bescheiden, höflich, ruhig, wahrhaftig! Rede nicht zuviel und nie von Dingen, wovon Du nichts weisst, noch in einer Sprache, die Dir nicht geläufig ist, in so fern Der, welcher mit Dir spricht, Deine Muttersprache versteht! Be¬ trage Dich mit Würde und Gradheit, ohne grob zu seyn, ohne Ungeschliffenheit! so wird man Dich ungeneckt lassen. Allein freylich wirst Du auch nicht sehr vorgezogen. Dein Gesicht wird kein Mode- Gesicht werden. Hierüber aber be¬ ruhige Dich! Zeige Dich nicht verlegen, ängst¬ lich, wenn in einer großen Gesellschaft kein Mensch mit Dir redet! Du verliehrst nichts da¬ bey, kannst für Dich an allerley gute Dinge den¬ ken, auch manche nützliche Bemerkung machen, und man wird Dich nicht verachten, sondern vielleicht gar fürchten, ohne Dich zu hassen, und das ist denn doch zuweilen so übel nicht.
Leute, die in der Jugend an Höfen und in großen Städten keine unbeträchtliche Rolle gespielt, die vielmehr dort geglänzt, nachher aber sich zurückgezogen, sich einer einfachern Le¬ bensart gewidmet haben, vergessen gar zu leicht, daß, um hier immer ein Mode- Gesicht zu blei¬
ben,
beſcheiden, hoͤflich, ruhig, wahrhaftig! Rede nicht zuviel und nie von Dingen, wovon Du nichts weiſſt, noch in einer Sprache, die Dir nicht gelaͤufig iſt, in ſo fern Der, welcher mit Dir ſpricht, Deine Mutterſprache verſteht! Be¬ trage Dich mit Wuͤrde und Gradheit, ohne grob zu ſeyn, ohne Ungeſchliffenheit! ſo wird man Dich ungeneckt laſſen. Allein freylich wirſt Du auch nicht ſehr vorgezogen. Dein Geſicht wird kein Mode- Geſicht werden. Hieruͤber aber be¬ ruhige Dich! Zeige Dich nicht verlegen, aͤngſt¬ lich, wenn in einer großen Geſellſchaft kein Menſch mit Dir redet! Du verliehrſt nichts da¬ bey, kannſt fuͤr Dich an allerley gute Dinge den¬ ken, auch manche nuͤtzliche Bemerkung machen, und man wird Dich nicht verachten, ſondern vielleicht gar fuͤrchten, ohne Dich zu haſſen, und das iſt denn doch zuweilen ſo uͤbel nicht.
Leute, die in der Jugend an Hoͤfen und in großen Staͤdten keine unbetraͤchtliche Rolle geſpielt, die vielmehr dort geglaͤnzt, nachher aber ſich zuruͤckgezogen, ſich einer einfachern Le¬ bensart gewidmet haben, vergeſſen gar zu leicht, daß, um hier immer ein Mode- Geſicht zu blei¬
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beſcheiden, hoͤflich, ruhig, wahrhaftig! Rede
nicht zuviel und nie von Dingen, wovon Du
nichts weiſſt, noch in einer Sprache, die Dir
nicht gelaͤufig iſt, in ſo fern Der, welcher mit
Dir ſpricht, Deine Mutterſprache verſteht! Be¬
trage Dich mit Wuͤrde und Gradheit, ohne grob
zu ſeyn, ohne Ungeſchliffenheit! ſo wird man
Dich ungeneckt laſſen. Allein freylich wirſt Du
auch nicht ſehr vorgezogen. Dein Geſicht wird
kein Mode- Geſicht werden. Hieruͤber aber be¬
ruhige Dich! Zeige Dich nicht verlegen, aͤngſt¬
lich, wenn in einer großen Geſellſchaft kein
Menſch mit Dir redet! Du verliehrſt nichts da¬
bey, kannſt fuͤr Dich an allerley gute Dinge den¬
ken, auch manche nuͤtzliche Bemerkung machen,
und man wird Dich nicht verachten, ſondern
vielleicht gar fuͤrchten, ohne Dich zu haſſen, und
das iſt denn doch zuweilen ſo uͤbel nicht.
Leute, die in der Jugend an Hoͤfen und
in großen Staͤdten keine unbetraͤchtliche Rolle
geſpielt, die vielmehr dort geglaͤnzt, nachher
aber ſich zuruͤckgezogen, ſich einer einfachern Le¬
bensart gewidmet haben, vergeſſen gar zu leicht,
daß, um hier immer ein Mode- Geſicht zu blei¬
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/70>, abgerufen am 09.11.2024.
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