Mann. Der Verwalter läßt ihn holen, und ohne weiters in den Thurm sezzen, mit dem Be- fehl, den Mann dreimal vier und zwanzig Stunden einzusperren, und ihn während dieser Zeit weder Speise noch Trank zu reichen. Dieser unnatürliche und sinnlose Befehl ward genau befolgt. Welche Würkun- gen muste er haben! Mächte des Himmels, wen- det euer Antliz von diesem Scheusal weg! Der arme Gefangene, bei dem sich der Durst nach den Regeln der Natur um so heftiger wieder |ein- fand, je mehr er vom Rausch erwachte, seufzte anfangs erbärmlich um seine Loslassung; endlich beschwöret er die Zuschauer bei der Barmherzig- keit Gottes um einen Tropfen Wassers. Um- sonst. Es war bei Frevel verboten, ihm etwas zu geben, und zu mehrerer Sicherheit lagen die Schlüssel zum Thurm in der Amts- stube selbst. Unermüdet sezt der Gefangene sein Seufzen fort, und reißt die silbernen Knöpfe vom Wams, und bietet für jedes Trinkglas Wassers einen. Man meldets dem Verwalter, der Barbar ist versteinert. -- Jn der Straf- sei, wer ihm einen Tropfen reicht! Nun bricht das unglükliche Opfer der Natur zum
Mann. Der Verwalter laͤßt ihn holen, und ohne weiters in den Thurm ſezzen, mit dem Be- fehl, den Mann dreimal vier und zwanzig Stunden einzuſperren, und ihn waͤhrend dieſer Zeit weder Speiſe noch Trank zu reichen. Dieſer unnatuͤrliche und ſinnloſe Befehl ward genau befolgt. Welche Wuͤrkun- gen muſte er haben! Maͤchte des Himmels, wen- det euer Antliz von dieſem Scheuſal weg! Der arme Gefangene, bei dem ſich der Durſt nach den Regeln der Natur um ſo heftiger wieder |ein- fand, je mehr er vom Rauſch erwachte, ſeufzte anfangs erbaͤrmlich um ſeine Loslaſſung; endlich beſchwoͤret er die Zuſchauer bei der Barmherzig- keit Gottes um einen Tropfen Waſſers. Um- ſonſt. Es war bei Frevel verboten, ihm etwas zu geben, und zu mehrerer Sicherheit lagen die Schluͤſſel zum Thurm in der Amts- ſtube ſelbſt. Unermuͤdet ſezt der Gefangene ſein Seufzen fort, und reißt die ſilbernen Knoͤpfe vom Wams, und bietet fuͤr jedes Trinkglas Waſſers einen. Man meldets dem Verwalter, der Barbar iſt verſteinert. — Jn der Straf- ſei, wer ihm einen Tropfen reicht! Nun bricht das ungluͤkliche Opfer der Natur zum
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Mann. Der Verwalter laͤßt ihn holen, und
ohne weiters in den Thurm ſezzen, mit dem Be-
fehl, den Mann dreimal vier und zwanzig
Stunden einzuſperren, und ihn waͤhrend
dieſer Zeit weder Speiſe noch Trank
zu reichen. Dieſer unnatuͤrliche und ſinnloſe
Befehl ward genau befolgt. Welche Wuͤrkun-
gen muſte er haben! Maͤchte des Himmels, wen-
det euer Antliz von dieſem Scheuſal weg! Der
arme Gefangene, bei dem ſich der Durſt nach
den Regeln der Natur um ſo heftiger wieder |ein-
fand, je mehr er vom Rauſch erwachte, ſeufzte
anfangs erbaͤrmlich um ſeine Loslaſſung; endlich
beſchwoͤret er die Zuſchauer bei der Barmherzig-
keit Gottes um einen Tropfen Waſſers. Um-
ſonſt. Es war bei Frevel verboten, ihm
etwas zu geben, und zu mehrerer Sicherheit
lagen die Schluͤſſel zum Thurm in der Amts-
ſtube ſelbſt. Unermuͤdet ſezt der Gefangene ſein
Seufzen fort, und reißt die ſilbernen Knoͤpfe
vom Wams, und bietet fuͤr jedes Trinkglas
Waſſers einen. Man meldets dem Verwalter,
der Barbar iſt verſteinert. — Jn der Straf-
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/160>, abgerufen am 25.11.2024.
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