möchte: wie dann, wenn der rasigte Schimmer ent- flieht, der noch manchmal, sei es auch nur kurze Minuten, um mich flattert, wenn mein Herz ganz ausgetroknet, und keiner Empfängniß der Freude mehr fähig ist! Diese Szene wird bald herein bre- chen, ich wähne so etwas, und finde mich oft von ei- ner Traurigkeit überrascht, die mich unbrauchbar für alles um und neben mich macht. Jch suche dann das dikste unbelaubteste Gebüsche, wo selten der Fuß eines Wanderers sich| verirrt, und denke Gedanken des Seins und Nichtseins, denke an die Szenen, die verflossen sind, und noch kommen sollen. So vertiefe ich mich dann im Labirinte, bis die Däm- merung alle Gegenstände um mich her verdunkelt, und ich so nach Hause hinschlendre. Jch beneide den frohen Hirtenknaben, der auf seinem Stab ge- lehnet, ein Liedchen trillert, und bei allen Auftrit- ten der Natur gleich froh und munter bleibt, der sich nichts dabei denkt, wann der Früling herein bricht, nichts fühlt, wann Schlossen die gesegneten Saaten verwüsten, der weiter keine Sorge hat, als seinen Bauch zu füllen, und seinen matten Gliedern wol zu thun im Arm des Schlafs.
Wer auch so leben könnte! Freilich hiesse dis, das Leben nur halb geniessen, und wer genösse es nicht ganz -- ganz bis auf die Hefen?
Q 5
moͤchte: wie dann, wenn der raſigte Schimmer ent- flieht, der noch manchmal, ſei es auch nur kurze Minuten, um mich flattert, wenn mein Herz ganz ausgetroknet, und keiner Empfaͤngniß der Freude mehr faͤhig iſt! Dieſe Szene wird bald herein bre- chen, ich waͤhne ſo etwas, und finde mich oft von ei- ner Traurigkeit uͤberraſcht, die mich unbrauchbar fuͤr alles um und neben mich macht. Jch ſuche dann das dikſte unbelaubteſte Gebuͤſche, wo ſelten der Fuß eines Wanderers ſich| verirrt, und denke Gedanken des Seins und Nichtſeins, denke an die Szenen, die verfloſſen ſind, und noch kommen ſollen. So vertiefe ich mich dann im Labirinte, bis die Daͤm- merung alle Gegenſtaͤnde um mich her verdunkelt, und ich ſo nach Hauſe hinſchlendre. Jch beneide den frohen Hirtenknaben, der auf ſeinem Stab ge- lehnet, ein Liedchen trillert, und bei allen Auftrit- ten der Natur gleich froh und munter bleibt, der ſich nichts dabei denkt, wann der Fruͤling herein bricht, nichts fuͤhlt, wann Schloſſen die geſegneten Saaten verwuͤſten, der weiter keine Sorge hat, als ſeinen Bauch zu fuͤllen, und ſeinen matten Gliedern wol zu thun im Arm des Schlafs.
Wer auch ſo leben koͤnnte! Freilich hieſſe dis, das Leben nur halb genieſſen, und wer genoͤſſe es nicht ganz — ganz bis auf die Hefen?
Q 5
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moͤchte: wie dann, wenn der raſigte Schimmer ent-
flieht, der noch manchmal, ſei es auch nur kurze
Minuten, um mich flattert, wenn mein Herz ganz
ausgetroknet, und keiner Empfaͤngniß der Freude
mehr faͤhig iſt! Dieſe Szene wird bald herein bre-
chen, ich waͤhne ſo etwas, und finde mich oft von ei-
ner Traurigkeit uͤberraſcht, die mich unbrauchbar
fuͤr alles um und neben mich macht. Jch ſuche dann
das dikſte unbelaubteſte Gebuͤſche, wo ſelten der Fuß
eines Wanderers ſich| verirrt, und denke Gedanken
des Seins und Nichtſeins, denke an die Szenen,
die verfloſſen ſind, und noch kommen ſollen. So
vertiefe ich mich dann im Labirinte, bis die Daͤm-
merung alle Gegenſtaͤnde um mich her verdunkelt,
und ich ſo nach Hauſe hinſchlendre. Jch beneide
den frohen Hirtenknaben, der auf ſeinem Stab ge-
lehnet, ein Liedchen trillert, und bei allen Auftrit-
ten der Natur gleich froh und munter bleibt, der
ſich nichts dabei denkt, wann der Fruͤling herein
bricht, nichts fuͤhlt, wann Schloſſen die geſegneten
Saaten verwuͤſten, der weiter keine Sorge hat, als
ſeinen Bauch zu fuͤllen, und ſeinen matten Gliedern
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/257>, abgerufen am 21.11.2024.
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