Freude kehrt zurük, und ein schmetterndes Lied dankt der woltätigen Seele für die Befreiung.
Dis alles würkt auf seine Seele, und pakt ihn mit riesenmässiger Stärke, er fühlt nun Leer- heit und Ueberdruß| für so viel lachende Freuden um sich her; seine Fantasie zeigt ihm im Traum ein lachendes Bild, er will es haschen, und er- wacht. Er wird aus dem engen Wirkungskreise entrükt, betritt eine neue Bahn, sein Herz zu bilden, und mit Kraft und Stärke auszurüsten, er ist nicht lässig und träge, aber das Bild, was er im Traume sah, flattert stets um ihn, steht ihm zur Seite, wann er erwacht, wann er schlummert, wann er geht und denkt. Traurig mit in sich gekehrtem Blik wandelt er einher, hört ein dumpfes Rauschen am fallenden Schmer- lenbach, sieht erstarrt -- wankt -- bebt -- es ist das Bild seiner Fantasie, die stille jungfräu- liche Seele, ohne alle, auch die kleinste Anmas- sung, voll Bescheidenheit und Sittsamkeit, im lachenden Frühling ihres Lebens. Zitternd naht er sich ihr, will reden, und kann nicht, aber sein Schweigen sagt mehr, als Worte fassen kön- nen. Nach und nach enthüllt sich die Liebe, die ihre Seelen beim ersten Anblik band, der erste
Freude kehrt zuruͤk, und ein ſchmetterndes Lied dankt der woltaͤtigen Seele fuͤr die Befreiung.
Dis alles wuͤrkt auf ſeine Seele, und pakt ihn mit rieſenmaͤſſiger Staͤrke, er fuͤhlt nun Leer- heit und Ueberdruß| fuͤr ſo viel lachende Freuden um ſich her; ſeine Fantaſie zeigt ihm im Traum ein lachendes Bild, er will es haſchen, und er- wacht. Er wird aus dem engen Wirkungskreiſe entruͤkt, betritt eine neue Bahn, ſein Herz zu bilden, und mit Kraft und Staͤrke auszuruͤſten, er iſt nicht laͤſſig und traͤge, aber das Bild, was er im Traume ſah, flattert ſtets um ihn, ſteht ihm zur Seite, wann er erwacht, wann er ſchlummert, wann er geht und denkt. Traurig mit in ſich gekehrtem Blik wandelt er einher, hoͤrt ein dumpfes Rauſchen am fallenden Schmer- lenbach, ſieht erſtarrt — wankt — bebt — es iſt das Bild ſeiner Fantaſie, die ſtille jungfraͤu- liche Seele, ohne alle, auch die kleinſte Anmaſ- ſung, voll Beſcheidenheit und Sittſamkeit, im lachenden Fruͤhling ihres Lebens. Zitternd naht er ſich ihr, will reden, und kann nicht, aber ſein Schweigen ſagt mehr, als Worte faſſen koͤn- nen. Nach und nach enthuͤllt ſich die Liebe, die ihre Seelen beim erſten Anblik band, der erſte
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Freude kehrt zuruͤk, und ein ſchmetterndes Lied
dankt der woltaͤtigen Seele fuͤr die Befreiung.
Dis alles wuͤrkt auf ſeine Seele, und pakt
ihn mit rieſenmaͤſſiger Staͤrke, er fuͤhlt nun Leer-
heit und Ueberdruß| fuͤr ſo viel lachende Freuden
um ſich her; ſeine Fantaſie zeigt ihm im Traum
ein lachendes Bild, er will es haſchen, und er-
wacht. Er wird aus dem engen Wirkungskreiſe
entruͤkt, betritt eine neue Bahn, ſein Herz zu
bilden, und mit Kraft und Staͤrke auszuruͤſten,
er iſt nicht laͤſſig und traͤge, aber das Bild,
was er im Traume ſah, flattert ſtets um ihn,
ſteht ihm zur Seite, wann er erwacht, wann er
ſchlummert, wann er geht und denkt. Traurig
mit in ſich gekehrtem Blik wandelt er einher,
hoͤrt ein dumpfes Rauſchen am fallenden Schmer-
lenbach, ſieht erſtarrt — wankt — bebt — es iſt
das Bild ſeiner Fantaſie, die ſtille jungfraͤu-
liche Seele, ohne alle, auch die kleinſte Anmaſ-
ſung, voll Beſcheidenheit und Sittſamkeit, im
lachenden Fruͤhling ihres Lebens. Zitternd naht
er ſich ihr, will reden, und kann nicht, aber
ſein Schweigen ſagt mehr, als Worte faſſen koͤn-
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/206>, abgerufen am 23.11.2024.
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