sten Träumen uns verdrießlich aufwecken; wenn sie unsre Offenherzigkeit nie erwiedern, sondern immer auf ihrer Hut sind, in ihrem zärtlichsten Freunde einen Bösewicht, in ihrem treuesten Diener einen Betrüger und Verräther zu sehn glauben; dann gehört wahrlich ein hoher Grad von fester Rechtschaffenheit dazu, um nicht dar¬ über selbst schlecht und menschenfeindlich zu wer¬ den. Hiebey ist nichts zu thun, wenn ein un¬ gezwungenes, immer gleich redliches Betragen vergebens angewendet wird; wenn es nicht hilft, daß man ihnen jeden Zweifel, sobald man den¬ selben gewahr wird, hebt, als daß man sich um ihren Argwohn und um ihr mürrisches Wesen schlechterdings nichts bekümmere, sondern mu¬ thig und munter den Weg fortgehe, den uns Klugheit und Gewissen vorschreiben. Uebrigens sind solche Menschen herzlich zu bedauern; Sie leben sich und Andern zur Quaal. Es liegt bey ihnen nicht immer Bösartigkeit zum Grunde, nein! eine unglückliche Stimmung des Gemüths, dickes Blut, oft auch Einwürkung des Schick¬ sals, wenn sie gar zu oft sind hintergangen wor¬ den -- das sind mehrentheils die Quellen ihrer Seelen-Krankheit. Und diese Krankheit ist in
jün¬
ſten Traͤumen uns verdrießlich aufwecken; wenn ſie unſre Offenherzigkeit nie erwiedern, ſondern immer auf ihrer Hut ſind, in ihrem zaͤrtlichſten Freunde einen Boͤſewicht, in ihrem treueſten Diener einen Betruͤger und Verraͤther zu ſehn glauben; dann gehoͤrt wahrlich ein hoher Grad von feſter Rechtſchaffenheit dazu, um nicht dar¬ uͤber ſelbſt ſchlecht und menſchenfeindlich zu wer¬ den. Hiebey iſt nichts zu thun, wenn ein un¬ gezwungenes, immer gleich redliches Betragen vergebens angewendet wird; wenn es nicht hilft, daß man ihnen jeden Zweifel, ſobald man den¬ ſelben gewahr wird, hebt, als daß man ſich um ihren Argwohn und um ihr muͤrriſches Weſen ſchlechterdings nichts bekuͤmmere, ſondern mu¬ thig und munter den Weg fortgehe, den uns Klugheit und Gewiſſen vorſchreiben. Uebrigens ſind ſolche Menſchen herzlich zu bedauern; Sie leben ſich und Andern zur Quaal. Es liegt bey ihnen nicht immer Boͤsartigkeit zum Grunde, nein! eine ungluͤckliche Stimmung des Gemuͤths, dickes Blut, oft auch Einwuͤrkung des Schick¬ ſals, wenn ſie gar zu oft ſind hintergangen wor¬ den — das ſind mehrentheils die Quellen ihrer Seelen-Krankheit. Und dieſe Krankheit iſt in
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ſten Traͤumen uns verdrießlich aufwecken; wenn
ſie unſre Offenherzigkeit nie erwiedern, ſondern
immer auf ihrer Hut ſind, in ihrem zaͤrtlichſten
Freunde einen Boͤſewicht, in ihrem treueſten
Diener einen Betruͤger und Verraͤther zu ſehn
glauben; dann gehoͤrt wahrlich ein hoher Grad
von feſter Rechtſchaffenheit dazu, um nicht dar¬
uͤber ſelbſt ſchlecht und menſchenfeindlich zu wer¬
den. Hiebey iſt nichts zu thun, wenn ein un¬
gezwungenes, immer gleich redliches Betragen
vergebens angewendet wird; wenn es nicht hilft,
daß man ihnen jeden Zweifel, ſobald man den¬
ſelben gewahr wird, hebt, als daß man ſich um
ihren Argwohn und um ihr muͤrriſches Weſen
ſchlechterdings nichts bekuͤmmere, ſondern mu¬
thig und munter den Weg fortgehe, den uns
Klugheit und Gewiſſen vorſchreiben. Uebrigens
ſind ſolche Menſchen herzlich zu bedauern; Sie
leben ſich und Andern zur Quaal. Es liegt
bey ihnen nicht immer Boͤsartigkeit zum Grunde,
nein! eine ungluͤckliche Stimmung des Gemuͤths,
dickes Blut, oft auch Einwuͤrkung des Schick¬
ſals, wenn ſie gar zu oft ſind hintergangen wor¬
den — das ſind mehrentheils die Quellen ihrer
Seelen-Krankheit. Und dieſe Krankheit iſt in
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/241>, abgerufen am 21.11.2024.
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