verschiedenen Ständen und bürgerlichen Ver¬ hältnissen, da ich dann, wie billig, mit den Großen der Erde den Anfang mache.
Man würde ungerecht handeln, wenn man behaupten wollte, alle Fürsten, alle sehr vorneh¬ men und alle sehr reichen Leute hätten die nem¬ lichen Fehler mit einander gemein, durch welche Viele von ihnen ungesellig, kalt, unfähig zum ächten Freundschaftsbande und schwer zu behan¬ deln im Umgange werden; allein man versün¬ digt sich wahrlich nicht, wenn man sagt, daß dies bey den Mehrsten von ihnen der Fall ist. Sie werden in der Erziehung verwahrlost, von Jugend auf durch Schmeicheley verderbt, durch Andre und sich selbst verzärtelt. Da ihre Lage sie über Mangel und Bedürfniß mancher Art hinaussetzt; da sie selten in Verlegenheit und Noth gerathen; so lernen sie nicht, wie nöthig ein Mensch dem Andern, wie schwer, allein zu tragen, manches Ungemach in der Welt, wie süß, theilnehmende, mitleidende Seelen zu finden, und wie wichtig es ist, Andrer zu schonen, da¬ mit man einst zu ihnen seine Zuflucht nehmen könne. Sie lernen sich selbst nicht kennen, weil
man
verſchiedenen Staͤnden und buͤrgerlichen Ver¬ haͤltniſſen, da ich dann, wie billig, mit den Großen der Erde den Anfang mache.
Man wuͤrde ungerecht handeln, wenn man behaupten wollte, alle Fuͤrſten, alle ſehr vorneh¬ men und alle ſehr reichen Leute haͤtten die nem¬ lichen Fehler mit einander gemein, durch welche Viele von ihnen ungeſellig, kalt, unfaͤhig zum aͤchten Freundſchaftsbande und ſchwer zu behan¬ deln im Umgange werden; allein man verſuͤn¬ digt ſich wahrlich nicht, wenn man ſagt, daß dies bey den Mehrſten von ihnen der Fall iſt. Sie werden in der Erziehung verwahrloſt, von Jugend auf durch Schmeicheley verderbt, durch Andre und ſich ſelbſt verzaͤrtelt. Da ihre Lage ſie uͤber Mangel und Beduͤrfniß mancher Art hinausſetzt; da ſie ſelten in Verlegenheit und Noth gerathen; ſo lernen ſie nicht, wie noͤthig ein Menſch dem Andern, wie ſchwer, allein zu tragen, manches Ungemach in der Welt, wie ſuͤß, theilnehmende, mitleidende Seelen zu finden, und wie wichtig es iſt, Andrer zu ſchonen, da¬ mit man einſt zu ihnen ſeine Zuflucht nehmen koͤnne. Sie lernen ſich ſelbſt nicht kennen, weil
man
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verſchiedenen Staͤnden und buͤrgerlichen Ver¬
haͤltniſſen, da ich dann, wie billig, mit den
Großen der Erde den Anfang mache.
Man wuͤrde ungerecht handeln, wenn man
behaupten wollte, alle Fuͤrſten, alle ſehr vorneh¬
men und alle ſehr reichen Leute haͤtten die nem¬
lichen Fehler mit einander gemein, durch welche
Viele von ihnen ungeſellig, kalt, unfaͤhig zum
aͤchten Freundſchaftsbande und ſchwer zu behan¬
deln im Umgange werden; allein man verſuͤn¬
digt ſich wahrlich nicht, wenn man ſagt, daß
dies bey den Mehrſten von ihnen der Fall iſt.
Sie werden in der Erziehung verwahrloſt, von
Jugend auf durch Schmeicheley verderbt, durch
Andre und ſich ſelbſt verzaͤrtelt. Da ihre Lage
ſie uͤber Mangel und Beduͤrfniß mancher Art
hinausſetzt; da ſie ſelten in Verlegenheit und
Noth gerathen; ſo lernen ſie nicht, wie noͤthig
ein Menſch dem Andern, wie ſchwer, allein zu
tragen, manches Ungemach in der Welt, wie ſuͤß,
theilnehmende, mitleidende Seelen zu finden,
und wie wichtig es iſt, Andrer zu ſchonen, da¬
mit man einſt zu ihnen ſeine Zuflucht nehmen
koͤnne. Sie lernen ſich ſelbſt nicht kennen, weil
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/24>, abgerufen am 23.11.2024.
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