verlieh, denn die Erfahrung lehrt das Ge- genteil.
Hat dir das Glük eine glänzende Geburt ver- liehen, so legte es dir mit deinem Werden zu- gleich die Verpflichtung auf, deinen Geist desto mehr zu vervollkommen, um der Welt zu zeigen, daß du des glüklichen Loses werth seist, das dir aus Fortunens Urne zufiel. Blik also nicht ver- achtungsvoll auf den Bastard herab, der sein Dasein von einer verstolnen Liebe empfing -- sieh nicht so scheel auf den Abkömmling des Nach- richters und seiner Gehülfen herab -- Auch sie sind Menschen wie du -- auch in ihrer Brust kan ein warmes Herz für Tugend und Recht- schaffenheit schlagen; es schlägt ja oft wärmer und feuriger im härnen als im seidenen Ge- wande, wallt ja oft höher zur Ehre der Mensch- heit unterm Kittel, als unterm Band und Stern empor, und willst du, Guter, Edler! Züge des Edelmuts, und Geistes Grösse aufsuchen, so geh zu deinen armen verachteten Brüdern; willst du in unsern aufgeklärten Zeiten nach Re- ligion und Tugend suchen, so suche sie in Hüt- ten -- in jenen stillen Wonungen des Friedens, wo jene edle Einfalt der Natur noch wont,
verlieh, denn die Erfahrung lehrt das Ge- genteil.
Hat dir das Gluͤk eine glaͤnzende Geburt ver- liehen, ſo legte es dir mit deinem Werden zu- gleich die Verpflichtung auf, deinen Geiſt deſto mehr zu vervollkommen, um der Welt zu zeigen, daß du des gluͤklichen Loſes werth ſeiſt, das dir aus Fortunens Urne zufiel. Blik alſo nicht ver- achtungsvoll auf den Baſtard herab, der ſein Daſein von einer verſtolnen Liebe empfing — ſieh nicht ſo ſcheel auf den Abkoͤmmling des Nach- richters und ſeiner Gehuͤlfen herab — Auch ſie ſind Menſchen wie du — auch in ihrer Bruſt kan ein warmes Herz fuͤr Tugend und Recht- ſchaffenheit ſchlagen; es ſchlaͤgt ja oft waͤrmer und feuriger im haͤrnen als im ſeidenen Ge- wande, wallt ja oft hoͤher zur Ehre der Menſch- heit unterm Kittel, als unterm Band und Stern empor, und willſt du, Guter, Edler! Zuͤge des Edelmuts, und Geiſtes Groͤſſe aufſuchen, ſo geh zu deinen armen verachteten Bruͤdern; willſt du in unſern aufgeklaͤrten Zeiten nach Re- ligion und Tugend ſuchen, ſo ſuche ſie in Huͤt- ten — in jenen ſtillen Wonungen des Friedens, wo jene edle Einfalt der Natur noch wont,
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verlieh, denn die Erfahrung lehrt das Ge-
genteil.
Hat dir das Gluͤk eine glaͤnzende Geburt ver-
liehen, ſo legte es dir mit deinem Werden zu-
gleich die Verpflichtung auf, deinen Geiſt deſto
mehr zu vervollkommen, um der Welt zu zeigen,
daß du des gluͤklichen Loſes werth ſeiſt, das dir
aus Fortunens Urne zufiel. Blik alſo nicht ver-
achtungsvoll auf den Baſtard herab, der ſein
Daſein von einer verſtolnen Liebe empfing —
ſieh nicht ſo ſcheel auf den Abkoͤmmling des Nach-
richters und ſeiner Gehuͤlfen herab — Auch ſie
ſind Menſchen wie du — auch in ihrer Bruſt
kan ein warmes Herz fuͤr Tugend und Recht-
ſchaffenheit ſchlagen; es ſchlaͤgt ja oft waͤrmer
und feuriger im haͤrnen als im ſeidenen Ge-
wande, wallt ja oft hoͤher zur Ehre der Menſch-
heit unterm Kittel, als unterm Band und Stern
empor, und willſt du, Guter, Edler! Zuͤge des
Edelmuts, und Geiſtes Groͤſſe aufſuchen,
ſo geh zu deinen armen verachteten Bruͤdern;
willſt du in unſern aufgeklaͤrten Zeiten nach Re-
ligion und Tugend ſuchen, ſo ſuche ſie in Huͤt-
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/156>, abgerufen am 24.11.2024.
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