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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788.

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und Bruder verfolgen, aber mitleidig einer mat¬
ten Fliege das Fenster öfnen, damit sie fern von
ihren Augen -- zertreten werden könne, die
ihre Bedienten in dem rauhesten Wetter ohne
Noth stundenlang umherjagen, aber dagegen
herzlich den armen Sperling bedauern, der,
wenn es regnet, ohne Paraplü und Ueberrock,
herumfliegen muß. Zu diesen süßen Seelchen
gehöre ich nicht, halte auch nicht alle Jäger für
grausame Menschen -- Es muß ja dergleichen
Leute geben, so wie wir, wenn keine Schlächter in
der Welt wären, blos von Speisen aus dem Pflan¬
zenreiche leben müssten -- Aber ich verlange nur,
daß man nicht ohne Zweck und Nutzen Thiere
martern noch ein vornehmes Vergnügen darinn
suchen solle, mit wehrlosen Geschöpfen einen
ungleichen Krieg zu führen.

4.

Ich habe immer nicht begreifen können,
welche Freude man daran haben kann, Thiere
in Kefigen und Kasten einzusperren. Der An¬
blick eines lebendigen Wesens, das ausser Stand
gesetzt ist, seine natürlichen Kräfte zu nützen
und zu entwickeln, darf keinem verständigen

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und Bruder verfolgen, aber mitleidig einer mat¬
ten Fliege das Fenſter oͤfnen, damit ſie fern von
ihren Augen — zertreten werden koͤnne, die
ihre Bedienten in dem rauheſten Wetter ohne
Noth ſtundenlang umherjagen, aber dagegen
herzlich den armen Sperling bedauern, der,
wenn es regnet, ohne Parapluͤ und Ueberrock,
herumfliegen muß. Zu dieſen ſuͤßen Seelchen
gehoͤre ich nicht, halte auch nicht alle Jaͤger fuͤr
grauſame Menſchen — Es muß ja dergleichen
Leute geben, ſo wie wir, wenn keine Schlaͤchter in
der Welt waͤren, blos von Speiſen aus dem Pflan¬
zenreiche leben muͤſſten — Aber ich verlange nur,
daß man nicht ohne Zweck und Nutzen Thiere
martern noch ein vornehmes Vergnuͤgen darinn
ſuchen ſolle, mit wehrloſen Geſchoͤpfen einen
ungleichen Krieg zu fuͤhren.

4.

Ich habe immer nicht begreifen koͤnnen,
welche Freude man daran haben kann, Thiere
in Kefigen und Kaſten einzuſperren. Der An¬
blick eines lebendigen Weſens, das auſſer Stand
geſetzt iſt, ſeine natuͤrlichen Kraͤfte zu nuͤtzen
und zu entwickeln, darf keinem verſtaͤndigen

Man¬
T 5
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[297/0319] und Bruder verfolgen, aber mitleidig einer mat¬ ten Fliege das Fenſter oͤfnen, damit ſie fern von ihren Augen — zertreten werden koͤnne, die ihre Bedienten in dem rauheſten Wetter ohne Noth ſtundenlang umherjagen, aber dagegen herzlich den armen Sperling bedauern, der, wenn es regnet, ohne Parapluͤ und Ueberrock, herumfliegen muß. Zu dieſen ſuͤßen Seelchen gehoͤre ich nicht, halte auch nicht alle Jaͤger fuͤr grauſame Menſchen — Es muß ja dergleichen Leute geben, ſo wie wir, wenn keine Schlaͤchter in der Welt waͤren, blos von Speiſen aus dem Pflan¬ zenreiche leben muͤſſten — Aber ich verlange nur, daß man nicht ohne Zweck und Nutzen Thiere martern noch ein vornehmes Vergnuͤgen darinn ſuchen ſolle, mit wehrloſen Geſchoͤpfen einen ungleichen Krieg zu fuͤhren. 4. Ich habe immer nicht begreifen koͤnnen, welche Freude man daran haben kann, Thiere in Kefigen und Kaſten einzuſperren. Der An¬ blick eines lebendigen Weſens, das auſſer Stand geſetzt iſt, ſeine natuͤrlichen Kraͤfte zu nuͤtzen und zu entwickeln, darf keinem verſtaͤndigen Man¬ T 5

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Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/319>, abgerufen am 21.11.2024.