Wilhelm Graf von Woldau, ein junger Officier in ... Diensten, sah Emilien C .. ein Mädchen von zwar bürgerlichen Herkommen, aber von desto grösserm Adel des Geistes -- Sie zu sehen, und in einem Nu Ehrfurcht und Liebe zu empfinden, war Eins. Was ihr das ver- schwenderische Glük an hoher Geburt und Reich- thümern entzogen, das ersezte die Natur im vol- len Masse. Jhre Bildung war |edel und liebens- würdig, ihr Herz bieder und gut, jedermann suchte ihren Umgang, und eine höhere Röte färbte die Wange des liebenden Jünglings, wann sie ihm einen belohnenden Blik zuwarf, einen Blik, der ihre ganze Seele aufschloß. Nur die- ser einzige Blik der liebevollen Unschuld, und al- les drängte sich zu ihr; aber ihr Herz war kalt gegen das Lob und die Schmeicheleien so vieler, es schlug nur für den Einen, den Einzigen! Jhn hatte sie sich erkoren zum Geliebten und Freund. Jhre Seelen, so genau mit einander verschwistert, fanden und liebten sich.
d) Woldau und Emilie. Auch Liebe fuͤhrt ins Grab.
Wilhelm Graf von Woldau, ein junger Officier in … Dienſten, ſah Emilien C .. ein Maͤdchen von zwar buͤrgerlichen Herkommen, aber von deſto groͤſſerm Adel des Geiſtes — Sie zu ſehen, und in einem Nu Ehrfurcht und Liebe zu empfinden, war Eins. Was ihr das ver- ſchwenderiſche Gluͤk an hoher Geburt und Reich- thuͤmern entzogen, das erſezte die Natur im vol- len Maſſe. Jhre Bildung war |edel und liebens- wuͤrdig, ihr Herz bieder und gut, jedermann ſuchte ihren Umgang, und eine hoͤhere Roͤte faͤrbte die Wange des liebenden Juͤnglings, wann ſie ihm einen belohnenden Blik zuwarf, einen Blik, der ihre ganze Seele aufſchloß. Nur die- ſer einzige Blik der liebevollen Unſchuld, und al- les draͤngte ſich zu ihr; aber ihr Herz war kalt gegen das Lob und die Schmeicheleien ſo vieler, es ſchlug nur fuͤr den Einen, den Einzigen! Jhn hatte ſie ſich erkoren zum Geliebten und Freund. Jhre Seelen, ſo genau mit einander verſchwiſtert, fanden und liebten ſich.
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d) Woldau und Emilie. Auch Liebe
fuͤhrt ins Grab.
Wilhelm Graf von Woldau, ein junger
Officier in … Dienſten, ſah Emilien C ..
ein Maͤdchen von zwar buͤrgerlichen Herkommen,
aber von deſto groͤſſerm Adel des Geiſtes — Sie
zu ſehen, und in einem Nu Ehrfurcht und Liebe
zu empfinden, war Eins. Was ihr das ver-
ſchwenderiſche Gluͤk an hoher Geburt und Reich-
thuͤmern entzogen, das erſezte die Natur im vol-
len Maſſe. Jhre Bildung war |edel und liebens-
wuͤrdig, ihr Herz bieder und gut, jedermann
ſuchte ihren Umgang, und eine hoͤhere Roͤte
faͤrbte die Wange des liebenden Juͤnglings, wann
ſie ihm einen belohnenden Blik zuwarf, einen
Blik, der ihre ganze Seele aufſchloß. Nur die-
ſer einzige Blik der liebevollen Unſchuld, und al-
les draͤngte ſich zu ihr; aber ihr Herz war kalt
gegen das Lob und die Schmeicheleien ſo vieler,
es ſchlug nur fuͤr den Einen, den Einzigen!
Jhn hatte ſie ſich erkoren zum Geliebten und
Freund. Jhre Seelen, ſo genau mit einander
verſchwiſtert, fanden und liebten ſich.
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/126>, abgerufen am 24.11.2024.
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