dem, was vorgefallen, gewesen ist, die Zeche be¬ zahlen helfen. Ich habe an einem Orte, wo ich mich wahrlich -- wieder meine sündliche Natur -- äusserst vorsichtig aufgeführt hatte, unbe¬ schreiblichen Verdruß blos dadurch gelitten, daß man muthmaßte, ich habe eine gewisse Sache, die vorgegangen, gewusst, oder wenigstens ge¬ merkt, weil ich viel mit den Personen umgieng, welche darinn verwickelt waren. Und doch konnte man leicht schliessen, daß ich keine Rolle dabey gespielt, ja! daß ich diese Sache nicht eher erfahren haben konnte, als bis sie schon ge¬ schehn, folglich durch meinen Rath oder An¬ gabe nicht mehr zu hindern gewesen. Man hätte mir also meine Verschwiegenheit in jedem Betrachte und auch deswegen zum Verdienste anrechnen sollen, weil ich meine Freunde nicht verrathen hatte. Man hätte überlegen sollen, daß ich ein freyer, dienst- und pflichtloser Mensch war, folglich keine Obliegenheit hatte, den Fis¬ cal oder Angeber zu machen, und mich in solche Händel zu mischen -- Aber man ist denn nicht so billig, und ich rathe angelegentlichst, an Hö¬ fen sich zu keiner Parthey merklich zu schlagen, sondern seinen graden Gang fortzugehn, und
sich
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dem, was vorgefallen, geweſen iſt, die Zeche be¬ zahlen helfen. Ich habe an einem Orte, wo ich mich wahrlich — wieder meine ſuͤndliche Natur — aͤuſſerſt vorſichtig aufgefuͤhrt hatte, unbe¬ ſchreiblichen Verdruß blos dadurch gelitten, daß man muthmaßte, ich habe eine gewiſſe Sache, die vorgegangen, gewuſſt, oder wenigſtens ge¬ merkt, weil ich viel mit den Perſonen umgieng, welche darinn verwickelt waren. Und doch konnte man leicht ſchlieſſen, daß ich keine Rolle dabey geſpielt, ja! daß ich dieſe Sache nicht eher erfahren haben konnte, als bis ſie ſchon ge¬ ſchehn, folglich durch meinen Rath oder An¬ gabe nicht mehr zu hindern geweſen. Man haͤtte mir alſo meine Verſchwiegenheit in jedem Betrachte und auch deswegen zum Verdienſte anrechnen ſollen, weil ich meine Freunde nicht verrathen hatte. Man haͤtte uͤberlegen ſollen, daß ich ein freyer, dienſt- und pflichtloſer Menſch war, folglich keine Obliegenheit hatte, den Fis¬ cal oder Angeber zu machen, und mich in ſolche Haͤndel zu miſchen — Aber man iſt denn nicht ſo billig, und ich rathe angelegentlichſt, an Hoͤ¬ fen ſich zu keiner Parthey merklich zu ſchlagen, ſondern ſeinen graden Gang fortzugehn, und
ſich
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dem, was vorgefallen, geweſen iſt, die Zeche be¬
zahlen helfen. Ich habe an einem Orte, wo ich
mich wahrlich — wieder meine ſuͤndliche Natur
— aͤuſſerſt vorſichtig aufgefuͤhrt hatte, unbe¬
ſchreiblichen Verdruß blos dadurch gelitten, daß
man muthmaßte, ich habe eine gewiſſe Sache,
die vorgegangen, gewuſſt, oder wenigſtens ge¬
merkt, weil ich viel mit den Perſonen umgieng,
welche darinn verwickelt waren. Und doch
konnte man leicht ſchlieſſen, daß ich keine Rolle
dabey geſpielt, ja! daß ich dieſe Sache nicht
eher erfahren haben konnte, als bis ſie ſchon ge¬
ſchehn, folglich durch meinen Rath oder An¬
gabe nicht mehr zu hindern geweſen. Man
haͤtte mir alſo meine Verſchwiegenheit in jedem
Betrachte und auch deswegen zum Verdienſte
anrechnen ſollen, weil ich meine Freunde nicht
verrathen hatte. Man haͤtte uͤberlegen ſollen,
daß ich ein freyer, dienſt- und pflichtloſer Menſch
war, folglich keine Obliegenheit hatte, den Fis¬
cal oder Angeber zu machen, und mich in ſolche
Haͤndel zu miſchen — Aber man iſt denn nicht
ſo billig, und ich rathe angelegentlichſt, an Hoͤ¬
fen ſich zu keiner Parthey merklich zu ſchlagen,
ſondern ſeinen graden Gang fortzugehn, und
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/41>, abgerufen am 21.11.2024.
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