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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

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Möchten wir es doch auch hienieden sein!
und o meine Brüder! wir könnten's, wenn
wir gemeinschaftlich das Elend trügen, was ein-
mal unzertrennlich mit unserm Wesen verbunden
ist. Kurz ist die Laufbahn unsers Erdenwallens,
und oft dornigt, öde und wüste, mit karger
Hand sind uns die Freuden zugemessen, und das
Vergnügen ist auf dem Wege des Lebens nur
sparsam gesäet -- wenig Tage duftet die Rose,
und das blaue Veilchen, das ein warmer Hauch
des Frühlings aufschloß, haucht schon am Abend
den Geist der Verwesung. Alles unter dem
Monde ist eitel, und der Zerstörung unterwor-
fen. Leid und Freude wechselt beständig, nur
folgt uns ersteres immer auf den Fersen nach,
da uns die leztere nur selten beschleicht. Viel sind
oft der Tage des Elends, die der müde Pilger
zält, drükkend das Joch, das auf seine Schul-
tern lastet, und er hats oft nicht verschuldet --
Brüder legten es ihm auf. Und wir wollten
so kalt hinein blikken, und zusehen, wie seine
morschen Knie sinken, wie sein zitterndes Haupt
zur Erde sinkt, und der Kummer die müden Au-
gen zudrükt! O nein, meine Freunde! lasset
uns ihm die Hände reichen, und seine wanken-

T 3

Moͤchten wir es doch auch hienieden ſein!
und o meine Bruͤder! wir koͤnnten’s, wenn
wir gemeinſchaftlich das Elend truͤgen, was ein-
mal unzertrennlich mit unſerm Weſen verbunden
iſt. Kurz iſt die Laufbahn unſers Erdenwallens,
und oft dornigt, oͤde und wuͤſte, mit karger
Hand ſind uns die Freuden zugemeſſen, und das
Vergnuͤgen iſt auf dem Wege des Lebens nur
ſparſam geſaͤet — wenig Tage duftet die Roſe,
und das blaue Veilchen, das ein warmer Hauch
des Fruͤhlings aufſchloß, haucht ſchon am Abend
den Geiſt der Verweſung. Alles unter dem
Monde iſt eitel, und der Zerſtoͤrung unterwor-
fen. Leid und Freude wechſelt beſtaͤndig, nur
folgt uns erſteres immer auf den Ferſen nach,
da uns die leztere nur ſelten beſchleicht. Viel ſind
oft der Tage des Elends, die der muͤde Pilger
zaͤlt, druͤkkend das Joch, das auf ſeine Schul-
tern laſtet, und er hats oft nicht verſchuldet —
Bruͤder legten es ihm auf. Und wir wollten
ſo kalt hinein blikken, und zuſehen, wie ſeine
morſchen Knie ſinken, wie ſein zitterndes Haupt
zur Erde ſinkt, und der Kummer die muͤden Au-
gen zudruͤkt! O nein, meine Freunde! laſſet
uns ihm die Haͤnde reichen, und ſeine wanken-

T 3
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[289/0297] Moͤchten wir es doch auch hienieden ſein! und o meine Bruͤder! wir koͤnnten’s, wenn wir gemeinſchaftlich das Elend truͤgen, was ein- mal unzertrennlich mit unſerm Weſen verbunden iſt. Kurz iſt die Laufbahn unſers Erdenwallens, und oft dornigt, oͤde und wuͤſte, mit karger Hand ſind uns die Freuden zugemeſſen, und das Vergnuͤgen iſt auf dem Wege des Lebens nur ſparſam geſaͤet — wenig Tage duftet die Roſe, und das blaue Veilchen, das ein warmer Hauch des Fruͤhlings aufſchloß, haucht ſchon am Abend den Geiſt der Verweſung. Alles unter dem Monde iſt eitel, und der Zerſtoͤrung unterwor- fen. Leid und Freude wechſelt beſtaͤndig, nur folgt uns erſteres immer auf den Ferſen nach, da uns die leztere nur ſelten beſchleicht. Viel ſind oft der Tage des Elends, die der muͤde Pilger zaͤlt, druͤkkend das Joch, das auf ſeine Schul- tern laſtet, und er hats oft nicht verſchuldet — Bruͤder legten es ihm auf. Und wir wollten ſo kalt hinein blikken, und zuſehen, wie ſeine morſchen Knie ſinken, wie ſein zitterndes Haupt zur Erde ſinkt, und der Kummer die muͤden Au- gen zudruͤkt! O nein, meine Freunde! laſſet uns ihm die Haͤnde reichen, und ſeine wanken- T 3

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Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/297>, abgerufen am 21.11.2024.