männlichem Character abschleifen, und ein Leben, das blos den geselligen Freuden und dem sinnli¬ chen Vergnügen gewidmet ist, leitet uns fern von allen ernsthaften Geschäften, bey welchen der spätere, aber sichere, dauerndere Genuß durch Ueberwindung von Schwierigkeiten und durch anhaltende Arbeit und Anstrengung er¬ kauft werden muß; Es macht uns die für Geist und Herz so wohlthätige Einsamkeit unerträg¬ lich, macht uns ein stilles häusliches, den Fa¬ milien- und bürgerlichen Pflichten gewidmetes Daseyn unschmackhaft -- Mit Einem Worte! wer sich gänzlich den schönen Künsten widmet, und mit den Priestern ihrer Gottheiten sein ganzes Leben verschwelgt, der wagt es darauf, sein eigenes dauerhaftes Wohl zu verscherzen, und wenigstens nicht so viel zur Glückseligkeit Andrer beyzutragen, als er nach seinem Berufe und nach seinen Fähigkeiten vermögte. Alles, was ich hier gesagt habe, trifft vorzüglich bey dem Theater und bey dem Umgange mit Schau¬ spielern ein. Wenn unsre Schauspiele das wä¬ ren, wofür wir sie so gern ausgeben mögten; wenn sie eine Schule der Sitten wären, wo uns auf eine gefällige und zweckmäßige Weise
unsre
maͤnnlichem Character abſchleifen, und ein Leben, das blos den geſelligen Freuden und dem ſinnli¬ chen Vergnuͤgen gewidmet iſt, leitet uns fern von allen ernſthaften Geſchaͤften, bey welchen der ſpaͤtere, aber ſichere, dauerndere Genuß durch Ueberwindung von Schwierigkeiten und durch anhaltende Arbeit und Anſtrengung er¬ kauft werden muß; Es macht uns die fuͤr Geiſt und Herz ſo wohlthaͤtige Einſamkeit unertraͤg¬ lich, macht uns ein ſtilles haͤusliches, den Fa¬ milien- und buͤrgerlichen Pflichten gewidmetes Daſeyn unſchmackhaft — Mit Einem Worte! wer ſich gaͤnzlich den ſchoͤnen Kuͤnſten widmet, und mit den Prieſtern ihrer Gottheiten ſein ganzes Leben verſchwelgt, der wagt es darauf, ſein eigenes dauerhaftes Wohl zu verſcherzen, und wenigſtens nicht ſo viel zur Gluͤckſeligkeit Andrer beyzutragen, als er nach ſeinem Berufe und nach ſeinen Faͤhigkeiten vermoͤgte. Alles, was ich hier geſagt habe, trifft vorzuͤglich bey dem Theater und bey dem Umgange mit Schau¬ ſpielern ein. Wenn unſre Schauſpiele das waͤ¬ ren, wofuͤr wir ſie ſo gern ausgeben moͤgten; wenn ſie eine Schule der Sitten waͤren, wo uns auf eine gefaͤllige und zweckmaͤßige Weiſe
unſre
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maͤnnlichem Character abſchleifen, und ein Leben,
das blos den geſelligen Freuden und dem ſinnli¬
chen Vergnuͤgen gewidmet iſt, leitet uns fern
von allen ernſthaften Geſchaͤften, bey welchen
der ſpaͤtere, aber ſichere, dauerndere Genuß
durch Ueberwindung von Schwierigkeiten und
durch anhaltende Arbeit und Anſtrengung er¬
kauft werden muß; Es macht uns die fuͤr Geiſt
und Herz ſo wohlthaͤtige Einſamkeit unertraͤg¬
lich, macht uns ein ſtilles haͤusliches, den Fa¬
milien- und buͤrgerlichen Pflichten gewidmetes
Daſeyn unſchmackhaft — Mit Einem Worte!
wer ſich gaͤnzlich den ſchoͤnen Kuͤnſten widmet,
und mit den Prieſtern ihrer Gottheiten ſein
ganzes Leben verſchwelgt, der wagt es darauf,
ſein eigenes dauerhaftes Wohl zu verſcherzen,
und wenigſtens nicht ſo viel zur Gluͤckſeligkeit
Andrer beyzutragen, als er nach ſeinem Berufe
und nach ſeinen Faͤhigkeiten vermoͤgte. Alles,
was ich hier geſagt habe, trifft vorzuͤglich bey
dem Theater und bey dem Umgange mit Schau¬
ſpielern ein. Wenn unſre Schauſpiele das waͤ¬
ren, wofuͤr wir ſie ſo gern ausgeben moͤgten;
wenn ſie eine Schule der Sitten waͤren, wo
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/112>, abgerufen am 24.11.2024.
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