können nicht alle Menschen hohen, erhabenen Geistes-Schwung haben, und die Welt würde auch sehr übel dabey fahren, wenn es also wäre. Es müssen mehr subalterne als Herrscher-Genies unter den Erdensöhnen seyn, wenn nicht Alle in ewiger Fehde mit einander leben sollen. Daß ein gewisser höherer Grad von Tugend, zu wel¬ cher Kraft, Muth, Festigkeit, oder feine Beur¬ theilungskraft gehört, nicht mit Schwäche des Geistes bestehn kann, das ist wohl freylich ge¬ wiß; Allein das gehört ja nicht hierher. Wenn im Ganzen nur das Gute geschieht, und die dümmern Menschen zu diesem Guten sich die Hände führen lassen; so füllen sie ihren Platz nützlicher aus, als die überschwenglichen Genies, die Feuerköpfe, mit ihrem sich durchkreutzenden unaufhörlichen Würken und Streben.
Unerträglich hingegen ist die Lage, wenn man es mit einem Stockfische zu thun hat, der sich für einen Halbgott hält, mit einem eiteln, eigensinnigen, mistrauischen Pinsel, mit einem verzogenen, verzärtelten vornehmen Schöps, der Länder und Völker zu regieren hat, und alles selbst regieren will. Doch habe ich schon
bey
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koͤnnen nicht alle Menſchen hohen, erhabenen Geiſtes-Schwung haben, und die Welt wuͤrde auch ſehr uͤbel dabey fahren, wenn es alſo waͤre. Es muͤſſen mehr ſubalterne als Herrſcher-Genies unter den Erdenſoͤhnen ſeyn, wenn nicht Alle in ewiger Fehde mit einander leben ſollen. Daß ein gewiſſer hoͤherer Grad von Tugend, zu wel¬ cher Kraft, Muth, Feſtigkeit, oder feine Beur¬ theilungskraft gehoͤrt, nicht mit Schwaͤche des Geiſtes beſtehn kann, das iſt wohl freylich ge¬ wiß; Allein das gehoͤrt ja nicht hierher. Wenn im Ganzen nur das Gute geſchieht, und die duͤmmern Menſchen zu dieſem Guten ſich die Haͤnde fuͤhren laſſen; ſo fuͤllen ſie ihren Platz nuͤtzlicher aus, als die uͤberſchwenglichen Genies, die Feuerkoͤpfe, mit ihrem ſich durchkreutzenden unaufhoͤrlichen Wuͤrken und Streben.
Unertraͤglich hingegen iſt die Lage, wenn man es mit einem Stockfiſche zu thun hat, der ſich fuͤr einen Halbgott haͤlt, mit einem eiteln, eigenſinnigen, mistrauiſchen Pinſel, mit einem verzogenen, verzaͤrtelten vornehmen Schoͤps, der Laͤnder und Voͤlker zu regieren hat, und alles ſelbſt regieren will. Doch habe ich ſchon
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koͤnnen nicht alle Menſchen hohen, erhabenen
Geiſtes-Schwung haben, und die Welt wuͤrde
auch ſehr uͤbel dabey fahren, wenn es alſo waͤre.
Es muͤſſen mehr ſubalterne als Herrſcher-Genies
unter den Erdenſoͤhnen ſeyn, wenn nicht Alle
in ewiger Fehde mit einander leben ſollen. Daß
ein gewiſſer hoͤherer Grad von Tugend, zu wel¬
cher Kraft, Muth, Feſtigkeit, oder feine Beur¬
theilungskraft gehoͤrt, nicht mit Schwaͤche des
Geiſtes beſtehn kann, das iſt wohl freylich ge¬
wiß; Allein das gehoͤrt ja nicht hierher. Wenn
im Ganzen nur das Gute geſchieht, und die
duͤmmern Menſchen zu dieſem Guten ſich die
Haͤnde fuͤhren laſſen; ſo fuͤllen ſie ihren Platz
nuͤtzlicher aus, als die uͤberſchwenglichen Genies,
die Feuerkoͤpfe, mit ihrem ſich durchkreutzenden
unaufhoͤrlichen Wuͤrken und Streben.
Unertraͤglich hingegen iſt die Lage, wenn
man es mit einem Stockfiſche zu thun hat, der
ſich fuͤr einen Halbgott haͤlt, mit einem eiteln,
eigenſinnigen, mistrauiſchen Pinſel, mit einem
verzogenen, verzaͤrtelten vornehmen Schoͤps,
der Laͤnder und Voͤlker zu regieren hat, und
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/271>, abgerufen am 24.11.2024.
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