lein überlegt man auch wohl immer genau ge¬ nug, welch' ein Grad von Aufklärung für den Landmann, besonders für den von niedrigem Stande, taugt? Daß man den Bauer nach und nach, mehr durch Beyspiele als durch De¬ monstrationen, zu bewegen suche, von manchen ererbten Vorurtheilen, in der Art des Feldbaues und überhaupt in Führung des Haushalts, zu¬ rückzukommen; daß man durch zweckmäßigen Schul-Unterricht die thörichten Grillen, den dummen Aberglauben, den Glauben an Gespen¬ ster, Hexen und dergleichen zu zerstöhren trachte; daß man die Bauern gut schreiben, lesen und rechnen lehre; daß ist löblich und nützlich. Ih¬ nen aber allerley Bücher, Geschichten und Fabeln in die Hände zu spielen; sie zu gewöhnen, sich in eine Ideen-Welt zu versetzen; ihnen die Augen über ihren armseligen Zustand zu öfnen, den man nun einmal nicht verbessern kann; sie durch zu viel Aufklärung unzufrieden mit ihrer Lage, sie zu Philosophen zu machen, die über ungleiche Austheilung der Glücksgüter declamie¬ ren; ihren Sitten Geschmeidigkeit und den An¬ strich der feinen Höflichkeit zu geben -- Das taugt wahrlich nicht. Ohne alle diese künstlichen
Hülfs¬
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lein uͤberlegt man auch wohl immer genau ge¬ nug, welch' ein Grad von Aufklaͤrung fuͤr den Landmann, beſonders fuͤr den von niedrigem Stande, taugt? Daß man den Bauer nach und nach, mehr durch Beyſpiele als durch De¬ monſtrationen, zu bewegen ſuche, von manchen ererbten Vorurtheilen, in der Art des Feldbaues und uͤberhaupt in Fuͤhrung des Haushalts, zu¬ ruͤckzukommen; daß man durch zweckmaͤßigen Schul-Unterricht die thoͤrichten Grillen, den dummen Aberglauben, den Glauben an Geſpen¬ ſter, Hexen und dergleichen zu zerſtoͤhren trachte; daß man die Bauern gut ſchreiben, leſen und rechnen lehre; daß iſt loͤblich und nuͤtzlich. Ih¬ nen aber allerley Buͤcher, Geſchichten und Fabeln in die Haͤnde zu ſpielen; ſie zu gewoͤhnen, ſich in eine Ideen-Welt zu verſetzen; ihnen die Augen uͤber ihren armſeligen Zuſtand zu oͤfnen, den man nun einmal nicht verbeſſern kann; ſie durch zu viel Aufklaͤrung unzufrieden mit ihrer Lage, ſie zu Philoſophen zu machen, die uͤber ungleiche Austheilung der Gluͤcksguͤter declamie¬ ren; ihren Sitten Geſchmeidigkeit und den An¬ ſtrich der feinen Hoͤflichkeit zu geben — Das taugt wahrlich nicht. Ohne alle dieſe kuͤnſtlichen
Huͤlfs¬
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lein uͤberlegt man auch wohl immer genau ge¬
nug, welch' ein Grad von Aufklaͤrung fuͤr den
Landmann, beſonders fuͤr den von niedrigem
Stande, taugt? Daß man den Bauer nach
und nach, mehr durch Beyſpiele als durch De¬
monſtrationen, zu bewegen ſuche, von manchen
ererbten Vorurtheilen, in der Art des Feldbaues
und uͤberhaupt in Fuͤhrung des Haushalts, zu¬
ruͤckzukommen; daß man durch zweckmaͤßigen
Schul-Unterricht die thoͤrichten Grillen, den
dummen Aberglauben, den Glauben an Geſpen¬
ſter, Hexen und dergleichen zu zerſtoͤhren trachte;
daß man die Bauern gut ſchreiben, leſen und
rechnen lehre; daß iſt loͤblich und nuͤtzlich. Ih¬
nen aber allerley Buͤcher, Geſchichten und Fabeln
in die Haͤnde zu ſpielen; ſie zu gewoͤhnen, ſich
in eine Ideen-Welt zu verſetzen; ihnen die
Augen uͤber ihren armſeligen Zuſtand zu oͤfnen,
den man nun einmal nicht verbeſſern kann; ſie
durch zu viel Aufklaͤrung unzufrieden mit ihrer
Lage, ſie zu Philoſophen zu machen, die uͤber
ungleiche Austheilung der Gluͤcksguͤter declamie¬
ren; ihren Sitten Geſchmeidigkeit und den An¬
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/171>, abgerufen am 23.11.2024.
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