Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

eben so strenge gegen Dich als gegen Andre zu
seyn. Gewöhnlich erlaubt man sich alles, ver¬
zeyht sich alles, und Andern nichts; giebt bey
eigenen Fehltritten, wenn man sie auch dafür
anerkennt, dem Schicksale, oder unwiedersteh¬
lichen Trieben die Schuld, ist aber weniger to¬
lerant gegen die Verirrungen seiner Brüder --
Das ist nicht gut gethan.

9.

Miß auch nicht Dein Verdienst darnach
ab, daß Du sagest: "ich bin besser, als Dieser
"und Jener, von gleichem Alter, Stande, und
"so ferner;" sondern nach den Graden Deiner
Fähigkeiten, Anlagen, Erziehung, und der Ge¬
legenheit, die Du gehabt hast, weiser und besser
zu werden, als Viele. Halte hierüber oft in
einsamen Stunden Abrechnung mit Dir selber,
und frage Dich als ein strenger Richter, wie
Du alle diese Winke zu höherer Vervollkom¬
mung genützt habest!


Vier¬
U2

eben ſo ſtrenge gegen Dich als gegen Andre zu
ſeyn. Gewoͤhnlich erlaubt man ſich alles, ver¬
zeyht ſich alles, und Andern nichts; giebt bey
eigenen Fehltritten, wenn man ſie auch dafuͤr
anerkennt, dem Schickſale, oder unwiederſteh¬
lichen Trieben die Schuld, iſt aber weniger to¬
lerant gegen die Verirrungen ſeiner Bruͤder —
Das iſt nicht gut gethan.

9.

Miß auch nicht Dein Verdienſt darnach
ab, daß Du ſageſt: „ich bin beſſer, als Dieſer
„und Jener, von gleichem Alter, Stande, und
„ſo ferner;“ ſondern nach den Graden Deiner
Faͤhigkeiten, Anlagen, Erziehung, und der Ge¬
legenheit, die Du gehabt haſt, weiſer und beſſer
zu werden, als Viele. Halte hieruͤber oft in
einſamen Stunden Abrechnung mit Dir ſelber,
und frage Dich als ein ſtrenger Richter, wie
Du alle dieſe Winke zu hoͤherer Vervollkom¬
mung genuͤtzt habeſt!


Vier¬
U2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0329" n="307"/>
eben &#x017F;o &#x017F;trenge gegen Dich als gegen Andre zu<lb/>
&#x017F;eyn. Gewo&#x0364;hnlich erlaubt man &#x017F;ich alles, ver¬<lb/>
zeyht &#x017F;ich alles, und Andern nichts; giebt bey<lb/>
eigenen Fehltritten, wenn man &#x017F;ie auch dafu&#x0364;r<lb/>
anerkennt, dem Schick&#x017F;ale, oder unwieder&#x017F;teh¬<lb/>
lichen Trieben die Schuld, i&#x017F;t aber weniger to¬<lb/>
lerant gegen die Verirrungen &#x017F;einer Bru&#x0364;der &#x2014;<lb/>
Das i&#x017F;t nicht gut gethan.</p><lb/>
          </div>
          <div n="3">
            <head>9.<lb/></head>
            <p>Miß auch nicht Dein Verdien&#x017F;t darnach<lb/>
ab, daß Du &#x017F;age&#x017F;t: &#x201E;ich bin be&#x017F;&#x017F;er, als Die&#x017F;er<lb/>
&#x201E;und Jener, von gleichem Alter, Stande, und<lb/>
&#x201E;&#x017F;o ferner;&#x201C; &#x017F;ondern nach den Graden Deiner<lb/>
Fa&#x0364;higkeiten, Anlagen, Erziehung, und der Ge¬<lb/>
legenheit, die Du gehabt ha&#x017F;t, wei&#x017F;er und be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
zu werden, als Viele. Halte hieru&#x0364;ber oft in<lb/>
ein&#x017F;amen Stunden Abrechnung mit Dir &#x017F;elber,<lb/>
und frage Dich als ein &#x017F;trenger Richter, wie<lb/>
Du alle die&#x017F;e Winke zu ho&#x0364;herer Vervollkom¬<lb/>
mung genu&#x0364;tzt habe&#x017F;t!</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <fw place="bottom" type="catch">Vier¬<lb/></fw>
            <fw place="bottom" type="sig">U2<lb/></fw>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[307/0329] eben ſo ſtrenge gegen Dich als gegen Andre zu ſeyn. Gewoͤhnlich erlaubt man ſich alles, ver¬ zeyht ſich alles, und Andern nichts; giebt bey eigenen Fehltritten, wenn man ſie auch dafuͤr anerkennt, dem Schickſale, oder unwiederſteh¬ lichen Trieben die Schuld, iſt aber weniger to¬ lerant gegen die Verirrungen ſeiner Bruͤder — Das iſt nicht gut gethan. 9. Miß auch nicht Dein Verdienſt darnach ab, daß Du ſageſt: „ich bin beſſer, als Dieſer „und Jener, von gleichem Alter, Stande, und „ſo ferner;“ ſondern nach den Graden Deiner Faͤhigkeiten, Anlagen, Erziehung, und der Ge¬ legenheit, die Du gehabt haſt, weiſer und beſſer zu werden, als Viele. Halte hieruͤber oft in einſamen Stunden Abrechnung mit Dir ſelber, und frage Dich als ein ſtrenger Richter, wie Du alle dieſe Winke zu hoͤherer Vervollkom¬ mung genuͤtzt habeſt! Vier¬ U2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/329
Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/329>, abgerufen am 21.11.2024.