cörperlich krank stellen, um Interesse zu erwe¬ ken. Wessen Gedächtniß aber würklich schwach, und nicht etwa durch Uebung nach und nach zu stärken ist, dem rathe man, sich alles schriftlich aufzuzeichnen, was er behalten will, und dies Zettel täglich oder wöchentlich einmal durchzule¬ sen; denn es ist wahrlich nichts verdrießlicher, als wenn uns jemand verspricht eine Sache zu besorgen, an welcher uns gelegen ist, wir uns auch auf sein Wort verlassen, er aber nachher rein vergisst, wovon die Rede gewesen.
Sehr zerstreueten Leuten muß man es übri¬ gens so hoch nicht anrechnen, wenn sie gegen uns zuweilen in Aufmerksamkeit, Höflichkeit, oder was man sonst im geselligen und freund¬ schaftlichen Umgang fordert, unvorsetzlich fehlen.
22.
Es giebt eine Art Menschen, die man wunderliche (difficile) Leute nennt. Sie sind nicht bösartig, sind nicht immer zänkisch und mürrisch; aber man kann ihnen doch nicht leicht etwas ganz recht machen. Sie haben sich, zum Beyspiel an eine pedantische Ordnung ge¬
wöhnt,
coͤrperlich krank ſtellen, um Intereſſe zu erwe¬ ken. Weſſen Gedaͤchtniß aber wuͤrklich ſchwach, und nicht etwa durch Uebung nach und nach zu ſtaͤrken iſt, dem rathe man, ſich alles ſchriftlich aufzuzeichnen, was er behalten will, und dies Zettel taͤglich oder woͤchentlich einmal durchzule¬ ſen; denn es iſt wahrlich nichts verdrießlicher, als wenn uns jemand verſpricht eine Sache zu beſorgen, an welcher uns gelegen iſt, wir uns auch auf ſein Wort verlaſſen, er aber nachher rein vergiſſt, wovon die Rede geweſen.
Sehr zerſtreueten Leuten muß man es uͤbri¬ gens ſo hoch nicht anrechnen, wenn ſie gegen uns zuweilen in Aufmerkſamkeit, Hoͤflichkeit, oder was man ſonſt im geſelligen und freund¬ ſchaftlichen Umgang fordert, unvorſetzlich fehlen.
22.
Es giebt eine Art Menſchen, die man wunderliche (difficile) Leute nennt. Sie ſind nicht boͤsartig, ſind nicht immer zaͤnkiſch und muͤrriſch; aber man kann ihnen doch nicht leicht etwas ganz recht machen. Sie haben ſich, zum Beyſpiel an eine pedantiſche Ordnung ge¬
woͤhnt,
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coͤrperlich krank ſtellen, um Intereſſe zu erwe¬
ken. Weſſen Gedaͤchtniß aber wuͤrklich ſchwach,
und nicht etwa durch Uebung nach und nach zu
ſtaͤrken iſt, dem rathe man, ſich alles ſchriftlich
aufzuzeichnen, was er behalten will, und dies
Zettel taͤglich oder woͤchentlich einmal durchzule¬
ſen; denn es iſt wahrlich nichts verdrießlicher,
als wenn uns jemand verſpricht eine Sache zu
beſorgen, an welcher uns gelegen iſt, wir uns
auch auf ſein Wort verlaſſen, er aber nachher
rein vergiſſt, wovon die Rede geweſen.
Sehr zerſtreueten Leuten muß man es uͤbri¬
gens ſo hoch nicht anrechnen, wenn ſie gegen
uns zuweilen in Aufmerkſamkeit, Hoͤflichkeit,
oder was man ſonſt im geſelligen und freund¬
ſchaftlichen Umgang fordert, unvorſetzlich fehlen.
22.
Es giebt eine Art Menſchen, die man
wunderliche (difficile) Leute nennt. Sie
ſind nicht boͤsartig, ſind nicht immer zaͤnkiſch
und muͤrriſch; aber man kann ihnen doch nicht
leicht etwas ganz recht machen. Sie haben ſich,
zum Beyſpiel an eine pedantiſche Ordnung ge¬
woͤhnt,
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/268>, abgerufen am 24.11.2024.
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