Uebereinstimmung der Denkungsart, schlang sich das Liebesband immer vester um sie. Doch die Liebe ist selten vorsichtig, und so kam es dann auch, daß der alte Meier das Verständnis ent- dekte. Das war nun gerade dem Strom seiner Denkungsart entgegen gearbeitet. Sich so in seinen glänzenden Hofnungen betrogen zu sehen, und das durch einen Menschen, den er aus Mitleid zu sich genommen, kränkte ihn zu sehr, und da gelinde Mittel nichts fruchteten, so schmiedete seine Rachsucht einen Plan, der seine schwarze Seele entdekte. Er jagte den armen Heinrich sogleich aus dem Hause, stach sich hinter Werber, die sich in der Gegend aufhielten, und brachte ihn mit List in ihre Hände. Heinrich mußte Soldat werden, und ward mit Schlägen zum Ort seiner Bestimmung abgeführt. Die plözliche Nachricht von dem traurigen Schiksal ihres geliebten Heinrichs beraubte die un- glükliche Marie ihrer Sinnen, ihre Lebensgei- ster stokten, und arbeiteten unter einer gräslichen Ohnmacht. Sie erholte sich zwar wieder, aber ein hizziges Fieber schlich in ihren Adern, und riß sie bald in der schönsten Blüte ihrer Jahre dahin.
Uebereinſtimmung der Denkungsart, ſchlang ſich das Liebesband immer veſter um ſie. Doch die Liebe iſt ſelten vorſichtig, und ſo kam es dann auch, daß der alte Meier das Verſtaͤndnis ent- dekte. Das war nun gerade dem Strom ſeiner Denkungsart entgegen gearbeitet. Sich ſo in ſeinen glaͤnzenden Hofnungen betrogen zu ſehen, und das durch einen Menſchen, den er aus Mitleid zu ſich genommen, kraͤnkte ihn zu ſehr, und da gelinde Mittel nichts fruchteten, ſo ſchmiedete ſeine Rachſucht einen Plan, der ſeine ſchwarze Seele entdekte. Er jagte den armen Heinrich ſogleich aus dem Hauſe, ſtach ſich hinter Werber, die ſich in der Gegend aufhielten, und brachte ihn mit Liſt in ihre Haͤnde. Heinrich mußte Soldat werden, und ward mit Schlaͤgen zum Ort ſeiner Beſtimmung abgefuͤhrt. Die ploͤzliche Nachricht von dem traurigen Schikſal ihres geliebten Heinrichs beraubte die un- gluͤkliche Marie ihrer Sinnen, ihre Lebensgei- ſter ſtokten, und arbeiteten unter einer graͤslichen Ohnmacht. Sie erholte ſich zwar wieder, aber ein hizziges Fieber ſchlich in ihren Adern, und riß ſie bald in der ſchoͤnſten Bluͤte ihrer Jahre dahin.
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Uebereinſtimmung der Denkungsart, ſchlang ſich
das Liebesband immer veſter um ſie. Doch die
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auch, daß der alte Meier das Verſtaͤndnis ent-
dekte. Das war nun gerade dem Strom ſeiner
Denkungsart entgegen gearbeitet. Sich ſo in
ſeinen glaͤnzenden Hofnungen betrogen zu ſehen,
und das durch einen Menſchen, den er aus
Mitleid zu ſich genommen, kraͤnkte ihn zu ſehr,
und da gelinde Mittel nichts fruchteten, ſo
ſchmiedete ſeine Rachſucht einen Plan, der ſeine
ſchwarze Seele entdekte. Er jagte den armen
Heinrich ſogleich aus dem Hauſe, ſtach ſich hinter
Werber, die ſich in der Gegend aufhielten, und
brachte ihn mit Liſt in ihre Haͤnde. Heinrich
mußte Soldat werden, und ward mit Schlaͤgen
zum Ort ſeiner Beſtimmung abgefuͤhrt. Die
ploͤzliche Nachricht von dem traurigen Schikſal
ihres geliebten Heinrichs beraubte die un-
gluͤkliche Marie ihrer Sinnen, ihre Lebensgei-
ſter ſtokten, und arbeiteten unter einer graͤslichen
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ein hizziges Fieber ſchlich in ihren Adern,
und riß ſie bald in der ſchoͤnſten Bluͤte ihrer
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/124>, abgerufen am 24.11.2024.
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