heit und Ordnung führt. Jenem drängen sie sich auf. Diesen fliehen sie. Bey dem allgemein einreissenden frivolen Geschmacke unsers Zeital¬ ters, bey der Vernachlässigung solider Wissen¬ schaften ist dies, wie ich glaube, ein Wort zu seiner Zeit geredet, mögte man mich auch des¬ wegen für einen Pedanten halten! Jeder seichte Kopf, der nur ein weiches Herzgen hat, den edeln Müßiggang und ein liederliches Leben liebt, legt sich heut zu Tage auf die schönen Wissen¬ schaften, glaubt Beruf zum Künstler zu haben, macht Verse, schreibt für das Theater, spielt ein Instrument, componiert, pinselt -- und so muß denn am Ende der Geschmack ausarten und die Kunst verächtlich werden. Deswegen sehen wir auch ganze Heerden solcher Künstler herumlau¬ fen, die nicht einmal mit den ersten theoretischen Grundsätzen ihrer Kunst bekannt sind; Musiker, die nicht wissen, aus welcher Tonart sie spielen, die nichts vorzutragen verstehen, als was sie auf ihrer Geige oder Pfeife auswendig gelernt haben; ohne philosophischen Geist, ohne gesunde Ver¬ nunft, ohne Studium, ohne wahres Natur- Gefühl, aber dagegen mit desto mehr Selbstge¬ nügsamkeit und Impertinenz ausgerüstet; unter
sich
heit und Ordnung fuͤhrt. Jenem draͤngen ſie ſich auf. Dieſen fliehen ſie. Bey dem allgemein einreiſſenden frivolen Geſchmacke unſers Zeital¬ ters, bey der Vernachlaͤſſigung ſolider Wiſſen¬ ſchaften iſt dies, wie ich glaube, ein Wort zu ſeiner Zeit geredet, moͤgte man mich auch des¬ wegen fuͤr einen Pedanten halten! Jeder ſeichte Kopf, der nur ein weiches Herzgen hat, den edeln Muͤßiggang und ein liederliches Leben liebt, legt ſich heut zu Tage auf die ſchoͤnen Wiſſen¬ ſchaften, glaubt Beruf zum Kuͤnſtler zu haben, macht Verſe, ſchreibt fuͤr das Theater, ſpielt ein Inſtrument, componiert, pinſelt — und ſo muß denn am Ende der Geſchmack ausarten und die Kunſt veraͤchtlich werden. Deswegen ſehen wir auch ganze Heerden ſolcher Kuͤnſtler herumlau¬ fen, die nicht einmal mit den erſten theoretiſchen Grundſaͤtzen ihrer Kunſt bekannt ſind; Muſiker, die nicht wiſſen, aus welcher Tonart ſie ſpielen, die nichts vorzutragen verſtehen, als was ſie auf ihrer Geige oder Pfeife auswendig gelernt haben; ohne philoſophiſchen Geiſt, ohne geſunde Ver¬ nunft, ohne Studium, ohne wahres Natur- Gefuͤhl, aber dagegen mit deſto mehr Selbſtge¬ nuͤgſamkeit und Impertinenz ausgeruͤſtet; unter
ſich
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heit und Ordnung fuͤhrt. Jenem draͤngen ſie
ſich auf. Dieſen fliehen ſie. Bey dem allgemein
einreiſſenden frivolen Geſchmacke unſers Zeital¬
ters, bey der Vernachlaͤſſigung ſolider Wiſſen¬
ſchaften iſt dies, wie ich glaube, ein Wort zu
ſeiner Zeit geredet, moͤgte man mich auch des¬
wegen fuͤr einen Pedanten halten! Jeder ſeichte
Kopf, der nur ein weiches Herzgen hat, den
edeln Muͤßiggang und ein liederliches Leben liebt,
legt ſich heut zu Tage auf die ſchoͤnen Wiſſen¬
ſchaften, glaubt Beruf zum Kuͤnſtler zu haben,
macht Verſe, ſchreibt fuͤr das Theater, ſpielt ein
Inſtrument, componiert, pinſelt — und ſo muß
denn am Ende der Geſchmack ausarten und die
Kunſt veraͤchtlich werden. Deswegen ſehen wir
auch ganze Heerden ſolcher Kuͤnſtler herumlau¬
fen, die nicht einmal mit den erſten theoretiſchen
Grundſaͤtzen ihrer Kunſt bekannt ſind; Muſiker,
die nicht wiſſen, aus welcher Tonart ſie ſpielen,
die nichts vorzutragen verſtehen, als was ſie auf
ihrer Geige oder Pfeife auswendig gelernt haben;
ohne philoſophiſchen Geiſt, ohne geſunde Ver¬
nunft, ohne Studium, ohne wahres Natur-
Gefuͤhl, aber dagegen mit deſto mehr Selbſtge¬
nuͤgſamkeit und Impertinenz ausgeruͤſtet; unter
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/106>, abgerufen am 24.11.2024.
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