A) Angeklagter, überwiesener intendirter Mörder, dem Scheine nach, und doch am Ende ein ehrlicher Mann, und unschuldig.
Dieses Opfer der Unschuld war als Subal- ternofficier in Diensten eines deutschen Für- sten. Sein Wandel war von unbescholtnem Ruf, und die eifrige Befolgung seiner Pflichten, sein steter Gedanke. Er ward einst von seinem Obern absichtlich beleidigt, und an seiner Ehre gekränkt. Er litte es im Gefühl der Subor- dination, und im Bewustsein, solche Behand- lung nicht verdient zu haben. Kurz darauf muste er ebendemselben einen nötigen Rapport abstat- ten, und hatte nicht die geringste Absicht, sich auf irgend eine Art an ihn zu vergreifen; den- noch, es sei nun, daß jener ihn gänzlich zu Grunde richten wollte, oder sich so etwas ver- muten war, genug, er ließ ihn sogleich arretiren, und beschuldigte ihn, daß er ihm nach dem Le- ben getrachtet habe. Seine Domestiken sagten
A) Angeklagter, uͤberwieſener intendirter Moͤrder, dem Scheine nach, und doch am Ende ein ehrlicher Mann, und unſchuldig.
Dieſes Opfer der Unſchuld war als Subal- ternofficier in Dienſten eines deutſchen Fuͤr- ſten. Sein Wandel war von unbeſcholtnem Ruf, und die eifrige Befolgung ſeiner Pflichten, ſein ſteter Gedanke. Er ward einſt von ſeinem Obern abſichtlich beleidigt, und an ſeiner Ehre gekraͤnkt. Er litte es im Gefuͤhl der Subor- dination, und im Bewuſtſein, ſolche Behand- lung nicht verdient zu haben. Kurz darauf muſte er ebendemſelben einen noͤtigen Rapport abſtat- ten, und hatte nicht die geringſte Abſicht, ſich auf irgend eine Art an ihn zu vergreifen; den- noch, es ſei nun, daß jener ihn gaͤnzlich zu Grunde richten wollte, oder ſich ſo etwas ver- muten war, genug, er ließ ihn ſogleich arretiren, und beſchuldigte ihn, daß er ihm nach dem Le- ben getrachtet habe. Seine Domeſtiken ſagten
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A) Angeklagter, uͤberwieſener intendirter
Moͤrder, dem Scheine nach, und doch
am Ende ein ehrlicher Mann,
und unſchuldig.
Dieſes Opfer der Unſchuld war als Subal-
ternofficier in Dienſten eines deutſchen Fuͤr-
ſten. Sein Wandel war von unbeſcholtnem
Ruf, und die eifrige Befolgung ſeiner Pflichten,
ſein ſteter Gedanke. Er ward einſt von ſeinem
Obern abſichtlich beleidigt, und an ſeiner Ehre
gekraͤnkt. Er litte es im Gefuͤhl der Subor-
dination, und im Bewuſtſein, ſolche Behand-
lung nicht verdient zu haben. Kurz darauf muſte
er ebendemſelben einen noͤtigen Rapport abſtat-
ten, und hatte nicht die geringſte Abſicht, ſich
auf irgend eine Art an ihn zu vergreifen; den-
noch, es ſei nun, daß jener ihn gaͤnzlich zu
Grunde richten wollte, oder ſich ſo etwas ver-
muten war, genug, er ließ ihn ſogleich arretiren,
und beſchuldigte ihn, daß er ihm nach dem Le-
ben getrachtet habe. Seine Domeſtiken ſagten
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/278>, abgerufen am 16.06.2024.
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