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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788.

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oder mehr Interesse in die Scene zu bringen;
Und dann wird er nicht immer eckel genug in
der Wahl seiner Mittel seyn. Ein sehr eitler
Mensch wird in manchen Fällen versteckt han¬
deln, um seine Schwäche zu verbergen. Ein
Mann, der lange an Höfen gelebt hat, um sich
her nichts als Verstellung, Intrigue, Cabale
und Gegeneinanderwürken zu sehn, und selbst
auf gradem Wege nichts zu erhalten gewöhnt
ist, findet ein Leben, das ohne Verwicklung fort¬
geht, zu einförmig; Er wird seine unbedeutend¬
sten Schritte so thun, daß man ihm nicht nach¬
spüren kann, und seinen unschuldigsten Hand¬
lungen einen räthselhaften Anschein geben.
Der Jurist, der sich stets mit den Spitzfündig¬
keiten der Chicane beschäftigt, findet innigen
Seelen-Genuß darinn, daß er in Worten und
Werken allerley Cautelen und Schwänke an¬
bringe. Wer seine Gehirn-Nerven durch
Romanen-Lesen und andre phantastische Träu¬
mereyen überspannt, oder wer durch ein üppi¬
ges, müssiges Leben, durch schlechte Gesellschaft
und dergleichen, den Sinn für Einfalt, kunst¬
lose Natur und Wahrheit verlohren hat; der
kann nicht existieren ohne Intrigue -- und so

giebt
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oder mehr Intereſſe in die Scene zu bringen;
Und dann wird er nicht immer eckel genug in
der Wahl ſeiner Mittel ſeyn. Ein ſehr eitler
Menſch wird in manchen Faͤllen verſteckt han¬
deln, um ſeine Schwaͤche zu verbergen. Ein
Mann, der lange an Hoͤfen gelebt hat, um ſich
her nichts als Verſtellung, Intrigue, Cabale
und Gegeneinanderwuͤrken zu ſehn, und ſelbſt
auf gradem Wege nichts zu erhalten gewoͤhnt
iſt, findet ein Leben, das ohne Verwicklung fort¬
geht, zu einfoͤrmig; Er wird ſeine unbedeutend¬
ſten Schritte ſo thun, daß man ihm nicht nach¬
ſpuͤren kann, und ſeinen unſchuldigſten Hand¬
lungen einen raͤthſelhaften Anſchein geben.
Der Juriſt, der ſich ſtets mit den Spitzfuͤndig¬
keiten der Chicane beſchaͤftigt, findet innigen
Seelen-Genuß darinn, daß er in Worten und
Werken allerley Cautelen und Schwaͤnke an¬
bringe. Wer ſeine Gehirn-Nerven durch
Romanen-Leſen und andre phantaſtiſche Traͤu¬
mereyen uͤberſpannt, oder wer durch ein uͤppi¬
ges, muͤſſiges Leben, durch ſchlechte Geſellſchaft
und dergleichen, den Sinn fuͤr Einfalt, kunſt¬
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[229/0251] oder mehr Intereſſe in die Scene zu bringen; Und dann wird er nicht immer eckel genug in der Wahl ſeiner Mittel ſeyn. Ein ſehr eitler Menſch wird in manchen Faͤllen verſteckt han¬ deln, um ſeine Schwaͤche zu verbergen. Ein Mann, der lange an Hoͤfen gelebt hat, um ſich her nichts als Verſtellung, Intrigue, Cabale und Gegeneinanderwuͤrken zu ſehn, und ſelbſt auf gradem Wege nichts zu erhalten gewoͤhnt iſt, findet ein Leben, das ohne Verwicklung fort¬ geht, zu einfoͤrmig; Er wird ſeine unbedeutend¬ ſten Schritte ſo thun, daß man ihm nicht nach¬ ſpuͤren kann, und ſeinen unſchuldigſten Hand¬ lungen einen raͤthſelhaften Anſchein geben. Der Juriſt, der ſich ſtets mit den Spitzfuͤndig¬ keiten der Chicane beſchaͤftigt, findet innigen Seelen-Genuß darinn, daß er in Worten und Werken allerley Cautelen und Schwaͤnke an¬ bringe. Wer ſeine Gehirn-Nerven durch Romanen-Leſen und andre phantaſtiſche Traͤu¬ mereyen uͤberſpannt, oder wer durch ein uͤppi¬ ges, muͤſſiges Leben, durch ſchlechte Geſellſchaft und dergleichen, den Sinn fuͤr Einfalt, kunſt¬ loſe Natur und Wahrheit verlohren hat; der kann nicht exiſtieren ohne Intrigue — und ſo giebt P 3

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Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/251>, abgerufen am 24.11.2024.