Schmeichlern umringt ist, dem man schon früh den Gedanken einprägt, "du bist weit über deine Nebengeschöpfe erhaben, und alles muß sich vor deiner Grösse beugen"; dieser Mensch, wenn sein Herz ungebildet und roh bleibt, wird mit Verachtung auf niedere Stände herabblikken, wird sich für den Fürsten der Schöpfung, und die neben ihm für seine Sklaven ansehen. Laßt ihn nun gar die höchste Stuffe menschlicher Glükseligkeit ersteigen, laßt ihn der Günstling seines Fürsten, der Gebieter über Leben und Tod werden -- und nun schleudere ihn auf einmal herab, Verhängnis! zeige ihm anstatt Rosen- gefilde ein wüstes unbewontes Eiland, zeige ihm den hohnlachenden Blik seiner Knechte, laß ihn Verachtung und Elend in seiner ganzen Schwere fühlen -- was wird sein Loos sein? Er sieht rund um sich her eine fürchterliche Nacht, sein Kopf schwindelt, sein Verstand, der sonst trunken von Hoheit und Grösse war, denkt sich Sklavenge- wand, harte Kost, unbewirtetes Lager, und keine Seele, die auf ihn merkt, so viele, die jhn verachten -- stuffenweise sinkt er herab zum Wahnsinn, seine Seelenkräfte verlassen ihn, und rauben ihm den Genuß von Freude und Leid.
N 2
Schmeichlern umringt iſt, dem man ſchon fruͤh den Gedanken einpraͤgt, „du biſt weit uͤber deine Nebengeſchoͤpfe erhaben, und alles muß ſich vor deiner Groͤſſe beugen‟; dieſer Menſch, wenn ſein Herz ungebildet und roh bleibt, wird mit Verachtung auf niedere Staͤnde herabblikken, wird ſich fuͤr den Fuͤrſten der Schoͤpfung, und die neben ihm fuͤr ſeine Sklaven anſehen. Laßt ihn nun gar die hoͤchſte Stuffe menſchlicher Gluͤkſeligkeit erſteigen, laßt ihn der Guͤnſtling ſeines Fuͤrſten, der Gebieter uͤber Leben und Tod werden — und nun ſchleudere ihn auf einmal herab, Verhaͤngnis! zeige ihm anſtatt Roſen- gefilde ein wuͤſtes unbewontes Eiland, zeige ihm den hohnlachenden Blik ſeiner Knechte, laß ihn Verachtung und Elend in ſeiner ganzen Schwere fuͤhlen — was wird ſein Loos ſein? Er ſieht rund um ſich her eine fuͤrchterliche Nacht, ſein Kopf ſchwindelt, ſein Verſtand, der ſonſt trunken von Hoheit und Groͤſſe war, denkt ſich Sklavenge- wand, harte Koſt, unbewirtetes Lager, und keine Seele, die auf ihn merkt, ſo viele, die jhn verachten — ſtuffenweiſe ſinkt er herab zum Wahnſinn, ſeine Seelenkraͤfte verlaſſen ihn, und rauben ihm den Genuß von Freude und Leid.
N 2
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0203"n="195"/>
Schmeichlern umringt iſt, dem man ſchon fruͤh<lb/>
den Gedanken einpraͤgt, „du biſt weit uͤber deine<lb/>
Nebengeſchoͤpfe erhaben, und alles muß ſich vor<lb/>
deiner Groͤſſe beugen‟; dieſer Menſch, wenn<lb/>ſein Herz ungebildet und roh bleibt, wird mit<lb/>
Verachtung auf niedere Staͤnde herabblikken,<lb/>
wird ſich fuͤr den Fuͤrſten der Schoͤpfung, und<lb/>
die neben ihm fuͤr ſeine Sklaven anſehen.<lb/>
Laßt ihn nun gar die hoͤchſte Stuffe menſchlicher<lb/>
Gluͤkſeligkeit erſteigen, laßt ihn der Guͤnſtling<lb/>ſeines Fuͤrſten, der Gebieter uͤber Leben und<lb/>
Tod werden — und nun ſchleudere ihn auf einmal<lb/>
herab, <hirendition="#fr">Verhaͤngnis!</hi> zeige ihm anſtatt Roſen-<lb/>
gefilde ein wuͤſtes unbewontes Eiland, zeige ihm<lb/>
den hohnlachenden Blik ſeiner Knechte, laß ihn<lb/>
Verachtung und Elend in ſeiner ganzen Schwere<lb/>
fuͤhlen — was wird ſein Loos ſein? Er ſieht rund<lb/>
um ſich her eine fuͤrchterliche Nacht, ſein Kopf<lb/>ſchwindelt, ſein Verſtand, der ſonſt trunken von<lb/>
Hoheit und Groͤſſe war, denkt ſich Sklavenge-<lb/>
wand, harte Koſt, unbewirtetes Lager, und<lb/>
keine Seele, die auf ihn merkt, ſo viele, die jhn<lb/>
verachten —ſtuffenweiſe ſinkt er herab zum<lb/>
Wahnſinn, ſeine Seelenkraͤfte verlaſſen ihn, und<lb/>
rauben ihm den Genuß von Freude und Leid.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">N 2</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[195/0203]
Schmeichlern umringt iſt, dem man ſchon fruͤh
den Gedanken einpraͤgt, „du biſt weit uͤber deine
Nebengeſchoͤpfe erhaben, und alles muß ſich vor
deiner Groͤſſe beugen‟; dieſer Menſch, wenn
ſein Herz ungebildet und roh bleibt, wird mit
Verachtung auf niedere Staͤnde herabblikken,
wird ſich fuͤr den Fuͤrſten der Schoͤpfung, und
die neben ihm fuͤr ſeine Sklaven anſehen.
Laßt ihn nun gar die hoͤchſte Stuffe menſchlicher
Gluͤkſeligkeit erſteigen, laßt ihn der Guͤnſtling
ſeines Fuͤrſten, der Gebieter uͤber Leben und
Tod werden — und nun ſchleudere ihn auf einmal
herab, Verhaͤngnis! zeige ihm anſtatt Roſen-
gefilde ein wuͤſtes unbewontes Eiland, zeige ihm
den hohnlachenden Blik ſeiner Knechte, laß ihn
Verachtung und Elend in ſeiner ganzen Schwere
fuͤhlen — was wird ſein Loos ſein? Er ſieht rund
um ſich her eine fuͤrchterliche Nacht, ſein Kopf
ſchwindelt, ſein Verſtand, der ſonſt trunken von
Hoheit und Groͤſſe war, denkt ſich Sklavenge-
wand, harte Koſt, unbewirtetes Lager, und
keine Seele, die auf ihn merkt, ſo viele, die jhn
verachten — ſtuffenweiſe ſinkt er herab zum
Wahnſinn, ſeine Seelenkraͤfte verlaſſen ihn, und
rauben ihm den Genuß von Freude und Leid.
N 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/203>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.