Kraft-Genies und excentrische Leute lasse man laufen, so lange sie sich noch nicht gänzlich zum Einsperren qualificieren! Die Erde ist so groß, daß eine Menge Narren neben einander Platz darauf haben.
27.
Reden wir itzt ein Wort von Andächt¬ lern, Frömmlern, Heuchlern und aber¬ gläubischen Leuten!
Wem es mit seinen Empfindungen für die Religion, mit seiner Wärme für Gottes-Liebe, Gottes-Furcht und Gottes-Verehrung und mit seiner Anhänglichkeit an die gottesdienstlichen Gebräuche der Kirche, zu welcher er sich in sei¬ nem Herzen bekennt, ein aufrichtiger Ernst ist; der hat die gegründetesten Ansprüche auf unsre Achtung. Sollte er auch das Wesen der Reli¬ gion, mehr als wir für gut halten, in bloßem Gefühle, ohne allen Gebrauch seiner ihm von Gott verliehenen Leiterinn, der Vernunft, se¬ tzen; sollte auch, unsrer Meinung nach, eine erhitzte Phantasie sich in seine religiösen Em¬ pfindungen mischen; sollte er auch, zu anhäng¬
lich
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Kraft-Genies und excentriſche Leute laſſe man laufen, ſo lange ſie ſich noch nicht gaͤnzlich zum Einſperren qualificieren! Die Erde iſt ſo groß, daß eine Menge Narren neben einander Platz darauf haben.
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Reden wir itzt ein Wort von Andaͤcht¬ lern, Froͤmmlern, Heuchlern und aber¬ glaͤubiſchen Leuten!
Wem es mit ſeinen Empfindungen fuͤr die Religion, mit ſeiner Waͤrme fuͤr Gottes-Liebe, Gottes-Furcht und Gottes-Verehrung und mit ſeiner Anhaͤnglichkeit an die gottesdienſtlichen Gebraͤuche der Kirche, zu welcher er ſich in ſei¬ nem Herzen bekennt, ein aufrichtiger Ernſt iſt; der hat die gegruͤndeteſten Anſpruͤche auf unſre Achtung. Sollte er auch das Weſen der Reli¬ gion, mehr als wir fuͤr gut halten, in bloßem Gefuͤhle, ohne allen Gebrauch ſeiner ihm von Gott verliehenen Leiterinn, der Vernunft, ſe¬ tzen; ſollte auch, unſrer Meinung nach, eine erhitzte Phantaſie ſich in ſeine religioͤſen Em¬ pfindungen miſchen; ſollte er auch, zu anhaͤng¬
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Kraft-Genies und excentriſche Leute laſſe
man laufen, ſo lange ſie ſich noch nicht gaͤnzlich
zum Einſperren qualificieren! Die Erde iſt ſo
groß, daß eine Menge Narren neben einander
Platz darauf haben.
27.
Reden wir itzt ein Wort von Andaͤcht¬
lern, Froͤmmlern, Heuchlern und aber¬
glaͤubiſchen Leuten!
Wem es mit ſeinen Empfindungen fuͤr die
Religion, mit ſeiner Waͤrme fuͤr Gottes-Liebe,
Gottes-Furcht und Gottes-Verehrung und mit
ſeiner Anhaͤnglichkeit an die gottesdienſtlichen
Gebraͤuche der Kirche, zu welcher er ſich in ſei¬
nem Herzen bekennt, ein aufrichtiger Ernſt iſt;
der hat die gegruͤndeteſten Anſpruͤche auf unſre
Achtung. Sollte er auch das Weſen der Reli¬
gion, mehr als wir fuͤr gut halten, in bloßem
Gefuͤhle, ohne allen Gebrauch ſeiner ihm von
Gott verliehenen Leiterinn, der Vernunft, ſe¬
tzen; ſollte auch, unſrer Meinung nach, eine
erhitzte Phantaſie ſich in ſeine religioͤſen Em¬
pfindungen miſchen; ſollte er auch, zu anhaͤng¬
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/285>, abgerufen am 24.11.2024.
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