Jdeal der Vollkommenheit und Schönheit zu- sammen zu schmelzen.
So wie der junge Maitag sich entfaltet, und über Wald und Flur herablächelt, so waren die Züge ihres Gesichts. Unschuld und Tugend zit- terten im blauen Auge, und namenloses Ent- zükken der Liebe schimmerte unter den Wimpern hervor. So wie Blandusiens Quell in tausend Krümmungen sich durch bunte Wiesen schlängelt -- durch Thal und Hügel gaukelt, und mit hüpfenden Wellen das blumigte Gestade küßt, so schlängelten sich blaue Adern durch die blendend weisse Haut, so mischten sie Rot und Weiß auf den vollen Wangen -- so schimmerte der Rose Purpur durch der Lilie Schnee hindurch -- so gatteten sich zallose Reize neben einander, die nur der Pinsel eines Wielands entwerfen kann -- der meine entsinkt mir, unwillig werfe ich ihn weg -- Nimm vorlieb, Leser! mit dem Schat- ten, so ich dir entwarf -- willst du Ergänzung -- willst du ein Gemälde von der Hand des Meisters entworfen, so lies den Oberon und sieh Anianda's Bild -- sieh in ihr Caroli- nens Bild. -- Bei so grossem Reiz -- bei sol- cher Anmut des Körpers -- bei so vielen her-
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Jdeal der Vollkommenheit und Schoͤnheit zu- ſammen zu ſchmelzen.
So wie der junge Maitag ſich entfaltet, und uͤber Wald und Flur herablaͤchelt, ſo waren die Zuͤge ihres Geſichts. Unſchuld und Tugend zit- terten im blauen Auge, und namenloſes Ent- zuͤkken der Liebe ſchimmerte unter den Wimpern hervor. So wie Blanduſiens Quell in tauſend Kruͤmmungen ſich durch bunte Wieſen ſchlaͤngelt — durch Thal und Huͤgel gaukelt, und mit huͤpfenden Wellen das blumigte Geſtade kuͤßt, ſo ſchlaͤngelten ſich blaue Adern durch die blendend weiſſe Haut, ſo miſchten ſie Rot und Weiß auf den vollen Wangen — ſo ſchimmerte der Roſe Purpur durch der Lilie Schnee hindurch — ſo gatteten ſich zalloſe Reize neben einander, die nur der Pinſel eines Wielands entwerfen kann — der meine entſinkt mir, unwillig werfe ich ihn weg — Nimm vorlieb, Leſer! mit dem Schat- ten, ſo ich dir entwarf — willſt du Ergaͤnzung — willſt du ein Gemaͤlde von der Hand des Meiſters entworfen, ſo lies den Oberon und ſieh Anianda’s Bild — ſieh in ihr Caroli- nens Bild. — Bei ſo groſſem Reiz — bei ſol- cher Anmut des Koͤrpers — bei ſo vielen her-
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Jdeal der Vollkommenheit und Schoͤnheit zu-
ſammen zu ſchmelzen.
So wie der junge Maitag ſich entfaltet, und
uͤber Wald und Flur herablaͤchelt, ſo waren die
Zuͤge ihres Geſichts. Unſchuld und Tugend zit-
terten im blauen Auge, und namenloſes Ent-
zuͤkken der Liebe ſchimmerte unter den Wimpern
hervor. So wie Blanduſiens Quell in tauſend
Kruͤmmungen ſich durch bunte Wieſen ſchlaͤngelt
— durch Thal und Huͤgel gaukelt, und mit
huͤpfenden Wellen das blumigte Geſtade kuͤßt, ſo
ſchlaͤngelten ſich blaue Adern durch die blendend
weiſſe Haut, ſo miſchten ſie Rot und Weiß auf
den vollen Wangen — ſo ſchimmerte der Roſe
Purpur durch der Lilie Schnee hindurch — ſo
gatteten ſich zalloſe Reize neben einander, die
nur der Pinſel eines Wielands entwerfen kann
— der meine entſinkt mir, unwillig werfe ich ihn
weg — Nimm vorlieb, Leſer! mit dem Schat-
ten, ſo ich dir entwarf — willſt du Ergaͤnzung
— willſt du ein Gemaͤlde von der Hand des
Meiſters entworfen, ſo lies den Oberon und
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/61>, abgerufen am 21.07.2024.
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