Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

ausgekämpft, sie sind mir zu stark die Feinde mei-
ner Ruhe, und sie zu besiegen, dazu hat meine er-
schöpfte Natur keine Kräfte mehr zuzusezzen; in glük-
lichen Tagen hat sie für das kommende Elend ge-
spart, aber es waren der frohen Tage zu wenig, als
daß sie die traurigen aufwiegen könnten, die Sonne
meines Lebens hatte nur wenig heitre Augenblikke
für mich, um die lange todte grönländische Nacht
ausdauern zu können -- Ach! daß du meine todten
Empfindungen aufwekken könntest, daß ich nicht so
ganz verlassen wäre, zwar lebt das Bild meines
Ferdinands
noch, denn nur das hungrige Grab
wird es verschlingen. Aber was drükt ein Bild aus,
wenn man das Original gekannt, und es so gekannt
hat, wie ich! Wenn ich ausgelitten habe, Freundin!
wenn ich nun den langen Todesschlaf schlummere,
so melde ihm, wenn er noch lebt, daß sein Name
mein lezter Hauch gewesen, mit dem ich vor dem
Angesichte der Gottheit getreten wäre. --



Ach! daß ich mich zurüklullen könnte in die Tage
meiner frohen Kindheit, da ich von einer Blume zur
andern, von einem Blütenstrauch zum andern hüpfte,
und Rosen um meine Schläfe wand! Da war ich so
reich, so glüklich, alles um mich her durch den Geist
der Liebe verschwistert, alles, von der steigenden Ler-
che, bis zum sumsenden Käfer wetteifernd, den Herrn

G

ausgekaͤmpft, ſie ſind mir zu ſtark die Feinde mei-
ner Ruhe, und ſie zu beſiegen, dazu hat meine er-
ſchoͤpfte Natur keine Kraͤfte mehr zuzuſezzen; in gluͤk-
lichen Tagen hat ſie fuͤr das kommende Elend ge-
ſpart, aber es waren der frohen Tage zu wenig, als
daß ſie die traurigen aufwiegen koͤnnten, die Sonne
meines Lebens hatte nur wenig heitre Augenblikke
fuͤr mich, um die lange todte groͤnlaͤndiſche Nacht
ausdauern zu koͤnnen — Ach! daß du meine todten
Empfindungen aufwekken koͤnnteſt, daß ich nicht ſo
ganz verlaſſen waͤre, zwar lebt das Bild meines
Ferdinands
noch, denn nur das hungrige Grab
wird es verſchlingen. Aber was druͤkt ein Bild aus,
wenn man das Original gekannt, und es ſo gekannt
hat, wie ich! Wenn ich ausgelitten habe, Freundin!
wenn ich nun den langen Todesſchlaf ſchlummere,
ſo melde ihm, wenn er noch lebt, daß ſein Name
mein lezter Hauch geweſen, mit dem ich vor dem
Angeſichte der Gottheit getreten waͤre. —



Ach! daß ich mich zuruͤklullen koͤnnte in die Tage
meiner frohen Kindheit, da ich von einer Blume zur
andern, von einem Bluͤtenſtrauch zum andern huͤpfte,
und Roſen um meine Schlaͤfe wand! Da war ich ſo
reich, ſo gluͤklich, alles um mich her durch den Geiſt
der Liebe verſchwiſtert, alles, von der ſteigenden Ler-
che, bis zum ſumſenden Kaͤfer wetteifernd, den Herrn

G
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0105" n="97"/>
ausgeka&#x0364;mpft, &#x017F;ie &#x017F;ind mir zu &#x017F;tark die Feinde mei-<lb/>
ner Ruhe, und &#x017F;ie zu be&#x017F;iegen, dazu hat meine er-<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;pfte Natur keine Kra&#x0364;fte mehr zuzu&#x017F;ezzen; in glu&#x0364;k-<lb/>
lichen Tagen hat &#x017F;ie fu&#x0364;r das kommende Elend ge-<lb/>
&#x017F;part, aber es waren der frohen Tage zu wenig, als<lb/>
daß &#x017F;ie die traurigen aufwiegen ko&#x0364;nnten, die Sonne<lb/>
meines Lebens hatte nur wenig heitre Augenblikke<lb/>
fu&#x0364;r mich, um die lange todte gro&#x0364;nla&#x0364;ndi&#x017F;che Nacht<lb/>
ausdauern zu ko&#x0364;nnen &#x2014; Ach! daß du meine todten<lb/>
Empfindungen aufwekken ko&#x0364;nnte&#x017F;t, daß ich nicht &#x017F;o<lb/>
ganz verla&#x017F;&#x017F;en wa&#x0364;re, zwar lebt das <hi rendition="#fr">Bild meines<lb/>
Ferdinands</hi> noch, denn nur das hungrige Grab<lb/>
wird es ver&#x017F;chlingen. Aber was dru&#x0364;kt ein Bild aus,<lb/>
wenn man das Original gekannt, und es &#x017F;o gekannt<lb/>
hat, wie ich! Wenn ich ausgelitten habe, <hi rendition="#fr">Freundin!</hi><lb/>
wenn ich nun den langen Todes&#x017F;chlaf &#x017F;chlummere,<lb/>
&#x017F;o melde ihm, wenn er noch lebt, daß &#x017F;ein Name<lb/>
mein lezter Hauch gewe&#x017F;en, mit dem ich vor dem<lb/>
Ange&#x017F;ichte der Gottheit getreten wa&#x0364;re. &#x2014;</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Ach! daß ich mich zuru&#x0364;klullen ko&#x0364;nnte in die Tage<lb/>
meiner frohen Kindheit, da ich von einer Blume zur<lb/>
andern, von einem Blu&#x0364;ten&#x017F;trauch zum andern hu&#x0364;pfte,<lb/>
und Ro&#x017F;en um meine Schla&#x0364;fe wand! Da war ich &#x017F;o<lb/>
reich, &#x017F;o glu&#x0364;klich, alles um mich her durch den Gei&#x017F;t<lb/>
der Liebe ver&#x017F;chwi&#x017F;tert, alles, von der &#x017F;teigenden Ler-<lb/>
che, bis zum &#x017F;um&#x017F;enden Ka&#x0364;fer wetteifernd, den Herrn<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[97/0105] ausgekaͤmpft, ſie ſind mir zu ſtark die Feinde mei- ner Ruhe, und ſie zu beſiegen, dazu hat meine er- ſchoͤpfte Natur keine Kraͤfte mehr zuzuſezzen; in gluͤk- lichen Tagen hat ſie fuͤr das kommende Elend ge- ſpart, aber es waren der frohen Tage zu wenig, als daß ſie die traurigen aufwiegen koͤnnten, die Sonne meines Lebens hatte nur wenig heitre Augenblikke fuͤr mich, um die lange todte groͤnlaͤndiſche Nacht ausdauern zu koͤnnen — Ach! daß du meine todten Empfindungen aufwekken koͤnnteſt, daß ich nicht ſo ganz verlaſſen waͤre, zwar lebt das Bild meines Ferdinands noch, denn nur das hungrige Grab wird es verſchlingen. Aber was druͤkt ein Bild aus, wenn man das Original gekannt, und es ſo gekannt hat, wie ich! Wenn ich ausgelitten habe, Freundin! wenn ich nun den langen Todesſchlaf ſchlummere, ſo melde ihm, wenn er noch lebt, daß ſein Name mein lezter Hauch geweſen, mit dem ich vor dem Angeſichte der Gottheit getreten waͤre. — Ach! daß ich mich zuruͤklullen koͤnnte in die Tage meiner frohen Kindheit, da ich von einer Blume zur andern, von einem Bluͤtenſtrauch zum andern huͤpfte, und Roſen um meine Schlaͤfe wand! Da war ich ſo reich, ſo gluͤklich, alles um mich her durch den Geiſt der Liebe verſchwiſtert, alles, von der ſteigenden Ler- che, bis zum ſumſenden Kaͤfer wetteifernd, den Herrn G

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/105
Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/105>, abgerufen am 18.12.2024.