zärtlicher und weiser Hausvater ist. Allein nicht alle Diener der Kirche sehen diesem Bilde ähn¬ lich. Menschen ohne Erziehung und Sitten, aus dem niedrigsten Pöbel entsprossen, ohne ge¬ sunde Vernunft und ohne andre Kenntnisse, als die dazu gehören, sich nach einem elenden Schlen¬ drian examinieren zu lassen, dringen sich in die¬ sen Stand ein, haschen nach reichen Pfründen und Pfarreyen, und erlauben sich, um dahin zu gelangen, alle Arten von Schleichwege und Nie¬ derträchtigkeiten. Haben sie nun ihren Zweck erreicht, dann fährt der ächte Pfaffen-Geist in sie. Geizig, haabsüchtig, wollüstig, gefrässig, Schmeichler der Großen und Reichen, über¬ müthig und stolz gegen Niedre, voll Neid und Scheelsucht gegen ihres Gleichen, sind sie grösten¬ theils daran Schuld, wenn Verachtung der hei¬ ligsten Religion so allgemein einreisst. Diese Religion behandeln sie als eine trockene Wissen¬ schaft, und ihr Amt als ein einträgliches Hand¬ werk. Auf dem Lande verbauern sie, ergeben sich dem Müssiggange und der Bequemlichkeit, und klagen über ungeheure Arbeit, wenn sie alle acht Tage einmal von der Kanzel herunter die Zuhörer mit ihren dogmatischen, armseligen
Spitz¬
zaͤrtlicher und weiſer Hausvater iſt. Allein nicht alle Diener der Kirche ſehen dieſem Bilde aͤhn¬ lich. Menſchen ohne Erziehung und Sitten, aus dem niedrigſten Poͤbel entſproſſen, ohne ge¬ ſunde Vernunft und ohne andre Kenntniſſe, als die dazu gehoͤren, ſich nach einem elenden Schlen¬ drian examinieren zu laſſen, dringen ſich in die¬ ſen Stand ein, haſchen nach reichen Pfruͤnden und Pfarreyen, und erlauben ſich, um dahin zu gelangen, alle Arten von Schleichwege und Nie¬ dertraͤchtigkeiten. Haben ſie nun ihren Zweck erreicht, dann faͤhrt der aͤchte Pfaffen-Geiſt in ſie. Geizig, haabſuͤchtig, wolluͤſtig, gefraͤſſig, Schmeichler der Großen und Reichen, uͤber¬ muͤthig und ſtolz gegen Niedre, voll Neid und Scheelſucht gegen ihres Gleichen, ſind ſie groͤſten¬ theils daran Schuld, wenn Verachtung der hei¬ ligſten Religion ſo allgemein einreiſſt. Dieſe Religion behandeln ſie als eine trockene Wiſſen¬ ſchaft, und ihr Amt als ein eintraͤgliches Hand¬ werk. Auf dem Lande verbauern ſie, ergeben ſich dem Muͤſſiggange und der Bequemlichkeit, und klagen uͤber ungeheure Arbeit, wenn ſie alle acht Tage einmal von der Kanzel herunter die Zuhoͤrer mit ihren dogmatiſchen, armſeligen
Spitz¬
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zaͤrtlicher und weiſer Hausvater iſt. Allein nicht
alle Diener der Kirche ſehen dieſem Bilde aͤhn¬
lich. Menſchen ohne Erziehung und Sitten,
aus dem niedrigſten Poͤbel entſproſſen, ohne ge¬
ſunde Vernunft und ohne andre Kenntniſſe, als
die dazu gehoͤren, ſich nach einem elenden Schlen¬
drian examinieren zu laſſen, dringen ſich in die¬
ſen Stand ein, haſchen nach reichen Pfruͤnden
und Pfarreyen, und erlauben ſich, um dahin zu
gelangen, alle Arten von Schleichwege und Nie¬
dertraͤchtigkeiten. Haben ſie nun ihren Zweck
erreicht, dann faͤhrt der aͤchte Pfaffen-Geiſt in
ſie. Geizig, haabſuͤchtig, wolluͤſtig, gefraͤſſig,
Schmeichler der Großen und Reichen, uͤber¬
muͤthig und ſtolz gegen Niedre, voll Neid und
Scheelſucht gegen ihres Gleichen, ſind ſie groͤſten¬
theils daran Schuld, wenn Verachtung der hei¬
ligſten Religion ſo allgemein einreiſſt. Dieſe
Religion behandeln ſie als eine trockene Wiſſen¬
ſchaft, und ihr Amt als ein eintraͤgliches Hand¬
werk. Auf dem Lande verbauern ſie, ergeben
ſich dem Muͤſſiggange und der Bequemlichkeit,
und klagen uͤber ungeheure Arbeit, wenn ſie alle
acht Tage einmal von der Kanzel herunter die
Zuhoͤrer mit ihren dogmatiſchen, armſeligen
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/120>, abgerufen am 24.11.2024.
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