Menschenfreund und Christ! Der Eroberer fällt, und wird vergessen, keine Zähre segnet sein Andenken, aber hier seufzt das Land, wimmert der Knabe, weint der Jüngling, und das Mäd- chen, schluchzet der Greis und die Matrone, alles ruft in Trauer gehüllt: Vater, warum nahmst du uns ihn? Ja, Monumente ver- gehen, Buchstaben erlöschen, Ehrensäulen wer- den zerschmettert -- aber solche Tränen |steigen hinan zum Tron der Allmacht. Ach Braga! sieh den Jammer des verwaisten Volks; sein Vater ist dahin, und wer kann, wer wird seinen Verlust ersezzen? Er ist hin, und mit ihm sank ein Stamm, der dem Wanderer Schatten gab, und Jahrhnnderte hindurch blühte; sein Geschlecht ist erloschen, traurige Erinnerung! ein Geschlecht, das Helden hervorbrachte, schrek- lich im Felde, furchtbar den Feinden des Vater- landes; ein Geschlecht, aus dem Männer hervor- giengen, die mit ihrer Weisheit Land und Leute regierten, und mit Klugheit das deutsche Staats- ruder lenkten. Alle sind sie dahin, schon ern- stes Moos bedekt ihre Male, und ihre Namen sind vergessen. Aber du wirst nicht vergessen, Grosser! Edler! dein Andenken lebt in der
Menſchenfreund und Chriſt! Der Eroberer faͤllt, und wird vergeſſen, keine Zaͤhre ſegnet ſein Andenken, aber hier ſeufzt das Land, wimmert der Knabe, weint der Juͤngling, und das Maͤd- chen, ſchluchzet der Greis und die Matrone, alles ruft in Trauer gehuͤllt: Vater, warum nahmſt du uns ihn? Ja, Monumente ver- gehen, Buchſtaben erloͤſchen, Ehrenſaͤulen wer- den zerſchmettert — aber ſolche Traͤnen |ſteigen hinan zum Tron der Allmacht. Ach Braga! ſieh den Jammer des verwaiſten Volks; ſein Vater iſt dahin, und wer kann, wer wird ſeinen Verluſt erſezzen? Er iſt hin, und mit ihm ſank ein Stamm, der dem Wanderer Schatten gab, und Jahrhnnderte hindurch bluͤhte; ſein Geſchlecht iſt erloſchen, traurige Erinnerung! ein Geſchlecht, das Helden hervorbrachte, ſchrek- lich im Felde, furchtbar den Feinden des Vater- landes; ein Geſchlecht, aus dem Maͤnner hervor- giengen, die mit ihrer Weisheit Land und Leute regierten, und mit Klugheit das deutſche Staats- ruder lenkten. Alle ſind ſie dahin, ſchon ern- ſtes Moos bedekt ihre Male, und ihre Namen ſind vergeſſen. Aber du wirſt nicht vergeſſen, Groſſer! Edler! dein Andenken lebt in der
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Menſchenfreund und Chriſt! Der Eroberer
faͤllt, und wird vergeſſen, keine Zaͤhre ſegnet ſein
Andenken, aber hier ſeufzt das Land, wimmert
der Knabe, weint der Juͤngling, und das Maͤd-
chen, ſchluchzet der Greis und die Matrone,
alles ruft in Trauer gehuͤllt: Vater, warum
nahmſt du uns ihn? Ja, Monumente ver-
gehen, Buchſtaben erloͤſchen, Ehrenſaͤulen wer-
den zerſchmettert — aber ſolche Traͤnen |ſteigen
hinan zum Tron der Allmacht. Ach Braga!
ſieh den Jammer des verwaiſten Volks; ſein
Vater iſt dahin, und wer kann, wer wird ſeinen
Verluſt erſezzen? Er iſt hin, und mit ihm
ſank ein Stamm, der dem Wanderer Schatten
gab, und Jahrhnnderte hindurch bluͤhte; ſein
Geſchlecht iſt erloſchen, traurige Erinnerung!
ein Geſchlecht, das Helden hervorbrachte, ſchrek-
lich im Felde, furchtbar den Feinden des Vater-
landes; ein Geſchlecht, aus dem Maͤnner hervor-
giengen, die mit ihrer Weisheit Land und Leute
regierten, und mit Klugheit das deutſche Staats-
ruder lenkten. Alle ſind ſie dahin, ſchon ern-
ſtes Moos bedekt ihre Male, und ihre Namen
ſind vergeſſen. Aber du wirſt nicht vergeſſen,
Groſſer! Edler! dein Andenken lebt in der
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/182>, abgerufen am 25.11.2024.
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