihre Kunſt als das Einzige an, was des Beſtrebens eines vernuͤnftigen Menſchen werth waͤre, und es muß uns nicht befremden, wenn ein Taͤnzer, der hoͤher beſoldet wird, als ein Staatsminiſter, herzlich bedauert, daß Dieſer nichts beſſers ge¬ lernt habe. Der philoſophiſchen Kuͤnſtler, ſo wie Georg Benda Einer war, der beſcheidenen
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(Zweiter Th.)
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lern, Malern und Bildhauern iſt der caſus
ganz anders zu behandeln. Dieſe ſind — es
verſteht ſich immer, daß ich in jeder Claſſe von
Menſchen die Beſſern ausnehme — wohl keine
gefaͤhrliche, aber deſto eitlere und oft ſehr zu¬
dringliche und unſichre Leute. Weit entfernt zu
fuͤhlen, daß die ſchoͤnen Kuͤnſte, obgleich man
ihnen nicht den Einfluß auf Herz und Sitten
abſprechen kann, doch am Ende zum Haupt¬
zwecke nur das Vergnuͤgen haben, folglich
im Werthe fuͤr das Gluͤck der Welt, den hoͤhern,
wichtigern, ernſthaftern Wiſſenſchaften nachſtehn
muͤſſen; weit entfernt zu fuͤhlen, daß, um wahr¬
haftig den Titel eines großen Mannes zu ver¬
dienen, man mehr verſtehn und mehr muͤſſe be¬
wuͤrken koͤnnen, als Augen zu vergnuͤgen, Oh¬
ren zu kitzeln, Phantaſien zu erhitzen, und
Herzgen in Aufruhr zu bringen, ſehen ſie ihre
Kunſt als das Einzige an, was des Beſtrebens
eines vernuͤnftigen Menſchen werth waͤre, und
es muß uns nicht befremden, wenn ein Taͤnzer,
der hoͤher beſoldet wird, als ein Staatsminiſter,
herzlich bedauert, daß Dieſer nichts beſſers ge¬
lernt habe. Der philoſophiſchen Kuͤnſtler, ſo
wie Georg Benda Einer war, der beſcheidenen
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/103>, abgerufen am 18.12.2024.
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